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Schätze aus dem Land des aufsteigenden Drachen

Foto: Staatliches Museum für Archäologie Chemnitz

Das Staatliche Museum für Archäologie in Chemnitz zeigt die erste Ausstellung über Archäologie und Geschichte Vietnams in Deutschland

Chemnitz, 8. Mai 2017. In Chemnitz ist derzeit eine einzigartige Ausstellung zu sehen: „Schätze der Archäologie Vietnams“ skizziert anhand von fast 400 Exponaten die Geschichte eines Landes, dessen kultureller Reichtum noch immer oft unterschätzt wird.

Reis ist nicht gleich Reis. Es macht schon einen Unterschied, nicht zuletzt geschmacklich, ob man sich Milchreis oder Basmati-Reis, Grünen Reis oder Kleb-Reis zubereitet und isst. Kleb-Reis wird gedämpft und nicht gekocht, gilt als Reis für Arme, während Jasmin-Reise zwar auch klebt, aber als Reis für „anspruchsvolle Töpfe und Köpfe“ gilt, sozusagen der Mercedes unter den Reissorten ist. Wie auch immer: Es kommt nicht von ungefähr, dass in etlichen Ländern Asiens bedeutet, das jeweilige Wort für Reis gleichzeitig Essen oder Mahlzeit bedeutet.

Foto: Staatliches Museum für Archäologie Chemnitz

Erstmals in Europa gezeigt

Auch darüber informiert die Ausstellung „Schätze der Archäologie Vietnams“, die bis zum 20. August im Staatlichen Museum für Archäologie in Chemnitz zu sehen ist, wobei der Titel ohnehin nicht auf den Materialwert anspielt, sondern auf den Wissensschatz, der hier abgerufen werden kann. Gezeigt werden knapp 400 herausragende archäologische und historische Objekte der vietnamesischen Geschichte, darunter prunkvolle Zepter aus Stein, Fabelwesen aus Terrakotta und Trommeln aus Bronze. Rund 90 Prozent der Funde werden erstmals in Europa gezeigt, darunter auch die aus dem Bootsgrab von Viet Khe (um 200 v. Chr.).

Foto: Staatliches Museum für Archäologie Chemnitz

Vietnams Nationalschätze zu sehen

Diese Funde gehören zu den Nationalschätzen Vietnams und wurden dank der Unterstützung des Kulturerhalt-Programms des Auswärtigen Amtes in einer deutsch-vietnamesischen Kooperation restauriert. Ein Glanzstück ist nicht zuletzt eine 1,24 Meter im Durchmesser starke, reich ornamentierte Bronzetrommel, mehr als 2000 Jahre alt, gefunden vor zehn Jahren auf dem Gelände eines Flughafens im nördlichen Vietnam und die bislang bilderreichste ihrer Art.

Wächter vom Zoll beschlagnahmt

Aus Bronze sind auch die beiden Wächterfiguren, die rechts und links am Eingang der Schau in Vitrinen stehen. Es sind Mischwesen aus Hund und Löwe, mit ausgeprägten Krallen. Man hat keine Ahnung, woher diese kratzbürstigen Figuren stammen, wurden sie doch erst vor wenigen Jahren am Zoll beschlagnahmt, als man versuchte, diese außer Landes zu schmuggeln.

Foto: Staatliches Museum für Archäologie Chemnitz

Auch Zeugnisse der eroberten Champa-Stätten

Immerhin das Gros der präsentierten Funde stammt aus archäologischen Ausgrabungen der vergangenen 60 Jahre, ob sie nun aus der hinduistischen Tempelstadt My Son und dem Kaiserpalast Thang Long („Aufsteigender Drache“) in Hanoi kommen, zwei Stätten, die den Rang von Unesco Weltkulturerbe-Stätten besitzen. My Son unweit von Hoi An in der Mitte des 91 Millionen-Einwohner Landes war vom 4. bis zum 13. Jahrhundert das religiöse und kulturelle Zentrum der Champa, einem Volk das malaio-polynesischen Ursprungs ist, da seine Sprache zu dieser Gruppe gehört. Die Zivilisation von Champa war überwiegend hinduistisch geprägt, allerdings wurde der Buddhismus ab dem 9. Jahrhundert in Skulpturen sichtbar. Seiner mächtigen Flotte und der Beherrschung der Meere verdankte Champa seinen Wohlstand: dieser basierte auf Übersee-Handel – gelegentlich aber auch auf Seeräuberei.

Foto: Staatliches Museum für Archäologie Chemnitz

US-Luftwaffe bombardierte Tempel, Vietcong verminte sie

Noch Mitte der 1990er-Jahre war My Son ein gefährliches Pflaster. Kämpfer der Vietcong hatten die Bauten während des Krieges als Versteck genutzt, amerikanische Kampfflugzeuge das Gelände mit seinen dahin dokumentierten 70 Tempelanlagen bombardiert, dann hatten die Vietcong Minen gelegt. Nur rund 20 Bauwerke waren noch vollständig intakt. Ein groß angelegtes Restorationsprojekt versucht, die Tempelanlage mit seinen Tempeln, Türmen und Mauern wieder aufzubauen. Einen Überblick über die gesamte Tempelstätte verschafft zum einen ein Diorama-Modell, zum anderen ein vollsphärisches Panorama. Letzteres ermöglicht eine 360-Grad-Rundumsicht auf My Son ähnlich wie bei Google Street View. Durch Klicks auf entsprechende Richtungspfeile kann man regelrecht einen virtuellen Rundgang unternehmen.

Foto: Staatliches Museum für Archäologie Chemnitz

Drachenkopf aus Terrakotta

Ein optischer Blickfang ist auch ein Drachenkopf aus Terrakotta, gefertigt irgendwann zwischen dem 11. und 13. Jahrhundert. Er war einst als Schmuckelement an einem Haus angebracht, wobei der Grundaufsatz typisch chinesisch mit intensiven Augen und Perle im Maul ist. Diese „Perle“ symbolisiert den Mond und drück die Verbundenheit des Drachen zum Element Wasser aus. Anders als in der westlichen Welt sind Drachen in Ostasien nicht dem Element Feuer zugeordnet, sondern hier ist der Drache ein Wassertier und soll vor Feuer schützen.

Chinesische Fremdherrschaft wenig erforscht

Nur ein kleiner Teil der Ausstellung gilt der tausendjährigen chinesischen Fremdherrschaft im Norden. Zu dieser 1000 Jahre zurückliegenden Phase der eigenen Geschichte wird in Vietnam recht verhalten geforscht: Die Zeit, als Vietnam von China beherrscht war, wird als Periode der Knechtung erachtet. Bis heute die Länder sind trotz jeweils kommunistischer Regime einander fremd, ja feind geblieben und längst sind die USA wieder ein wichtiger Handelspartner Vietnams, wie man am Ende der Schau erfährt.

Vietnams Herrscher übernahmen chinesische Insignien

Aber so kurz die chinesische Fremdherrschaft war, sie zeigte Wirkung. So wurde etwa das Motiv der Chrysantheme auf Ziegeln und Tafeln übernommen. Jene typische Blume der Ming-Dynastie diente genau wie die Macht und Reichtum symbolisierende und deshalb in den kaiserlichen Gärten gezüchtete Päonie zur Selbstlegitimation des neuen vietnamesischen Kaiserhauses.

Königreich von konfuzianischem Gepräge

Mit der Übernahme der Chrysantheme, dem Symbol der Beamtenschaft, vollzog sich auch im Land des aufsteigenden Drachen der Übergang zum konfuzianischen Staat. Ende des 10. Jahrhunderts begann mit dem Aufbau eines vietnamesischen Königreichs im Norden eine Blütezeit. In diese Periode fällt auch die Expansion des Dai Viet-Reiches nach Süden und die Eroberung der Cham-Territorien bis zum südlichen Mittelvietnam.

Bürgerkrieg, Reichseinigung – und neue Fremdherrschaft

Im 16. Jahrhundert führte die Feindschaft zwischen zwei Elite-Familien zur Reichsteilung in Tonking und Cochinchina und endete in erbittert geführten Bürgerkriegen. Dem schon ab 17. Jahrhundert spürbar werdenden Einfluss europäischer Mächte kann die unter dem Kaiser Gia Long (reg. 1802-1820) und seinen Nachfolgern vollzogene Reichseinigung Mitte des 19. Jahrhunderts nochmal entgegenwirken. Dann jedoch beginnt die „moderne“ Geschichte Vietnams als Kolonie Frankreichs.

Boat People und Vertragsarbeiter

Die Ausstellungstexte sind sowohl in deutscher als auch vietnamesischer Sprache verfasst: eine Reverenz an die vielen Vietnamesen, die in der Bundesrepublik leben. Wobei die einen einst als Vertragsarbeiter in die DDR kamen und zum Teil auch blieben, die anderen hingegen als „Boat People“ vor dem kommunistischen Regime in der Volksrepublik Vietnam in den Westen flohen.

Riss ging und geht durch das Land

Der Riss ging damals quer durch die Familien: Im Vietnamkrieg kämpften eben mitnichten nur Amerikaner gegen Vietnamesen, sondern es gab durchaus viele, die mit dem Kommunismus nichts am Hut hatten.

„Vietnam ist unbesiegbar!“

Zum Schluss der Schau wird der unterschiedliche ost-west-deutsche Blick auf Vietnam dokumentiert wird: DDR und Bundesrepublik standen ja offiziell jeweils auf der Seite von Norden und Süden, präsentiert werden nicht zuletzt Streichholzschachtel-Etiketten, auf denen Fäuste gereckt werden und zu lesen ist: „Vietnam ist unbesiegbar! Übt aktive Solidarität!“

Wohl noch 3,5 Millionen Minen unentdeckt

Folgen hat der Krieg bis heute. Nach Angaben des US-Außenministeriums sind noch 3,5 Millionen Landminen und Blindgänger unentdeckt, wie auf einer Wand zu lesen ist. Erinnert wird auch an die Expedition eines Forscherteams aus Weimar. Das untersuchte 1964 im Zuge des wissenschaftlichen Austausches zwischen den zwei Bruderstaaten DDR und Vietnam eiszeitliche Funde im Hang-Hùm-Höhlensystem im Dschungel am Roten Fluss, die durch ein Staudammprojekt bedroht waren. Gewürdigt wird auch Rosemarie Zell, langjährige Mitarbeiterin am Völkerkundemuseum Dresden, die Spezialistin für Vietnam war und den Museumsbestand um eine Vielzahl an Objekten erweiterte.

Autor: Christian Ruf

Besucherinformationen

Was?

Sonderausstellung „Schätze der Archäologie Vietnams“

Wo?

Staatliches Museum für Archäologie in Chemnitz, Stefan-Heym-Platz 1, 09111 Chemnitz

Begleitprogramm

Zur Sonderausstellung werden öffentliche Führungen, eine Vortragsreihe sowie Tanz- und Literaturveranstaltungen an.

Infos: www.smac.sachsen.de

Öffnungszeiten

Bis 20.8.

Di. bis So. 10 bis 18 Uhr, donnerstags bis 20 Uhr,

Eintrittspreise:

5 Euro

Katalog:

Schätze der Archäologie Vietnams. Nünnerich-Asmus-Verlag & Media, 600 Seiten mit 760 Abb., 24,95 Euro

Anfahrt:

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt
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[caption id="attachment_175986" align="aligncenter" width="499"]Christian Ruf. Foto: hw Christian Ruf. Foto: hw[/caption]

Über Christian Ruf:

Christian Ruf wurde 1963 in München geboren und hat Geschichte sowie Politologie in München und Bonn studiert. Bereits vor dem Mauerfall reiste er mehrmals in die DDR, nach Polen und in die Sowjetunion. Nach der Wende zog er nach Sachsen um. Heute ist er als freier Journalist mit den Schwerpunkten Kultur und Geschichte in Dresden tätig, wenn er nicht gerade in anderen Ecken der Welt unterwegs ist.

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