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Innere eines Zwergsterns auf der Erde gezündet – für Sekundenbruchteile

Mit Hilfe des stärksten Lasers der Welt haben Forscher das Innere von Zwergplaneten für Sekundenbruchteile auf Erden erzeugt. Visualisierung: Greg Stewart/SLAC National Accelerator Laboratory; Inset: Jan Vorberger, HZDR

Mit Hilfe des stärksten Lasers der Welt haben Forscher das Innere von Zwergplaneten für Sekundenbruchteile auf Erden erzeugt. Visualisierung: Greg Stewart/SLAC National Accelerator Laboratory; Inset: Jan Vorberger, HZDR

Physiker aus Dresden und Rostock hoffen auf Erkenntnisse für Fusionskraftwerke und auf der Suche nach Leben im All

Dresden/Rostock/Livermore, 25. Mai 2023. Physiker aus Dresden und Rostock haben mit dem US-amerikanischen Superlasern das Innere von Zwergsternen auf der Erde nachgestellt. Sie hoffen, so neue Ansätze für lasergestützte Fusions-Kraftwerke zu finden – und künftig besser vorhersagen zu können, wo im Weltall womöglich Außerirdische leben könnten und wo definitiv nicht. Das geht aus einer gemeinsamen Mitteilung des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR) und der Uni Rostock hervor.

Mit 184 Laserstrahlen auf Mini-Berylliumkugel geschossen

Für ihre Experimente borgten sich die Sachsen und Mecklenburger den weltweit stärksten Laser im kalifornischen Livermore aus: In der dortigen „National Ignition Facility“ (NIF) experimentieren die Amerikaner normalerweise an ihrem eigenen Weg hin zu einem Fusionskraftwerk, das nahezu unerschöpfliche Energiemengen auf Erden liefert. In diesem Fall aber beschossen die Deutschen eine zwei Millimeter kleine Hohlkugel aus Beryllium in einem Goldzylinder solange mit 184 Hochleistungs-Laserstrahlen, bis sich das Metall im Innern bis auf etwa zwei Millionen Grad Celsius erhitzte und bis zu drei Milliarden Atmosphären verdichtete. „In der Folge entstand im Labor für einige Sekundenbruchteile ein winziges Stück Materie, das sich sonst im Universum nur in Zwergsternen finden lässt“, berichten die HZDR-Wissenschaftler.

Dr. Dominik Kraus. Foto: A. Wirsig für das HZDR

Dr. Dominik Kraus. Foto: A. Wirsig für das HZDR

Turbulent wie in einem Kochtopf

Im Innern solcher Ministerne, aber auch von Riesenplaneten à la Jupiter drückt das Eigengewicht der Materie derart, dass die Atome kollabieren und ein zusammengepresstes Plasma aus Atomkernen und Elektronen entsteht. Darinnen herrscht eine Welt, die kein Mensch je gesehen hat oder überleben könnte. „Der Grad der Ionisation von Atomen im Inneren von Sternen ist entscheidend dafür, wie effektiv Energie vom Zentrum durch Strahlung nach außen transportiert werden kann. Ist dies zu stark eingeschränkt, wird es in den Himmelskörpern turbulent, ähnlich wie in einem Kochtopf“, erläutert Dominik Kraus, der zu Beginn des Projektes noch in Kalifornien tätig war und nun Physikprofessor an der Universität Rostock sowie HZDR-Gruppenleiter ist. „Ist es zu turbulent, könnte wahrscheinlich kein Leben, wie wir es kennen, in der nahen Umlaufbahn um kleine Sterne möglich sein.“ Und das heißt eben: Wenn die Forscher das Innere der Zwergsterne zu durchschauen lernen, können sie womöglich auch besser prognostizieren, auf welchen der bisher entdeckten Exo-Planeten im Universum womöglich Leben entstanden sein könnte.

Suche nach einer fast unerschöpflichen Energiequelle

Jenseits der Suche nach E.T. & Co. verspricht die Forschung an der Zwergplanet-Materie aber noch viel naheliegenderen Nutzen auf Erden: „Über die Astrophysik hinaus haben die Ergebnisse auch erhebliche Auswirkungen auf die Trägheitsfusionsexperimente an der NIF“, meint Tilo Döppner, Projektleiter am „Lawrence Livermore National Laboratory“. Denn womöglich liefern die Experimente auch den Amerikanern neue Ideen für die „Entwicklung einer nahezu unerschöpflichen, kohlenstofffreien Energiequelle durch lasergetriebene Kernfusion sind“. Eine Suche, die nun schon seit etwa sieben Jahrzehnten anhält, die allerdings an den Großforschungsanlagen wie dem Iter in Frankreich, dem Stellarator in Greifswald oder eben den Laser-Fusions-Anlagen in den USA in jüngster Zeit doch einige hoffnungsvolle Fortschritte gemacht hat.

So etwa stellen sich die Forscher den Diamantenregen auf Planeten wie Neptun und Uranus vor. Ausgemessen haben sie das mit neuartigen Röntgentechniken. Illustration: HZDR / Sahneweiß

So etwa stellen sich die Forscher den Diamantenregen auf Planeten wie Neptun und Uranus mit warmer, dichter Materie vor. Illustration: HZDR / Sahneweiß

Dichte, warme Materie ist schon seit geraumer Zeit ein Forschungsschwerpunkt im HZDR und in dessen Tochterinstitut Casus. Letzteres hat sich besonders auf die Simulation dieser besonderen Materiezustände von Zwergsternen und Riesenplaneten auf Supercomputern spezialisiert. Auch für die jüngsten Experimente waren umfangreiche vorbereitende Simulationen notwendig gewesen.

Quelle: HZDR

Wissenschaftliche Publikation:

T. Döppner, M. Bethkenhagen, D. Kraus, P. Neumayer, D. A. Chapman, B. Bachmann, R. A. Baggott, M. P. Böhme, L. Divol, R. W. Falcone, L. B. Fletcher, O. L. Landen, M. J. MacDonald, A. M. Saunders, M. Schörner, P. A. Sterne, J. Vorberger, B. B. L. Witte, A. Yi, R. Redmer, S. H. Glenzer, D. O. Gericke: „Observing the onset of pressure-driven K-shell delocalization“, in: „Nature“, 2023, DOI: 10.1038/s41586-023-05996-8

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt