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Sachsen: Wasserstoff wird entscheidender Standortfaktor

225 Kilowatt leistet dieser Wasserstoff-Erzeuger und ist damit laut Sunfire der weltweite größte Hochtemperatur-Elektrolyseur. Er soll künftig als Teil einer größeren Anlage Wasserstoff für Nestes Raffinerie in Rotterdam liefern. Foto: Sunfire

225 Kilowatt leistet dieser Wasserstoff-Erzeuger und ist damit laut Sunfire der weltweite größte Hochtemperatur-Elektrolyseur. Er soll als Teil einer größeren Anlage Wasserstoff für Nestes Raffinerie in Rotterdam liefern. Foto: Sunfire

Landesregierung will auch eigene H2-Produktion im Freistaat ankurbeln

Dresden, 14. April 2022. Sachsen braucht mehr Ökostrom-Anlagen und muss damit weit mehr Wasserstoff (H2) mithilfe von Ökostrom erzeugen als bisher, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Davon ist der sächsische Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) überzeugt. „Wasserstoff gilt als Energieträger der Zukunft und Schlüsseltechnologie, mit der die sächsische Wirtschaft zukunftsfähig und erfolgreich bleibt“, betont er.

„Grüner Wasserstoff löst den gordischen Knoten der Energiewende und sichert langfristig viele Arbeitsplätze.“
Martin Dulig (Wirtschaftsminister in Sachsen, SPD)

Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) Foto: Heiko Weckbrodt

Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) Foto: Heiko Weckbrodt

Denn regional verfügbare umweltfreundliche Energiequellen geraten immer mehr zu einem wichtigen Faktor bei Unternehmens-Ansiedlungen, argumentiert der Minister. Auch könne sich der Freistaat so unabhängiger von Gasimporten machen, Zudem werde Wasserstoff sowohl als Energieträger wie auch für die stoffliche Verwertung benötigt: „Das Industrieland Sachsen benötigt auf Basis erneuerbarer Energien hergestellten grünen Wasserstoff, um die Stahl- oder Chemieindustrie klimaneutral umzubauen.“

Xenon und Sunfire Dresden wollen gemeinsam die Produktion von Elektrolyseuren und insbesondere deren Reaktorstapeln (Stacks) automatisieren. Foto: Xenon

Xenon und Sunfire Dresden wollen gemeinsam die Produktion von Elektrolyseuren und insbesondere deren Reaktorstapeln (Stacks) automatisieren. Foto: Xenon

Sachsen will komplette eigene Wertschöpfungsketten aufbauen

Ziel der Wasserstoffstrategie im Freistaat ist es unter anderem, „möglichst geschlossene, sächsische Wertschöpfungsketten aufzubauen“. Dazu gehören der Ausbau von Wind- und Solaranlagen, um sogenannten „grünen Wasserstoff“ mit großen Elektrolyseuren der Megawattklasse aus Wasser zu gewinnen. Bei der Produktion dieser Wasserspalter will Sachsen ebenso eine führende Rolle erringen: Unternehmen wie Sunfire, Xenon und Linde, aber auch Fraunhofer projektieren und bauen bereits fortschrittliche Elektrolyseure beziehungsweise entwickeln dafür hochautomatisierte Montagetechnik. Und an deren Gegenstück, den Brennstoffzellen, arbeiten ebenfalls schon viele Firmen, Institute und Verbünde. Hier stehen einerseits stationäre Anlagen im Fokus, die Wasserstoff zu Wasser verbrennen und dabei Strom und Wärme erzeugen, aber auch mobile Wasserstoff-Antriebe für Laster, Busse und Autos. Als ein Zentrum der Wasserstoff-Technologien profiliert sich vor allem Chemnitz mit seiner TU, dem Fraunhofer-Institut IWU, dem Wasserstoffzentrum HIC und weiteren Akteuren.

Kehrmaschinen mit Brennstoffzellen und H2 für Schmieden

Zahlreiche Unternehmen bereiten zudem bereits den breiteren Praxis-Einsatz von Wasserstoff vor, um damit Erdgas, Diesel und andere fossile Energieträger beziehungsweise deren Derivate und Chemikalien abzulösen. Deshalb hat Minister Dulig heute einen Wasserstofftag ausgerufen und besucht aus diesem Anlass einige dieser Betriebe. Dazu gehört beispielsweise die „Faun Viatec GmbH“ in Grimma. Die arbeitet an Kehrmaschinen, die mit Wasserstoff betankt und mit Brennstoffzellen angetrieben werden. Stahlunternehmen wie die Schmiedewerke Gröditz sowie die Großenhainer Gesenk- und Freiformschmiede wiederum wollen ihren „CO2-Fußabdruck auf quasi Null reduzieren“, so Dulig. Zur Debatte steht in nämlich in der Stahlindustrie, die Öfen nicht mehr mit Kohle oder Erdgas zu beheizen, zugleich auch den Wasserstoff als Reduktionsmittel einzusetzen, das kein Kohlendioxid freisetzt. Weitere Stationen der Ministerreise sind die Wacker Chemie AG in Nünchritz, die unter anderem wichtige Chemikalien für die Mikroelektronik- und Solarindustrie erzeugt, sowie eine Gasdruckregelanlage der „Sachsennetze“ in Dresden.

Hzwo prognostiziert für 2030 rund 4.800 Jobs in Sachsens H2-Wirtschaft

Ein Teil der wachsenden Wassersstoffwirtschaft in Sachsen und Mitteldeutschland hat sich in Verbänden wie Hzwo, Hypos und Energy Saxony organisiert, die derzeit starken Zulauf bekommen. Denn einerseits ist der politische Druck groß, von fossilen Energieträgern im Automobilbau, in der Energieerzeugung, Chemie- und Stahlindustrie wegzukommen. Und anderseits winken auch große Marktpotenziale – nicht nur in Sachsen, sondern weltweit. Laut einer Untersuchung des „Hzwo“-Verbundes kann die Wasserstoffwirtschaft im Freistaat im Jahr 2030 bis zu 4.800 Arbeitsplätze umfassen und rund 1,7 Milliarden Euro Umsatz erwirtschaften.

9 % Marktwachstum pro Jahr weltweit

Im globalen Maßstab sind noch weit größere Volumina zu erwarten. So gehen beispielsweise die Analysten von „Markets and Markets“ davon aus, dass das Marktvolumen der weltweiten Wasserwirtschaft von rund 130 Milliarden Dollar (119 Milliarden Euro) im Jahr 2020 auf zirka 201 Milliarden Dollar (184 Milliarden Euro) im Jahr 2025 zulegen wird. Perspektivisch sei von jährlichen Zuwachsraten um die neun Prozent auszugehen.

Erdgas-Wasserstoff gibt’s ab 1 $ pro Kilo, „grüner“ kostet bis zu 8 $/kg

Allerdings sind noch erhebliche technologische und betriebswirtschaftliche Herausforderungen, bis umweltneutraler Wasserstoff ohne Subventionen wettbewerbsfähig wird: Laut der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft „PwC“ gilt nahezu aller bisher weltweit erzeugter Wasserstoff als „grau“. Das heißt, er wird aus Erdgas gewonnen, zum Beispiel durch Dampfreformierung. Dieser Prozess ist auf fossile Kohlenwasserstoffe angewiesen und dabei entstehen Kohlenoxide. Der so erzeugte Wasserstoff kostet laut PwC nur ein bis zwei Dollar pro Kilogramm. Sogenannter „grüner“ Wasserstoff kostet im besten Falle drei Dollar pro Kilo, in Europa sind es sogar eher acht Dollar pro Kilo.

Lohnt sich eigene H2-Erzeugung in einem Hochpreisstrom-Land?

Zwar lassen sich durch effizientere Elektrolyseure mit höherem Wirkungsgrad die Preise drücken. Aber ein wichtiger Kostentreiber bei der Elektrolyse ist der Strompreis. Der ist in europäischen Ländern mit viel Wasserkraftwerken wie Norwegen zwar noch moderat, aber in Deutschland durch Steuern, Netzentgelte, Umlagen und Verzicht auf Atomstrom recht hoch. Auch nach der Umwandlung der EEG-Umlage in eine steuerfinanzierte Subvention ist kaum mit einer starken Preissenkung zu rechnen. Daher sind die sächsischen Ziele, auch selbst in Größenordnungen Wasserstoff zu erzeugen, zumindest ambitioniert.

Sachsen wird auf H2-Importe wohl langfristig angewiesen bleiben

Allerdings ist der Landesregierung durchaus klar, dass sie um Importe von Ökostrom und Wasserstoff langfristig kaum herumkommt. Mit Blick darauf hatte Minister Dulig erst kürzlich Flandern besucht, wo große Umschlagkapazitäten für Wasserstoff an den niederländischen Häfen entstehen. Allerdings sind auch für großformatige Wasserstoff-Importe noch technologische und praktische Probleme zu lösen: In welchem Maße Wasserstoff in Gasform durch existierende Erdgas-Pipelines geschleust werden kann, welche Verdichtungskapazitäten gebraucht werden oder ob aus Resilienz-Gründen womöglich der Transport in flüssiger Form per Tanklaster, Eisenbahn oder Schiff vorzuziehen ist.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: SMWA, Oiger-Archiv, Markets & Markets, PwC, bundesregierung.de, Wikipedia, Faun

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt