Wim Wenders hat seinen Klassiker über die Engelsbesuche in der geteilten Stadt digital restauriert
Die Wim-Wender-Stiftung hat den Klassiker „Der Himmel über Berlin“ rekonstruiert und in einer hochaufgelösten Digitalversion ins Heimkino gebraucht. Der damals noch recht junge Regisseur Wim Wenders hatte in diesem cineastischen Panoptikum 1987 zwei – zunächst unsichtbare – Engel nach Berlin geschickt und sie das ganz eigene Lebensgefühl der geteilten Stadt einatmen lassen.
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Die Story
Dabei schweben Damiel (phänomenal: Bruno Ganz, „Der Untergang“) und Cassiel (Otto Sander, „Das Boot“) keineswegs in heroischer Rüstung durch die Stadt aus Beton und Sehnsüchten, sondern kleiden sich in coolen Boheme-Chic und mischen sich unters Volk: Sie lauschen den Gedanken der Sterblichen in U-Bahnen und in der Staatsbibliothek, beobachten die unglückliche Zirkusartistin Marion (Solveig Dommartin) und den US-Mimen Peter Falk (Peter Falk). Damiel ist schließlich so fasziniert von dieser vergänglichen, aber plastischen, farbigen Welt voller Gerüche, Sehnen, Geschmäcker, Liebe und Unglück, dass er ein Downgrade wählt: Aus dem ewigen Engel wird ein sterblicher Mensch…
Die Faszination
Gewiss: Man muss sich einlassen auf diese langsame, etwas abgehobene Erzählweise, in der Engel auch mal Peter-Handke-Monologe rezitieren, auf die kopforientierte Machart. Aber wem das gelingt, wird belohnt: Wim Wenders ist mit diesem himmlischen Melodram – neben vielleicht noch „Christiane F.“ – einer der beeindruckendsten Filme über das Lebensgefühl in Westberlin gelungen. Gerade die Vielfalt macht die gelungene Rezeptur: die Gedankenflut der Menschen, die Betonbunker, der Todesstreifen, die schaurig-schöne Nick-Cave-Musik, die allgegenwärtige Mauer – all das, was eben zum Mikrokosmos Westberlin gehörte. Dazu kommen die formalen Raffinessen: die expressionistischen Elemente, die Improvisationen, die Trennung in die graustufige Welt der Engel und die bunte der Menschen…
Die Restaurierung
Die analoge Filmtechnik der 1980er Jahre forderte freilich ihren Preis: Um die schwarzweiß gedrehten Engelsszenen und die „bunte“ Perspektive der Sterblichen auf eine Rolle zu bringen, waren sechs Kopiervorgänge notwendig. Und bei jeder Übertragung gingen etwas Schärfe, Bildinhalte, Nuancen verloren, vor allem in den Engels-Szenen. Die wirkten in der zuletzt nur noch im Fernsehen gezeigten Version wie Schwarz-Weiß-Radierungen statt all die feinnuancierten Graustufen wiederzugeben, die der schwarzweiß-erfahrene Kameramann Henri Alekan seinerzeit hineingezaubert hatte. Der soll, so erzählt Wenders in der Bonussektion der nun erschienenen Bluray, todunglücklich gewesen sein, was das Kopierwerk aus seinen Aufnahmen gemacht hatte. Die Wenders-Stiftung hat daher den „Himmel über Berlin“ nun aufwendig restauriert, in 4K-Abtastung digitalisiert und dank der aufgehobenen originalen Tonbänder auch einen authentischen 5.1-Sound dazugezaubert.
Fazit: Muss der Cinesast gesehen haben
Das Ergebnis sollte sich zumindest jeder ansehen, der cineastisch und zeithistorisch interessiert ist: Ein Werk, das den Zeitgeist kurz vor dem Mauerfall auf der westlichen Seite der Mauer eingefangen hat, ist in seiner ursprünglichen Opulenz wiedererstanden – und erstmals überhaupt so zu bewundern, wie es bis dahin nur Regisseur und Kameramann im Schneideraum zu sehen bekamen.
Kurzübersicht
- Titel „Der Himmel über Berlin“
- Genre: Melodram
- Regie: Wim Wenders
- Darsteller: Bruno Ganz, Otto Sander, Solveig Dommartin, Peter Falk
- Produktionsort und -jahr: Deutschland 1987
- Altersfreigabe: FSK 6
- Laufzeit: 128 Minuten
- Neuveröffentlichung auf Bluray und DVD: Mai 2018
- Filmverlag: Studiocanal
Autor der Rezension: Heiko Weckbrodt
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