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Azzurro: Wir stehen nicht in Konkurrenz zu Freiberger GaN-Projekt

Reine Gallium-Nitrid-Wafer sind zum Beispiel für Produktion blauer Laser interessant. Abb.: Kyma

Reine Gallium-Nitrid-Wafer sind zum Beispiel für Produktion blauer Laser interessant. Abb.: Kyma

Dresden, 5.4.2012: Die Dresdner Halbleiter-Firma „Azzurro“, die sich auf mit Gallium-Nitrid (GaN) beschichtete Siliziumscheiben („Wafer“) spezialisiert hat, sieht sich nicht als Konkurrenz zur „Freiberger Compound Materials GmbH“ (FCM), die gemeinsam mit Dresdner TU- und Fraunhofer-Forscher an der Entwicklung reiner GaN-Kristallscheiben arbeitet. Das betonte Azzurro-Manager Alexander Lösing. Die Freiberger Technologie führe zwar zu größere Leistungsdichte, sei aber noch ein ganzes Stück von der Marktreife entfernt und so teuer, dass eine Eroberung von Massenmärkten schwer vorstellbar sei.

„Wir zielen auf unterschiedliche Marktsegmente“, sagte Lösing mit Blick auf eine mögliche Fördergeld-Debatte. Denn beide Projekte werden mit staatlichen Mitteln gefördert und sollen neue – und lukrative – Wege eröffnen, um künftig Leistungselektronik, Mikro-Laser und Leuchtdioden mit deutlich besserer Energieeffizienz als heutigen Silizium-Lösungen herzustellen. Denn Halbleiter aus Gallium-Stickstoff-Verbindungen produzieren weniger Verlustströme und Abwärme als Silizium-Chips, zudem halten sie höhere Spannungen und Stromstärken aus.

Reines Gallium-Nitrid oder beschichtetes Silizium?

Alexander Lösing. Abb.: Azzurro

Alexander Lösing. Abb.: Azzurro

Beide Projekte verfolgen dabei unterschiedliche technologische Ansätze: Azzurro verwendet herkömmliche 150-Millimeter-Siliziumscheiben, die mit einer besonders ebenen GaN-Schicht versehen werden. Wegen der unterschiedlichen Atom- und Molekülgrößen könne man sich das wie Tennisbälle vorstellen, auf die man Tischtennisbälle so staple, dass sie eine ideale Ebene ergeben, erklärte Lösing. Ein wichtiger Vorteil: Solcherart behandelte Wafer können ohne große Umrüstungen in herkömmlichen Chip-Fabriken eingeschleust werden. Sie können daher recht schnell für die Massenproduktion von LEDs und neuen Leistungshalbleitern verwendet werden, wie sie zum Beispiel für Elektroautos, Solarkraftwerke und Windkraftparks der nächsten Generation benötigt werden.

Das Freiberger Projekt, an dem neben FCM unter anderem das TU-Mikroelektroniklabor „Namlab“ und das Freiberger „Fraunhofer-Technologiezentrum Halbleitermaterialien” (THM) mitarbeiten, will hingegen reine GaN-Wafer entwickeln, deren Defektfreiheit mit dem Azzurro-Ansatz gar nicht erreichbar sei, wie Lösing einräumt. Auch andere Firmen forschen weltweit an dieser Technologie, beispielsweise „Kyma Technologies“ in den USA.

Reine Gallium-Nitrid-Wafer unsichtbar für Chipwerk-Sensoren

Reine GaN-Wafer sind durchsichtig und damit ein Problem für die Sensor-Ausrüstungen in heutigen Chipwerken. Abb.: Kyma

Reine GaN-Wafer sind durchsichtig und damit ein Problem für die Sensor-Ausrüstungen in heutigen Chipwerken. Abb.: Kyma

„Wenn es gelingt, solche Einkristalle zu züchten und zu verarbeiten, werden sie auf absehbare Zeit wohl nicht in Preisregionen kommen, die sie für den Massenmarkt interessant machen, das geht aus vielen Gesprächen mit unseren Kunden recht klar hervor“, sagt der Azzurro-Manager über den Freiberger Ansatz. Hinzu komme, dass reine GaN-Wafer – ähnlich wie zum Beispiel Silizium-Kohlenstoff-Scheiben – durchsichtig sind und damit die Qualitätsmess-Sensoren in klassischen Chipfabriken nutzlos wären.

Freiberger Technologie vor allem für Mikrolaser interessant

Jedoch ließen sich damit besonders leistungsfähige Bauelemente fertigen, die auf einem lediglich GaN-beschichtenen Siliziumwafer einfach durchschmoren würden, da dort jeder Kristalldefekt zu Wärmestaus führt. Insofern seien reine GaN-Wafer besonders für die Produktion blauer Laser – wie sie zum Beispiel in Bluray-Videolaufwerken zum Einsatz kommen – oder für bestimmte Komponenten künftiger Handyfunk-Masten geeignet. In diesen eher kleinen Marktsegmenten spiele weniger der Preis, sondern eher die technologische Machbarkeit eine Rolle. Von daher sei nicht zu erwarten, dass die Azzurro-Wafer in absehbarer Zukunft von reinen GaN-Wafern à la Freiberg abgelöst werden, sondern vielmehr beide Technologien koexistieren dürften.

Ein Galliumnitrid-beschichterer Silizium-Wafer von Azzurro. Abb. (3): Azzurro

Ein Galliumnitrid-beschichterer Silizium-Wafer von Azzurro. Abb. (2): Azzurro

Azzurro entstand vor neun Jahren als Ausgründung der TU Magdeburg und richtet derzeit für 19 Millionen Euro eine Wafer-Fabrik an der Dresdner Breitscheidstraße ein, die im Sommer 2012 den Betrieb aufnehmen soll. Derzeit beschäftigt das Unternehmen 40 Mitarbeiter, bis 2015 sollen es rund 200 sein. Abnehmer der neuen Wafer werden vor allem auf Leistungshalbleiter und LEDs spezialisierte Konzerne in Asien und Amerika sein.

Die FCM wiederum entstand aus dem VEB Spurenmetalle Freiberg und ist bisher auf Gallium-Arsenid-Wafer spezialisiert, die zum Beispiel in der Funktechnik und beim Militär benötigt werden. Das Unternehmen beschäftigt rund 250 Mitarbeiter. Heiko Weckbrodt

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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