Bergakademie Freiberg startet 2025 Erdwärme-Studiengang
Freiberg, 15. August 2024. Ähnlich wie Kernfusion gilt Geothermie als eine – nach menschlichen Maßstäben – schier unerschöpfliche Energiequelle. Zudem lässt sich die Wärmequelle in der Erde auch dezentral anzapfen. Die Investitionskosten sind allerdings höher als etwa bei einer Solaranlage – zudem eignet sich nicht jeder Standort in Deutschland gleichermaßen für die Erdwärme-Nutzung. Wo sich das lohnt, welche Technologien dabei nutzbar sind und wie sich solch eine Investition durchrechnen lässt, können Studenten künftig an der Bergakademie Freiberg vertiefend studieren: Die traditionsreiche Montan-Uni in Mittelsachsen bietet ab dem Sommersemester 2025 für Studenten mit Bachelor-Abschluss einen neuen „Masterstudiengang Geothermie“ an.
Wachsender weltweiter Milliardenmarkt mit Erdwärmepumpen
„Geothermie ist ein Wachstumsmarkt“, erklärt Studiengangsleiter Professor Traugott Scheytt. So geht das US-Marktforschungsunternehmen „Global Market Insights“ davon aus, dass die weltweiten Umsätze mit Erdwärmepumpen im Jahr 2023 bereits 4,3 Milliarden Dollar erreicht haben und das Marktvolumen bis 2032 auf 6,2 Milliarden Dollar zulegen wird. Das entspricht jährlichen Zuwachsraten von durchschnittlich rund 4,4 Prozent. Von daher sehen die Freiberger Professoren viel Potenzial im neuen Ausbildungsangebot: „Im neuen Masterstudiengang werden die Studierenden gezielt auf eine berufliche Karriere in dem Bereich vorbereitet“, betont Traugott Scheytt. Dabei seien viele Spezialisierungen möglich: „Sie können sich auf Technologien zur Nutzung der Wärme konzentrieren; erkunden, mit welchen Methoden die Wärme im Untergrund am besten erschlossen werden kann oder sich mit dem Potenzial von Grubenwasser auseinandersetzen.“
Halbe Million oberflächennahe Erdwärme-Anlagen in Deutschland – doch nur wenig Tiefen-Geothermie
Zum Hintergrund: In Deutschland dominiert die oberflächennahe Geothermie, zu der alle Bohrlöcher zur Wärmegewinnung bis 400 Meter Tiefe zählen. Von diesen Anlagen gibt es in der Bundesrepublik fast eine halbe Million. Typische Lösungen sind hier Erdwärmesonden oder -kollektoren im Gespann mit Wärmepumpen. Diese rund 470.000 Anlagen haben etwa 4,7 Gigawatt Gesamtleistung, was etwa vier Kernkraftwerken entspricht. Speziell in Sachsen gab es im Jahr 2023 rund rund 19.000 oberflächennahe Erdwärme-Anlagen mit einer installierten thermischen Gesamtleistung von zirka 228 Megawatt.
Außerdem existieren in Deutschland 41 Tiefen-Geothermie-Anlagen, deren Bohrlöcher über 400 Meter weit in die Erde reichen. Ihre Gesamtkapazität beziffert der „Bundesverband Geothermie“ mit 407 Megawatt Wärmeleistung und 47 Megawatt elektrischer Leistung. Die meisten dieser Tiefenanlagen befinden sich in Bayern. Inzwischen bohrt auch Sachsen an zwei Stellen nach Tiefengeothermie-Möglichkeiten.
Pazifikanrainer führend – in Europa vor allem Island und Italien
Die in Deutschland installierte elektrische Geothermie ist freilich im weltweiten Vergleich eher bescheiden: Vor allem Island und Italien, aber auch viele Pazifik-Anrainerstaaten wie die USA, Mexiko oder die Philippinen nutzen Tiefen-Geothermie bereits seit vielen Jahren für die Stromerzeugung. 2010 erreichte die weltweit installierte Leistung dieser Tiefengeothermie-Anlagen elf Gigawatt. 2023 hatten die zehn führenden Länder in diesem Sektor Anlagen mit einer elektrischen Gesamtleistung von knapp 14 Gigawatt installiert. Für Heiz- und Badezwecke nutzen Völker in den besagten Ländern die Tiefengeothermie bereits viel länger – dafür gibt es Nachweise unter anderem aus der Antike.
TAB-Studie: Technisches Gesamtpotenzial liegt beim 600-fachen des deutschen Jahresstrombedarfes
Allerdings könnte auch Deutschland weit mehr Strom und Heizenergie aus der Erde holen, als es bisher geschieht: „Das technische Gesamtpotenzial zur geothermischen Stromerzeugung liegt bei etwa 300.000 Terawattstunden, was etwa dem 600fachen des deutschen Jahresstrombedarfes entspricht“, schätzte das „Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag“ (TAB) in einer Studie im Jahr 2003 ein. Der neue Studiengang in Freiberg könnte insofern auf lange Sicht mit seinen Absolventen helfen, dieses Potenzial zu erschließen. Und womögliche finden diese Geothermie-Ingenieure in spe auch technologische Wege, die Geothermie-Kosten etwas zu senken. Die lagen laut der TAB-Studie vor 20 Jahren – je nach Standort – etwa zwei- bis dreimal so hoch wie bei Windkraftanlagen und sechs- bis achtmal so hoch wie bei einer Erdgas-Lösung. Diese Relationen haben sich wegen veränderter Preise zwar inzwischen verschoben, doch Erdwärmepumpen gehören immer noch zu den teuersten Energiegewinnungslösungen in der Anschaffung – wobei sich nach 20 Jahren Nutzung die Mehrausgaben selbst im Vergleich zu einer Gasheizung zu amortisieren beginnen.
Autor: Heiko Weckbrodt
Quellen: Bergakademie Freiberg, Bundesverband Geothermie, MPG, Sächs. LA für Geologie, TAB, Oekoloco
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