Mediziner können nun fast millimetergenau gegen Hirntumore vorgehen
Dresden, 13. Juli 2017. Die Dresdner Protonentherapie-Anlage kann Krebspatienten nun mit weltweit einmaliger Präzision nahezu millimetergenau bestrahlen. Dadurch wird die Strahlentherapie für die Kranken schonender und zielgenauer als bisher. Das haben das Oncoray-Zentrum, das Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf und die TU Dresden mitgeteilt, die die „Universitäts-Protonen-Therapie Dresden“ (UPTD) gemeinsam betreiben. Möglich machen dies verbesserte mathematische Modelle und neue Bildtechnik aus Heidelberg und Dresden. „Wir sind Pioniere auf diesem Gebiet“, betonte Dr. Christian Richter, der die verantwortliche Forschungsgruppe „Hochpräzisionsstrahlentherapie“ leitet.
Protonen rasen zielorientierter als Röntgen- oder Gamma-Strahlen
Hintergrund: Um besonders heimtückische und tiefliegende Tumore zu bekämpfen, setzen die Oncoray-Mediziner riesige Protonenbeschleuniger ein. Diese millionenteuren Anlagen beschleunigen Atomkern-Teilchen bis nahe an die Lichtgeschwindigkeit. Die schnellen Protonen durchdringen dann in einer vergleichsweise eng fokussierten Flugbahn den Körper des Patienten, werden am Tumor ausbremst und setzen dort all ihre zerstörerische Energie frei.
Zentimeterbreiter Sicherheitssaum aus gesundem Gewebe wird mitbestrahlt
Im Vergleich zu klassischen Therapien mit harten Strahlen schädigt die aufwendige Protonen-Therapie nicht soviel gesundes Gewebe rings um den Tumor und dahinter. Dennoch ist auch diese Therapie nicht 100-prozentig genau. Daher bestrahlen die Mediziner in der Regel etwas mehr Gewebe, als sie eigentlich als Tumor-Volumen berechnet haben. So wollen sie sicher gehen, dass alle Krebszellen etwa eines Hirn- oder Bauchspeicheldrüsen-Tumors vernichtet werden. Bei einem Tumor in 25 Zentimetern Tiefe bombardieren die Mediziner beispielsweise zusätzlich einen Sicherheitssaum von fast elf Millimetern mit den positiv geladenen Teilchen. Mehr Protonen bedeuten aber immer auch mehr Belastung für den Patienten – und potenziell eben auch mehr zerstörtes gesundes Gewebe.
DECT-Scanner liefert klarerer Bilder aus dem Patientenkörper
Daher haben sich die Dresdner einen sogenannten DECT-Scanner zugelegt. Dieser „Dual-Energy Computertomograph“ liefert nicht nur eine, sondern jeweils zwei Computertomographien (CTs), die mit unterschiedlichen Röntgen-Energien beziehungsweise Wellenlängen erzeugt werden. Vorstellen kann man sich dies ähnlich wie ein Landschafts-Foto, das man zusätzlich mit einer Wärmebild-Aufnahme der selben Landschaft vergleichen kann. Aus den DECT-Aufnahmen lassen sich daher deutlich mehr Informationen über die Zusammensetzung von Geweben gewinnen als mit normalen Schnittbildern. Experten vom Heidelberger Teil des „Deutschen Krebsforschungszentrums“ (DKFZ) haben dazu ein neues, sehr präzises Berechnungsverfahren für die DECT-Bilder entwickelt. Daraus können die Dresdner seit diesem Monat genauere Behandlungspläne für ihre Protonentherapie-Patienten erstellen.
Prototyp soll 2018 in regulären Betrieb gehen
Zusammen mit Siemens entwickeln und testen sie nun einen Prototypen, der die innovative Methode für den Klinik-Alltag tauglich macht. Er soll 2018 in Dresden starten. Die Forscher gehen davon aus, dass sie dadurch den Sicherheitssaum aus mitbestrahltem gesunden Gewebe künftig generell um ein Drittel verringern können. Und hier kann jede Haaresbreite entscheidend sein: „Gerade bei der Bestrahlung von Tumoren in sehr sensiblen Regionen wie im Gehirn können wenige Millimeter ausschlaggebend sein, um schwerwiegende Nebenwirkungen, die durch die Bestrahlung hervorgerufen werden können, zu vermeiden“, betonte Oncoray-Direktorin Prof. Mechthild Krause.
Internationales Interesse an Dresdner Gespann aus DECT und Protonen ist groß
Das Interesse aus der Fachwelt an dem neuen Dresdner Verfahren sei bereits groß, sagte Christian Richter auf Oiger-Anfrage: „Viele der Protonentherapie-Zentren, die jetzt weltweit entstehen, legen sich DECT-Geräte zu – und wollen unsere Erfahrungen nutzen.“
Autor: Heiko Weckbrodt
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