Internet & IoT, News, zAufi

5G noch zu lahm und nicht sicher genug

Prof. Gerhard Fettweis tüftelt in der Informatik-Fakultät der TU Dresden an der Nanoelektronik von übermorgen - nachdem er sich zuvor als LTE-Koryphäe ausgetobt hatte. Abb.: hw

Prof. Gerhard Fettweis. Abb.: hw

Während weltweit gerade erst die 5G-Mobilfunknetze hochfahren, denken Dresdner Mobilfunk-Experten schon an 6G

Dresden, 3. Mai 2019. Ist der Mobilfunk der 5. Generation (5G) vielleicht doch nicht der ganz große Wurf, auf den Wirtschaft und Unterhaltungsindustrie gewartet haben? Zumindest wird er nicht alle Erwartungen erfüllen, mit denen die Ingenieure und Forscher vor Jahren in die 5G-Entwicklung gestartet waren. Das hat der Mobilfunk-Guru Prof. Gerhard Fettweis vom „5G Lab Germany“ der TU Dresden während der Technologiemesse „Connect ec“ eingeschätzt.

Riesenschritt für die Robotik – und doch noch zu langsam

So sei der neue Mobilfunk nicht schnell genug und nicht sicher genug standardisiert worden, um alle Anforderungen zu erfüllen. „5G ist zweifellos ein Riesenschritt nach vorn – für die Robotik, für das autonome Fahren und andere Szenarien“, betonte Prof. Fettweis. „Aber jeder Kritikpunkt grenzt eben auch den Kreis möglicher Anwendungen ein.“

Mit Datenbrillen können Besucher der "Boden"-Ausstellung in einer VR-Höhle mit winzigen Erdbewohnern durch unterirdische Gänge krabbeln. Montage: Uwe Vaartjes

Mit Datenbrillen können Besucher der „Boden“-Ausstellung im Japanischen Palais in Dresden in einer VR-Höhle mit winzigen Erdbewohnern durch unterirdische Gänge krabbeln. Von einer wirklich echt wirkenden virtiellen Welt, durch die man ruckelfrei rennen kann, sind solche VR-Anwendungen aber noch weit entfernt. Montage: Uwe Vaartjes für Senckenberg

Von wirklich überzeugenden virtuellen Welten noch weit entfernt

Für Außenstehende am leichtesten nachzuvollziehen ist der Kritikpunkt „Geschwindigkeit“: „Statt bei zehn bis 100 Gigabit Datenübertragungsrate je Sekunde sind wir bei einem Gigabit angelangt“, sagte Fettweis. Damit sei es kaum möglich, per 5G virtuelle Welten (VR) und erweiterte Realitäten (AR) auf Datenbrillen wirklich überzeugend, hochauflösend und ruckelfrei darzustellen. „Damit fallen viele interessante Spielemöglichkeiten weg – und gerade Spielen ist sehr wichtig, um eine neue Technologie zu verinnerlichen“, schätzt der Professor ein.

Bosch entwickelt "Industrie 4.0"-Lösungen - und will deren Konzepte auch in der eigenen Chipfabrik in Dresden einsetzen. Foto: Bosch

Bosch beispielsweise will in seiner neuen Chipfabrik in Dresden „Industrie 4.0“-Lösungen einsetzen und den Anlagenpark dafür mit schnellem 5G-Mobilfunk vernetzen. Foto: Bosch

 

Reaktionszeit verharren bei 5 Millisekunden

Auch die Reaktionszeiten liegen (noch) unter den Erwartungen: Statt auf eine menschliche Eingabe binnen einer Millisekunde eine Antwort zum Beispiel vom Auto, Roboter oder einer Datenbrille zu liefern, reagieren 5G-Verbindungen nach derzeitigem Standardisierungs-Stand mit einer Verzögerung („Latenz“) von fünf Millisekunden. „Für verschiedene Industrieanwendungen müssten wir sogar runter auf 125 Mikrosekunden kommen.“

Ausreichende Sicherheitsarchitektur fehlt

Zudem macht sich der Experte, der selbst zu den Vordenkern von 5G gehört hatte, Sorgen über die Widerstandsfähigkeit („Resilienz“) und Sicherheitsvorkehrungen der neuen Netze gegen gezielte Spionageangriffe oder schlichte Ausfälle: Weder hätten die Standardisierer eine richtige Sicherheitsarchitektur integriert noch eine Eigenüberwachung („Monitoring“) der Systeme.

Cfaed-Doktorand Mattis Hasler zeigt einen der Tomahawk-Prozessoren, die das Elektronikzentrum bereits entworfen hat, um schneller Mobilfunktechnik zu erproben. Der Prozessor beschleunigt insbesondere Datenbank-Operationen, wie sie beispielsweise beim Edge-Cloud-Computing gebraucht werden, also bei der dezentralen Verarbeitung großer Datenmengen durch kleine Supercomputer am Straßenrand. Foto: Heiko Weckbrodt

Cfaed-Doktorand Mattis Hasler zeigt einen Tomahawk-Prozessor, die das Elektronikzentrum entworfen hat. Der Prozessor beschleunigt insbesondere Datenbank-Operationen, wie sie beispielsweise beim Edge-Cloud-Computing gebraucht werden, also bei der dezentralen Verarbeitung großer Datenmengen durch kleine Supercomputer am Straßenrand. Foto: Heiko Weckbrodt

Datenlecks zwischen Cloud und Edge Clouds nicht ausgeschlossen

Beispiel „Autonomes Fahren“: Damit Autos ohne Zutun eines Menschen unfallfrei durch das Verkehrsgewühl der Städte steuern und auf Hinternisse in Sekundenbruchteilen reagieren können, brauchen sie viel Rechenkraft, um alle Sensordaten ringsum in Echtzeit auszuwerten. Würde man diese Analyseaufgabe per 5G-Funk und per Glasfaser an die Rechnerwolken („Clouds“) von Google, Apple & Co. in den USA delegieren, würden allein schon durch die Endlichkeit der Lichtgeschwindigkeit mehrere Sekunden vergehen, bis der richtige Steuerbefehl aus Amerika wieder hier angelangt wäre – viel zu lange, um einen Unfall zu vermeiden. Deshalb setzen die Ingenieure auf „Wolken“ aus kleinen und sehr schnell reagierenden Mini-Supercomputern am Straßenrand, in Funkstationen und in den Autos selbst, um diese Aufgabe zu lösen. Diese sogenannten „Edge Cloud“ brauchen dafür genaue Kenntnisse darüber, wohin das Auto fährt, wieviel Passagiere an Bord sind und dergleichen mehr. Und hier setzt die Kritik des TU-Professors an: Bis jetzt sei die Kommunikation zwischen Auto, 5G-Netz, Edge Cloud und Cloud nicht ausreichend sicher standardisiert, um Datenabflüsse zwischen den Mini-Supercomputern vor Ort zu den allgemeinen Clouds zu verhindern.

Von 300 auf 4000 TWh: Rasant steigender Stromverbrauch prognostiziert

„Außerdem bekommen wir ein Problem mit dem Energieverbrauch“, prophezeite Fettweis. Allein durch die massive Verbreitung von Edge Clouds im Zuge von 5G werde der weltweite Stromverbrauch in diesem Sektor von 300 auf rund 4000 Terawattstunden bis zum Jahr 2030 ansteigen. „Das heißt: Wir brauchen deutlich energieeffizientere Geräte.“

Upgrade oder lieber gleich 6G?

Womöglich werde es aber in den kommenden Jahren gelingen, diese und weitere Kritikpunkte 5G-Funk noch auszuräumen, hofft der Dresdner Experte. „Ob es dafür reicht, 5G nachzubessern oder wir dafür ein 6G brauchen, wird sich zeigen.“

Autor: Heiko Weckbrodt

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt