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Elektronisches Stadtarchiv startet in Dresden

Dresden will sich als Standort für Künstliche Intelligenz (KI) profilieren. Da darf ein elektronisches Stadtarchiv nicht fehlen. Fotos und Montage: Heiko Weckbrodt

Dresden will sich als Standort für Künstliche Intelligenz (KI) profilieren. Da darf ein elektronisches Stadtarchiv nicht fehlen. Fotos und Montage: Heiko Weckbrodt

Gegen das digitale Vergessen: Alles ausdrucken war gestern

Dresden, 16. April 2019. Auf dem Weg zu einer rein digitalen Verwaltung ohne Papierwirtschaft unternimmt die Stadt in wenigen Wochen einen wichtigen Schritt: Nach etwa zehnjähriger Vorbereitung schalten die kommunalen Archivare und Informationstechnologen am 24. Mai das elektronische Stadtarchiv in Dresden offiziell frei. Das hat Stadtarchiv-Direktor Thomas Kübler angekündigt. Diese Lösung komme nicht zuletzt den Archivnutzern zugute, die dadurch in Zukunft mehr Unterlagen im Volltext am Computer durchsuchen können.

Dresden Vorreiter in Ostdeutschland

„Wir sind damit das erste Archiv in Ostdeutschland mit einer vollelektronischen Archivierung der Verwaltungsunterlagen“, betonte Kübler. Auch deutschlandweit gebe es dafür kaum Vorbilder: Nach Mannheim und München sei Dresden gemeinsam mit Köln die dritte Großstadt in der Bundesrepublik, die eine derartige Lösung zum Laufen gebracht habe.

Thomas Kübler. Foto: hw

Thomas Kübler. Foto: hw

Beginn der Digitalära soll nicht als „dunkle Zeit“ in die Geschichte eingehen

Mit diesem digitalen Informationshort will der Direktor letztlich die Gefahr bannen, dass unsere Zeit für unsere Urenkel in ferner Zukunft als dunkle Ära im geschichtlichen Nebel verschwindet. Denn immer mehr Behördengliederungen und andere Institutionen stellen derzeit ihre Arbeit auf digitale Abläufe um. Dabei haben die Behörden das Ideal einer papierlosen und vernetzten Verwaltung vor Augen, die Geld spart, natürliche Ressourcen schont, Entscheidungen beschleunigt und nicht zuletzt den Bürgern unkomplizierte Behördengänge per Internet ermöglichen. „Etwa die Hälfte der städtischen Ämter produziert mittlerweile elektronische Unterlagen“, schätzt Thomas Kübler. Das können per Software erstellte Entscheidungen über Bürgeranträge sein, Karten oder Fotos, auch Audiomitschnitte von Sitzungen, oder auch nur SMS-Nachrichten, mit denen ein Amtsleiter wichtige Anweisungen gibt.

Eine ganz schnelle: Die 520er Chipfestplatte. Abb.: Intel

Wie lange erinnert sich eine Chipfestplatte (SSD) an ihre Daten? Abb.: Intel

Papier und Pergament immer noch beständiger als CDs und Festplatten

All diese unterschiedlichen Dateien irgendwie auszudrucken, würde kaum funktionieren, zudem wären sehr viele Archivare nur noch damit beschäftigt. Auf der anderen Seite sind Festplatten, CDs und andere Datenträger nun einmal vergänglicher als Papier oder Pergament, mit denen vergangene Generationen ihre Taten für die Archive verewigt hatten. Daher hatten die Stadtarchivare auf eine Lösung gedrungen, um nicht mehr nur Papierakten dauerhaft aufzubewahren, sondern auch digitale Zeitzeugnisse.

Dateien sollen auch in 100 Jahren noch lesbar sein

Und dies hat nun das Berliner Software-Unternehmen SER in Kooperation mit dem Stadtarchiv und dem IT-Eigenbetrieb Dresden vollbracht. Dafür haben die Projektpartner unter anderem Schnittstellen mit den ganz unterschiedlichen Programmen entwickelt, die die verschiedenen Ämter in Dresden benutzen. Auch mussten sie sich auf Datei-Formate einigen, die auch noch in 50 oder 100 Jahren lesbar sind, wenn PCs im heutigen Sinne nur noch in Museen zu finden sind. Für Textdokumente wie etwa Akten haben sich die Archivare und IT-Leute auf das international unterstützte Format PDF/A („A“ für „Archiv“) geeinigt. „Für die Archivierung von Audiodaten kommen aktuell die Formate WAVE und RF64 zum Einsatz“, erläuterte auf Anfrage Michael Breidung, der Chef des informationstechnologischen (IT) Eigenbetriebs der Stadt. Aber auch Videos produziert die Verwaltung gelegentlich – sie sollen im MPEG-4-Format archiviert werden.

Auch nachträglich Digitalisiertes kommt ins E-Stadtarchiv

Neben der aktuellen digitalen „Aktenproduktion“ speisen die Spezialisten in das neue elektronische Stadtarchiv auch Altdaten-Bestände ein: Beispielsweise Erinnerungen, die einst auf Disketten dem Archiv übergeben worden sind, nachträglich digitalisierte Tonbänder von den Stadtratssitzungen der Nachwende-Zeit und dergleichen mehr.

IT-Eigenbetriebs-Chef Michael Breidung inspiziert das Rechenzentrum unterm Rathaus-Dach. Foto: hw/mb

IT-Eigenbetriebs-Chef Michael Breidung im Rechenzentrum unterm Rathaus-Dach. Foto: hw/mb

1,5 Terabyte pro Jahr eingeplant

Um all das abzuspeichern, hat Breidung zunächst 4,5 Terabyte Datenplatz reserviert – für die Startphase des elektronischen Stadtarchivs bis Ende 2020. Zum Vergleich: das entspricht etwa dem Fassungsvermögen einer größeren PC-Festplatte. Ab 2021 bekommen die Archivare dann pro Jahr weitere 1,5 Terabyte Speicherplatz zugeteilt.

Spiegelschutz gegen Daten-Gau

Um einem digitalen Super-Gau vorzubeugen, lässt Breidung die Archivdaten im Übrigen spiegeln: Neben dem Speicherplatz im Rathaus-Rechenzentrum erzeugen die Computer exakte Kopien des gesamten elektronischen Stadtarchivs in einem weiteren, geheimen Datenspeicher im Stadtgebiet. Denn in Dresden soll sich so etwas wie der Stadtarchiv-Einsturz in Köln oder der Bibliotheksbrand in Weimar nicht auf der digitalen Ebene wiederholen – dass etwa ein starker elektromagnetischer Impuls oder ein Bedienfehler das gesamte digitale Gedächtnis der Stadt löscht. „Allein die Vorstellung bereitet mir manchmal schlaflose Nächte“, verrät Archivdirektor Kübler.

Stadtarchiv Dresden ist zweitgrößtes Kommunalarchiv in Deutschland

Das Stadtarchiv Dresden gilt als das zweitgrößte Kommunalarchiv in Deutschland. Verwahrt sind in den Gebäuden an der Elisabeth-Boer-Straße rund 42 Kilometer Akten und anderes Sammlungsgut. Dazu gehören etwa 4200 Urkunden, 123.000 Karten, Pläne und Risse sowie 517.000 Fotos.

Autor: Heiko Weckbrodt

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt