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Plasma-Roboter poliert Groß-Artefakte aus dem 3D-Drucker auf Hochglanz

Handpolitur ist auch in der Industrie immer noch weit verbreitet. Plasmotion Freiberg will sie nun durch die Plasma-Politur auch für große Bauteile mit Roboterhilfe ersetzen. Foto: Heiko Weckbrodt

Handpolitur ist auch in der Industrie immer noch weit verbreitet. Plasmotion Freiberg will sie nun durch die Plasma-Politur auch für große Bauteile mit Roboterhilfe ersetzen. Foto: Heiko Weckbrodt

Bergakademie-Ausgründung „Plasmotion“ Freiberg will Hand-Politur in Autoindustrie, Chipfabriken und Medizintech vielerorts überflüssig machen

Freiberg, 15. Oktober 2024. Um auch große Artefakte aus dem 3D-Drucker schön glatt und glänzend zu machen, setzen Freiberger Ingenieure einen Roboter mit Plasma-Polierarm auf diese Aufgabe an: Der stählerne Kollege schießt einen Elektrolyt-Salzwasserstrahl auf das Bauteil, setzt es unter Hochspannung, so dass ein glättendes Plasma entsteht, das auch kleinste Rauheiten wegrubbelt. Die Bergakademie-Ausgründung „Plasmotion“ will das Verfahren nun unter anderem in der Autoindustrie, in Chipfabriken und in der Medizintechnik etablieren.

Europas Fertigungsindustrie steckt pro Jahr 1,8 Milliarden Euro in mechanische Politur

Plasmotion-Finanzchef Justus Brenger sieht großes Marktpotenzial in dieser sächsischen Technologie: „Allein die europäische Fertigungsindustrie steckt jedes Jahr rund 1,8 Milliarden Euro in mechanische Polierverfahren“, erklärte er beim jüngsten Kongress des „Automobilclusters Ostdeutschland“ (ACOD) in Dresden. Mit dem „Jetpep“ genannten Plasma-Polierer habe das Freiberger Team nun eine umweltfreundliche Alternative geschaffen, die eine besonders hohe Polier-Qualität zu moderaten Kosten eröffne – und dies eben auch für große Bauteile, die bisher fürs etablierte Plasma-Polieren nicht in Frage kamen. Je nach konkreter Anwendung könne die „Plasmotion“-Lösung einen Viertelquadratmeter oder einen ganzen Quadratmeter Oberfläche pro Sekunde glätten und dies zu kosten zwischen 1,30 und 23 Euro pro Bauteil. „Wir gehen davon aus, dass sich unsere Anlagen innerhalb von 18 Monaten amortisieren“, versprach er den versammelten Automobilisten in Dresden.

Hochspannung im Salz-Bad

Das „Plasmotion“-Team hatte sich im Herbst 2022 aus der Bergakademie Freiberg ausgegründet. Spezialisiert hat sich das Unternehmen auf eine besondere Form des Plasma-Polierens: Statt eine raue Oberfläche mit Feile, Sandstahler, Schmiergler oder anderen mechanischen Werkzeugen zu ebnen, tauchen die Sachsen kleinere Bauteile in ein Salzwasser-Elektrolytbad, das ohne umweltschädliche Chemikalien auskommt. Dort legen sie dann – je nach Bauteil-Material – Spannungen zwischen 200 bis 400 Volt an. Dabei entsteht ein Plasma-Dampfhülle aus leitfähigen Rumpfatomen und Elektronen. Das dabei eingesetzte Zusammenspiel aus Plasma-Physik und Elektrochemie trage „Grate und Mikrorauheiten in Rekordzeit ab“, betonen die Ingenieure. Dies führe zu „sauberen, glatten und glänzenden Oberflächen, selbst bei hochkomplexen Konturen“, wie sie beispielsweise im 3D-Drucker entstehen. Sind große Bauteile zu bearbeiten, schießt ein „Jetpep“-Roboter das Elektrolyt-Bad direkt auf die Oberfläche und erzeugt dort die Plasmablase.

Trend geht in der additiven Fertigung zu immer größeren Artefakten

Den Bedarf an solch einer Alternative zur immer noch weitverbreiteten Handpolitur großer Bauteile schätzen die Sachsen hoch ein: „Nicht nur im Bereich der Additiven Fertigung sehen wir seit Jahren einen deutlichen Trend zu großen und funktionsintegrierten Bauteilen“, zitiert die Bergakademie den Plasmotion-Gründer Vincent Stepputat. „Zudem wird der Zwang, immer das gesamte Werkstück zu bearbeiten, wenn auch ein Bruchteil des Aufwands ausreichend wäre, zunehmend in der Industrie kritisiert.“ Die müsse oft genug immer noch auf „archaische Mittel“ und Handarbeit zurückgreifen, um solche Komponenten auf Hochglanz zu bringen. Mit der Jetpep-Technik ändere sich das nun grundlegend.

Bergakademie-Professor Zeidler: Jetpep ist ein großer Schritt nach vorn

Davon ist auch Bergakademie-Professor Henning Zeidler überzeugt, der die Forschung und Ausgründung des Plasmotion-Teams begleitet hatte: „Jetpep ist ein großer Schritt nach vorn, für den es nicht nur in der Endbearbeitung von additiv gefertigten Metallbauteilen dringenden Bedarf gibt.“

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: Plasmotion, Kurzvortrag beim ACOD-Kongress, TU Bergakademie Freiberg, Wikipedia, IDW

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