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Elektro-Laster sollen Innenstädte versorgen

Elektro-Laster statt Diesel-Lkw sollen in Zukunft die Feinverteilung von Gütern in den Innenstädten übernehmen. Grafik: Heiko Weckbrodt

Elektro-Laster statt Diesel-Lkw sollen in Zukunft die Feinverteilung von Gütern in den Innenstädten übernehmen. Grafik: Heiko Weckbrodt

Dresdner Fraunhofer-Forscher wollen Konzepte für ökologische Güter-Feinverteilung in der City testen

Dresden, 28. März 2016. Damit die Luft in den deutschen Großstädten sauberer wird, sollen künftig Elektro-Laster anstelle von Diesel-Lkws die Läden und Haushalte in den Innenstädten mit Gütern beliefern. Entsprechende Konzepte wollen sächsische Fraunhofer-Forscher in den nächsten fünf Jahren testen. Dafür werde allerdings ein Netz aus Schnelllade-Stationen benötigt. „Ich sehe da ein Rieseninteresse der Kommunen und der Anwohner“, schätzte Professor Matthias Klingner im Oiger-Gespräch ein. Denn der Leiter des Fraunhofer-Instituts für Verkehrs- und Infrastruktursysteme (IVI) Dresden ist überzeugt: Gelingt solch ein Umstieg, würde das die Elektromobilität in Deutschland enorm voranbringen und langfristig viele Umweltprobleme der Kommunen lösen.

Netz von Schnelllade-Stationen über die Innenstadt spannen

Derzeit sei das IVI gemeinsam mit Partnern dabei, geeignete Verteiler-Lkws der 10-Tonnen-Klasse aufzubauen. Diese Test-Laster sollen – elektrisch angetrieben – von einigen Güterzentren („Hubs“) aus die Feinverteilung von Waren in der City übernehmen. Um diese Lkws mit Antriebs-Strom zu versorgen, seien ähnliche Schnelllade-Stationen im Stadtgebiet sinnvoll, wie sie das IVI und die Dresdner Verkehrsbetriebe (DVB) derzeit für kleine Elektro-Busse testen.

Der Elektrobus mit ausgefahrendem Schnelllade-Arm. Foto: Fraunhofer-IVI / DVB

Elektrobus in Dresden mit ausgefahrendem Schnelllade-Arm. Foto: Fraunhofer-IVI / DVB

Auch Chinesen sind erpicht auf das System

Diese Schnelllade-Systeme eignen sich vor allem für kleine bis mittlere Busse und andere Nutzfahrzeuge, deren Batterien „nur“ etwa eine Tonne wiegen statt 2,5-Tonnen-Batterien, wie sie bei großen Elektrobussen üblich sind. Das Kernelement ist ein schwenkbarer Kontaktgreifer. Dieser Schwenkarm fährt vom Fahrzeugdach aus, wenn der Bus an einer entsprechend ausgerüsteten Haltestelle wartet, um Fahrgäste ein- oder aussteigen zu lassen. Innerhalb weniger Minuten „tanken“ diese Greifer genug Strom in die Batterie, damit der Bus auf jeden Fall bis zur nächsten Schnelllade-Haltestelle kommt. Das Kontakt-System hatten das IVI und die österreichische Schunk Bahn- und Industrietechnik GmbH gemeinsam entwickelt. Komplette Ladestationen nach diesem Vorbild wollen nun auch die Chinesen produzieren – in der Lizenz der „M&P Motion Control and Power Electronics GmbH“ aus Dresden.

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Aber auch in Deutschland gewinnt das Thema an Relevanz. Um die Chancen elektrischer Güterverteilung in den Großstädten auszuloten, hat IVI-Chef Klingner Verkehrs-Experten, Fahrzeughersteller und Endnutzer aus ganz Deutschland zu einem „Anwendertag elektrischer Lieferverkehr“ am 31. Mai 2016 in Dresden eingeladen (mehr Infos hier).

Die Fraunhofer-Ingenieure wollen damit „Logistikfirmen und Spediteuren, die sich im Zwangsfeld steigender Emissions- und Immissionsschutzrichtlinien, drohender Stadteinfahrverbote und besonders wirtschaftlichen Druckes sehen, eine Möglichkeit zur unabhängigen und neutralen Information über Chancen und Risiken von elektrischem Verteilverkehr bieten.“ Auf der Tagung werden auch Elektrolaster-Hersteller wie Framo aus Langenbernsdorf oder Orten aus Bernkastel-Kues über erste Praxiserfahrungen berichten.

In Sachsen hat Tesla eine Superscharger-Station am Autohof Nossen an der A 14 installiert. Tesla-Fahrer dürfen hier gratis Strom tanken. Foto: Heiko Weckbrodt

Superscharger-Station von Tesla am Autohof Nossen an der A 14 installiert. Tesla-Fahrer dürfen hier gratis Strom tanken. Foto: Heiko Weckbrodt

Forschungsvorlauf zahlt sich jetzt aus

Derweil sieht IVI-Chef Matthias Klingner angesichts solcher Projekte sowohl das eigene Institut gut aufgestellt wie auch spürbare wirtschaftliche Effekte in die Region hineinwirken. Viele Technologien, die das IVI in den vergangenen Jahren zusammen mit Partnern aus Sachsen und anderen Teilen Deutschlands entwickelt habe, seien jetzt praxisreif und wirtschaftlich verwertbar. Dazu gehören eben die Schnelllade-Stationen, aber auch besondere Lenksysteme für überlange Fahrzeuge wie die Autotram, Konzepte für intelligente Verkehrssteuerungen oder Energiesysteme für Öko-Häuser.

IVI-Leiter Dr. Matthias Klingner mit der Test Hybridbus-Teststrecke im Hintergrund, die wie eine "8" in den Hang geschnitten und dann wieder begrünt wurde. Foto: Heiko Weckbrodt

IVI-Leiter Prof. Matthias Klingner mit seiner Hybridbus-Teststrecke im Hintergrund. Foto: Heiko Weckbrodt

Direktor: 2015 war gutes Jahr für das Fraunhofer-IVI

Schon 2015 sei für das Institut ein sehr gutes Jahr gewesen, schätzte Professor Klingner ein. Inzwischen habe das IVI 100 Mitarbeiter, inklusive Studenten sogar 150. Das Jahresbudget liege mittlerweile bei rund zehn Millionen Euro, davon seien 8,2 Millionen Euro – also 82 % – Erträge aus Industriepartnerschaften und anderen externen Finanzquellen.

Autor: Heiko Weckbrodt

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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