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ePuzzler setzt ab 2013 zerrissene Stasi-Akten zusammen

Umgerüstete Matrix-Scanner lesen die Akten-Schnipsel so ein, dass auch die Rückseite später rekonstruierbar ist. Abb.: BStU

ePuzzler: Umgerüstete Matrix-Scanner lesen die Akten-Schnipsel so ein, dass auch die Rückseite später rekonstruierbar ist. Abb.: BStU

resden/Berlin, 30. August 2012: Die unenttarnten Westagenten der Stasi können schon mal anfangen zu zittern: Im Frühjahr 2013 wollen Stasi-Unterlagenbehörde und Fraunhofer-Forscher endlich den „ePuzzler“ anwerfen, der jene Akten rekonstruieren soll, die MfS-Agenten im Wendeherbst 1989 zerrissen hatten. Die Historiker erhoffen sich von der Hightechmaschine vor allem neue Erkenntnisse über den DDR-Auslandsgeheimdienst „Hauptverwaltung Aufklärung“ (HV A). Auch andere Behörden haben Interesse an dieser Technologie angemeldet.

BStU-Chef Roland Jahn. Abb.: BStU

Eigentlich sollte der „ePuzzler“ bereits Anfang 2012 die Arbeit aufnehmen. Die Technologie erwies sich jedoch als schwieriger beherrschbar als gedacht. „Ich gehe davon aus, dass die Fraunhofer-Leute Ende des Jahres soweit sind, dass wir die Anlage abnehmen können“, kündigte der Bundesbeauftragte für Stasi-Unterlagen (BStU), Roland Jahn, heute bei einem Besuch in Dresden an.

Auch Finanzämter und Kripo spekulieren auf ePuzzler-Technik

Auch Finanz- und Kriminalämter sowie weitere Behörden im In- und Ausland seien an dieser „Zukunftstechnologie“ interessiert, betonte Jahn. Darunter ist auch ein Archiv jüdischer Emigranten in Buenos Aires, das kürzlich fast völlig durch einen Brand zerstört worden war.

Im Kern ist der „ePuzzler“ eine Kombination aus Fließband-Scanner und einer speziellen Bild- und Texterkennungs-Software, die im Speicher eines Supercomputers die digitalisierten Schnipsel so lange dreht und wendet, bis sie wieder einen sinnvollen Text ergeben. Entwickelt wurde er vom Berliner „Fraunhofer-Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik“ (IPK), um die manuelle Schnipseljagd der BStU-Mitarbeiter zu beschleunigen. Immerhin 16.000 Säcke geschredderter Stasi-Akten warten – teilweise in Geheimdepots gelagert – auf ihre Rekonstruktion. Einige Akten sind so fein zerteilt, dass menschliche Puzzler keine Chancen haben.

Entpuzzelt: HV A kopierte Bundespässe an der Grenze – und strickte daraus Agenten-Legenden

Doch auch diese Experten haben in Handarbeit Beachtliches erreicht. „Erst kürzlich haben wir Unterlagen zusammen gesetzt, die belegen, wie die HV A an der Grenze die Pässe von Bundesbürgern kopiert hat, um daraus falsche Identitäten für ihre Agenten zu stricken“, berichtet Jahn.

Zudem haben Forscher Alternativquellen aufgetan, um die Zerreiß-Orgie der ostzonalen Schlapphüte ad absurdum zu führen: In vielen Archiven Osteuropas lagern Akten, die von der HV A einst an „Bruderdienste“ geschickt wurden. Auf dieser Basis planen BStU-Forscher jetzt mit Kollegen aus Osteuropa ein Forschungsprojekt über „Operativgruppen“, für die sich die kommunistischen Geheimdienste zusammen getan hatten, um zum Beispiel gemeinsam Republikflüchtlinge aufzustöbern.

Neuer Forschungsschwerpunkt soll „Anpassung“ im DDR-Staat untersuchen

Einen weiteren wissenschaftlichen Schwerpunkt der Behörde sieht Jahn darin, „wie die Staatssicherheit mit anderen Behörden wie Räten der Kreise und Bezirke zusammengearbeitet hat und es dem Staat gelang, selbst Menschen, die eigentlich gegen das System waren, dazu zu bringen, dass sie sich anpassten.“ Heiko Weckbrodt

Zum Weiterlesen: Wie der ePuzzler Stasi-Akten rekonstruiert

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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