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In Zeiten des Trumps braucht Europa eigene KI

Künstliche Intelligenzien sollen lernen, im natürlichen Dialog mit Menschen komplexe Probleme zu lösen. Abb.: DARPA

Künstliche Intelligenz gilt als Schlüsseltechnologie. Abb.: DARPA

Künstliche Intelligenz hat wachsende Bedeutung für die industrielle Revolution und verschärft die Abhängigkeit Europas von Entwicklern und Produzenten aus Übersee

Berlin/Washington/Peking, 5. Juni 2018. Künstliche Intelligenz (KI) findet überraschend schnell Eingang in nahezu alle Lebensbereiche und industrielle Aktivitäten. Nach Nvidia-Gründer Jen-Hsun Huang wird künstliche Intelligenz einen größeren Einfluss auf unser Leben haben als die Erfindung des Computers, des Internets oder des Mobiltelefons zusammen.

13 KI-Top-Unternehmen kommen aus den USA

Nach einem Report von Compass Intelligence sind unter den erfolg- und aussichtsreichsten KI-Chipsatzanbietern 13 amerikanische Firmen (Nvidia, Intel, IBM, Google, Apple, AMD, Qualcom, Synopsys, Marvell, Xilinx, CEVA, Cadence, General Vision), 5 chinesische (Huawei, Rockchip, VeriSilicon, Cambricon, Horizon Robotics), 2 europäische (Imagination aus Großbritannien und die niederländische NXP, die inzwischen der kalifornische Qualcomm-Konzern übernehmen will) und je eine japanische (Softbank dank der Übernahme der britischen ARM), eine koreanische (Samsung), eine singapurische (Broadcom) und eine taiwanesische (Mediatek) Firma.

Europa spielt keine Geige mehr

Damit wird erneut ersichtlich, dass Deutschland keine Rolle im Wettlauf um eine internationale Spitzenposition bei der Entwicklung und Produktion von KI-Produkten spielt und die EU insgesamt ebenfalls international auf diesem Gebiet eine marginale Rolle spielt. Darüber kann auch nicht hinwegtäuschen, dass es in europäischen und deutschen Unternehmen, Universitäten und Forschungseinrichtungen talentierte Teams gibt, die sich mit zukunftsweisenden KI-Projekten befassen. Hier wir wieder die mangelnde Strategie der EU-Verwaltung und der deutschen Regierung für die Sicherung einer wettbewerbsfähigen Position auf dem Gebiet der Mikroelektronik deutlich.

Europas Marktanteil auf 9 % gefallen

Zwar wird verbal anerkannt, dass die Mikroelektronik eine oder sogar die DIE Schlüsseltechnologie für die gegenwärtig mit der Digitalisierung in Gang gesetzte vierte industrielle Revolution (Industrie 4.0) ist. Gleichzeitig gibt es aber 1kein Programm, Europa wieder an die Spitze der internationalen Entwicklung zu bringen. Quantitativ ist der Weltmarktanteil der europäischen Mikroelektronik-Produktion inzwischen auf rund 9 % gefallen und wird sich vor allem durch das massive Aufhol- und Investitionsprogramm Chinas weiter verringern.

Große Spatenstecherei für die Bosch-Chipfabrik in Dresden-Hellerau. Mit dabei: Dresdens OB Dirk Hilbert( 2.v.l.), Bosch-Bereichsvorstand Jens Fabrowsky (Mitte) und Werkleiter Otoo Graf (rechts). Foto: Heiko Weckbrodt

Große Spatenstecherei für die Bosch-Chipfabrik in Dresden-Hellerau. Mit dabei: Dresdens OB Dirk Hilbert( 2.v.l.), Bosch-Bereichsvorstand Jens Fabrowsky (Mitte) und Werkleiter Otoo Graf (rechts). Foto: Heiko Weckbrodt

Ein paar Lichtblicke in Dresden und Villach

Nach einer aktuellen Übersicht der SEMI-Organisation werden weltweit zwischen 2017 und 2020 insgesamt 64 Fertigungs- und Entwicklungsstätten für Halbleiterbauelemente gebaut, davon gerade mal 4 in Europa. Trotz der von der EU-Kommission mit dem Programm 2010/100/20 im Jahre 2013 gewünschten Erhöhung des europäischen Weltmarkt-Anteils auf 20 % bis 2020, ist seitdem nichts passiert, um den rückläufigen Trend für Europas Mikroelektronikindustrie zu stoppen. Erfreuliche Lichtblicke in jüngster Zeit, wie der Neubau einer Halbleiterfabrik durch Bosch in Dresden und der angekündigte Neubau einer Halbleiterfabrik von Infineon in Villach, ändern die Situation leider nicht grundsätzlich. Es fehlt eine europäische Strategie, wie uns das China vormacht.

Kein Plan in Brüssel

Ebenso dramatisch wie die der quantitative Rückstand Europas in der Halbleiterproduktion, der sich vor allem auf die Wertschöpfung und die Versorgungssicherheit negativ auswirkt, ist der qualitative Rückstand. Während die Großen der Halbleiterbranche (TSMC, Samsung und Intel) die Technologie für Schaltkreis-Strukturen bis hinunter auf 5 Nanometer beherrschen und TSMC in Taiwan bereits an der 3-nm-Technologie zu arbeiten beginnt, gibt es keine europäische Halbleiterfirma, die auch nur den Plan hat, in diese Region vorzustoßen. Die europäische Halbleiterindustrie ist auf dem Gebiet der Höchstintegration hinter den amerikanischen und asiatischen Herstellern 2 bis 3 Technologie-Generationen zurück.

Alle sind auf Kooperationen mit Nvidia angewiesen

Die modernste Höchstintegration wird aber gerade für die Produktion der anspruchsvollsten KI-Chips, wie sie von Nvidia angeboten werden, benötigt. Nicht zufällig sind alle deutschen Automobilhersteller Kooperationen mit Nvidia eingegangen, um sich auf das autonome Fahren vorzubereiten. Ohne eine europäische Strategie, die von der deutschen Bundesregierung wesentlich initiiert und mitgetragen werden müsste, kann Europa seinen quantitativen und qualitativen Rückstand in der materiellen Grundlage der digitalen Revolution nicht aufholen. Wenn die europäischen Wirtschaftspolitiker dieses Manko weiter verdrängen, treiben sie Europas High-Tech-Industrie in immer größere Abhängigkeit von Partnern aus Übersee – was in Zeit des Trumpismus zunehmend beängstigend ist.

US-Präsident Donald trump. Foto: Weißes Haus

US-Präsident Donald Trump. Foto: Weißes Haus

Was passiert, wenn Trump die Nvidia-Dominanz als Hebel entdeckt?

Man stelle sich mal vor, was passiert, wenn die deutsche Automobilindustrie völlig von Nvidia-Chips abhängig ist – und US-Präsident Donald Trump das beim nächsten Streit als Druckmittel gegen Europa entdeckt.

Autor: Bernd Junghans

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt