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Studie: Für eigene Basis-KI fehlen Deutschland noch die Voraussetzungen

Künstliche Intelligenzen aus Europa sollen mit deutschen und anderen europäischen Sprachmodellen arbeiten. Visualisierung durch die KI Dall-E

Künstliche Intelligenzen aus Europa sollen mit deutschen und anderen europäischen Sprachmodellen arbeiten. Visualisierung durch die KI Dall-E

Geeignetes Rechenzentrum würde 350 Millionen Euro kosten

Berlin/Dresden, 24. Januar 2023. Deutschland fehlen „elementare Voraussetzungen“, um vollständig eigene Künstliche Intelligenzen (KI) zu entwickeln. Das geht aus einer neuen Machbarkeitsstudie „Große KI-Modelle für Deutschland“ hervor, die der KI-Bundesverband aus Berlin heute vorgestellt hat. Demnach verfügt die Bundesrepublik weder über genügend Trainings-Daten und KI-Personal noch über ausreichend starke Supercomputer, um den dominanten KIs aus den USA und China ein selbst entwickeltes und quelloffenes großes KI-Modell nach europäischen Ethik-Standards zu formen.

USA und China dominieren den KI-Markt

„Derzeit kommen etwa 75 % dieser Modelle aus den USA, weitere 15 Prozent aus China“, warnen die Studienautoren. Bereits jetzt seien monopolartige Cluster bei der Entwicklung von großen KI-Modellen – auch „Foundation Models genannt“ – erkennbar. „Für Deutschland und Europa eröffnen sich hier gefährliche Abhängigkeiten von ausländischen Technologien, die zunehmend die digitale Souveränität im Bereich KI und nachgelagerte Anwendungen akut bedrohen.“ Und: „Deutsche Unternehmen befürchten erhebliche Wettbewerbsnachteile, da sie nicht vollständig auf die Modelle zugreifen können“.

KI-Verband fordert Leuchtturmprojekt

Der Verband fordert nun ein staatlich unterstütztes „Leuchtturm-Projekt“, um dies zu ändern. „Mit gemeinsamen Investitionen von Politik, Wissenschaft und Wirtschaft kann mittelfristig aber eine leistungsstarke Infrastruktur zur Mitentwicklung und Mitgestaltung der nächsten Generationen großer KI-Modellen aufgebaut werden“, heißt es in einer Zusammenfassung der Studie.

Was fehlt: KI-Superrechenzentrum, Sprachmodelle und eigene Applikationen

Besonders wichtig sei es, geeignete Supercomputer für die KI-Ausbildung zu installieren, deutsche Sprachmodelle für diese eigenen Künstlichen Intelligenzen aufzubauen und praktische KI-Anwendungen für die Wirtschaft abzuleiten. Erste Lösungsansätze gibt es. So bemüht sich die vom KI-Verband gegründete Initiative „Large European AI Models“ (Leam) im den gewünschten Supercomputer. Im Fokus steht hier ein besonders leistungsfähiges Rechenzentrum mit mindestens 4500 Grafikkarten-Prozessoren (GPUs), das auf KI-Entwicklung, -Training und -Anwendung spezialisiert ist. Ein Standort steht noch nicht fest. Bisher gibt es aber bereits drei etablierte Supercomputer-Zentren der Spitzenklasse in Deutschland: Jülich, München und Stuttgart. Daneben gibt es zwölf regionale Supercomputer-Standorte, darunter Aachen, Berlin, Dresden und Karlsruhe. Sie alle haben aber derzeit nicht genug Rechenkraft, um ein eigene großes deutsches KI-Modell zu entwickeln. „Der Aufbau eines geeigneten Kl-Rechenzentrums in Deutschland ist hard- und softwaretechnisch machbar und wird rund 350 – 400 Millionen Euro kosten“, schätzen die Studienautoren.

Dr. Nicolas Flores-Herr leitet die Dresdner Außenstelle des Fraunhofer-Instituts für Intelligente Analyse- und Informationssysteme (IAIS). Foto: Heiko Weckbrodt

Dr. Nicolas Flores-Herr leitet die Dresdner Außenstelle des Fraunhofer-Instituts für Intelligente Analyse- und Informationssysteme (IAIS). Foto: Heiko Weckbrodt

Dresden koordiniert Entwicklung eines deutschen Sprachmodells

Derweil arbeitet ein „Open GPT-X“-Konsortium unter der Federführung von Fraunhofer-Experten in Dresden an einem deutschen KI-Sprachmodell. Das Team um Dr. Nicolas Flores-Herr vom „Fraunhofer-Institut für Intelligente Analyse- und Informationssysteme“ (IAIS) will bis Ende 2024 solch ein Modell vorlegen, das sich später auch auf andere europäische Sprachen übertragen lässt.

Foundation-Modelle für Europäer oft so undurchschaubar wie eine „Black Box“

An Anwendungen für bereits am Markt verfügbare KI-Modelle arbeiten bereits viele Unternehmen und Institute in Deutschland. Allerdings sind diese meist aus den USA stammenden Modelle für die deutschen Anwender wie eine Schwarze Box, deren Funktionsweise und Zuverlässigkeit sie kaum einschätzen können. Zu den führenden KI-Akteuren weltweit gehören beispielsweise Google, Amazon, OpenAI und Alibaba.

Alibaba-Campus in Hangzhou. Foto: Alibaba

Alibaba-Campus in Hangzhou. Foto: Alibaba

Angesichts dieser starken Abhängigkeit von außereuropäischen Konzernen gibt es bereits seit Jahren Forderungen in Europa und speziell auch im Industrieland Deutschland, einen quelloffenen Zugriff auf eigene und datenschutzkonfome Basis-KIs zu bekommen. In den Fokus gerückt sind dabei vor allem eigene KI-Foundation-Modelle. Das sind laut KI-Bundesverband „große neuronale KI-Modelle, die auf gigantischen Mengen generischer Daten vortrainiert wurden. Das Besondere an diesen Modellen ist, dass sich das im sogenannten Vortraining (pre-training) erworbene implizite Wissen als Grundlage für viele verschiedene Anwendungen eignet.“ Sprich: Sie sind so universell gestrickt, dass sie nur noch ein wenig „angelernt“ werden müssen, um sich vom Dialogsystem in eine Bildgenese-KI, in eine fabriksteuernde Intelligenz oder für andere Fachrichtungen umzuqualifizieren.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: KI-Bundesverband, Oiger-Archiv

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt