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Tragikkomödie „Señor Kaplan“: Vom Rentner, der ein Nazi-Jäger werden wollte

Um "ihren" Nazi zu überführen, scheuen Ex-Polizist Wilson (Néstor Guzzini, links) und Senor Kaplan (Hector Noguera) auch Recherchen in verruchten Nachtklubs nicht. Szenenfoto: Neue Visionen

Um „ihren“ Nazi zu überführen, scheuen Ex-Polizist Wilson (Néstor Guzzini, links) und Senor Kaplan (Hector Noguera) auch Recherchen in verruchten Nachtklubs nicht. Die Befragung von Tänzerin Estralla (Leonor Svarcas) endet peinlich-destaströs. Szenenfoto: Neue Visionen

Deutsch-uruguayische Koproduktion auf DVD erschienen

In „Señor Kaplan“ spinnt Regisseur Álvaro Brechner einen bizarren Faden: Taugen Rentner mit Torschlusspanik zum Nazi-Jäger? Erschienen ist diese südamerikanische Tragik-Komödie nun auf DVD und ist trotz aller amüsanter Fassade vor allem ein Film über das Altwerden und die eigenen Ansprüche ans Leben.

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Traum von heldischen Ehren in Israel

Der Don Quijote dieser Geschichte heißt Jacobo Kaplan (Hector Noguera), ist 76 Jahre alt und lebt in Uruguay. Langsam spürt er den Tod herankriechen und gerät in eine Sinnkrise: Einstein hat die Relativitätstheorie entwickelt, Churchill sein Land zum Sieg geführt – aber was hat er, Jacobo Kaplan, im Leben erreicht? Und er besinnt sich auf seine jüdischen Wurzeln und beschließt von einem Tag auf den anderen, ein Altnazi-Jäger wie der legendäre Simon Wiesenthal zu werden. Ein erstes Jagdziel hat er auch schon im Auge: Gemeinsam mit dem gescheiterten Ex-Polizisten Wilson (Néstor Guzzini) will er diesen seltsamen uralten Deutschen (Rolf Becker), der am Strand bei Montevideo ein Restaurant betreibt, fangen und nach Israel überführen – um dort gefeiert zu werden wie einst die Mossad-Agenten, die Adolf Eichmann entführten. Doch dünn, sehr dünn ist die Indizienkette, die den Deutschen mit Auschwitz verbinden könnte…

Ritter von der traurigen Gestalt

Álvaro Brechner hat diese seine Story in den 1990er Jahren angesiedelt und auch in der Film-Requisite darauf geachtet, dass Optik und Technik zu diesem smartphone-losen Jahrzehnt passen. Die tragisch-komischen Momente überwiegen in seinem Film die komödiantischen: Man fühlt sich an Cervantes’ Ritter von der traurigen Gestalt erinnert, an Don Quijote, der so edel und heldisch sein wollte und doch schon so ganz und gar aus seiner Zeit herausgefallen war. Allzu unbeholfen agieren die selbst ernannten Nazi-Jäger, allzu sehr steigern sie sich zum Entsetzen ihrer Familien in Verschwörungskonstrukte hinein, die nüchterner Analyse kaum standhalten. Ein bisschen leidet darunter auch der Showdown, der dann eben doch nicht so ganz zu überraschen vermag. Dennoch: Eine auf ihre Art liebeswerte Story über die uns allen gemeinsame Sehnsucht nach heldischen Taten.

Autor: Heiko Weckbrodt

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„Señor Kaplan“ (Neue Visionen/ Good!movies), Tragikkomödie, Uruguay/Deutschland 2014 (DVD-VÖ: 22. Januar 2016), Buch & Regie: Álvaro Brechner, mit Hector Noguera und Rolf Becker, FSK 0, 94 Minuten, DVD 18 Euro

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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