Ärzte gegen Tierversuche nominieren Dresdner Uni für Negativpreis „Herz aus Stein“
Dresden, 21. September 2020. Weil Neurochirurgen der TU Dresden einem Axolotl-Lurch für Experimente den Ischiasnerv durchtrennt haben sollen, haben die „Ärzte gegen Tierversuche“ die Dresdner Uni scharf kritisiert und für den Negativpreis „Herz aus Stein“ nominiert. Das teilte der Verein nun mit. Es habe sich dabei um einen unnötigen und grausamen Tierversuch gehandelt.
TU weist Vorwurf zurück: Versuch war notwendig
Die TU Dresden hat diesen Vorwurf allerdings auf Oiger-Anfrage zurückgewiesen: Die Versuche seien einerseits mit der Uni-Tierschutzbeauftragten abgestimmt gewesen und anderseits auch notwendig gewesen, um ein neuartiges Bildgebungsverfahren zu testen. „Am Ende der wissenschaftlichen Arbeit sollen Behandlungsansätze stehen, von den Tausende Patienten profitieren können, die unter Nervenschädigungen nach Unfalltraumata oder degenerativen Erkrankungen leiden“, teilte Uni-Sprecher Konrad Kästner mit.
„Herzlose Forschung“ angeprangert
„Das ‚Herz aus Stein‘ steht für eine herzlose Forschung, bei der fühlende Tiere zu bloßen Messinstrumenten degradiert werden“, betonte derweil Vereins-Sprecherin Dr. med. vet. Gaby Neumann. „Mit der Abstimmung wollen wir exemplarisch einige besonders absurde und grausame Tierversuche ans Licht der Öffentlichkeit bringen.“
Verein: Axolotl-Versuche sind ohnehin sinnlos
Beim fraglichen Versuch hätten die Ärzte den Ischiasnerv des mexikanischen Lurchs durchtrennt, um die Nervenheilungs-Fähigkeiten des Axolotl zu studieren. „Diese Versuche sind völlig absurd“, schätzte Tierärztin Neumann ein. „Denn der Mensch hat diese Fähigkeit nicht. Und deshalb haben die Ergebnisse der Studie keine Relevanz für den Menschen, weshalb die TU Dresden das ‚Herz aus Stein‘ verdient.“
Ethikkommission gab grünes Licht
Das jedoch bestreiten die TU-Wissenschaftler: „Alle Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sehen sich der ,3R-Regel‘ verpflichtet. Diese fordert, so wenig Tierversuche wie möglich durchzuführen (Reduce), durch Weiterentwicklung der Methoden der Belastung der Tiere zu verringern (Refine) und – wo immer möglich – Tierversuche durch Alternativen zu ersetzen (Replace)“, argumentierte die Uni. Alle Versuche würden vorab durch eine interne Ethikkommission sowie durch Gutachter der Landesdirektion Sachsen geprüft und nur genehmigt, wenn sie wirklich notwendig und alternativlos für die Beantwortung der wissenschaftlichen Fragestellung seien.
Versuch sollte neues Bildgebungsverfahren für Neurochirurgie testen
„In dem von ,Ärzte gegen Tierversuche‘ monierten Fall geht es um den Einsatz eines neuartigen Bildgebungsverfahrens, das am Tiermodell, dem Axolotl, getestet und später auch am Menschen eingesetzt werden soll“, zitierte Uni-Sprecher Kästner aus einer gemeinsamen Antwort der beteiligten Forscher und der Uni-Leitung. „Mit einer speziellen Mikroskopier-Technik als schädigungsfreie, rein optische Untersuchungsmethode wurden regenerative Prozesse im Nervengewebe des mexikanischen Schwanzlurchs analysiert. Der Axolotl kann verschiedene Gewebearten, unter anderem Nervenstränge, neu ausbilden. Welche biochemischen Prozesse dabei ablaufen, stand im Mittelpunkt der Forschung, die an der Klinik und Poliklinik für Neurochirurgie des Dresdener Universitätsklinikums angesiedelt war. Die Tierschutzbeauftragte Dr. Kerstin Brüchner kommt in ihrer Stellungnahme zu der Einschätzung, dass es zum jetzigen Zeitpunkt kein in vitro-Modell gibt, das die komplexen Wechselwirkungen zur Regeneration des Nervengewebes ausreichend darstellen kann.
Weitere Anwärter auf der Liste
Neben der TU Dresden gibt es weiterer Anwärter auf den Negativpreis. Dazu gehört die Uni Halle/Saale, wo Ratten mit Tumoren, die die Haut zersetzen, fast erstickt werden, berichtet der Verein. Und an der Uni Essen werde an Mäusen erprobt, wie fleischarme Ernährung vor Hirnschäden durch Schlaganfall schützen könne. „In Homburg/Saar wird Mäusen die Haut extremst gespannt und eine Rückenhautkammer implantiert, ein Metallkonstrukt mit einem eingeschnittenen Bullauge, durch das man Blutgefäße in der lebenden Maus wachsen sehen kann“, zählen die „Ärzte gegen Tierversuche“ weitere Kandidaten auf. „Und Mäuse in Tübingen werden acht Wochen lang ohne Pause sieben verschiedenen Arten von Stress ausgesetzt.“
Wer den Negativpreis „Herz aus Stein“ bekommt, darüber entscheidet eine Abstimmung im Internet. Zu finden ist sie hier: herz-aus-stein.info .
Autor: Heiko Weckbrodt
Quellen: Ärzte gegen Tierversuche, TUD, Oiger-Archiv
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