55 Millionen Euro teurer Ausbau – inklusive „Nacktscanner“-Labor
Dresden-Rossendorf, 28. Februar 2013: Um das Geflüster biologischer Zellen besser zu verstehen, Gehirntumore zu bekämpfen und neue Elektronikwerkstoffe zu durchleuchten, hat das Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) seinen Elektronenbeschleuniger „ELBE“ für 55 Millionen Euro vergrößert. Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) drückte heute kühn einen roten Knopf und setzte damit Erweiterung samt Terahertz-Labor in Gang.
Der Linear-Beschleuniger hat nun doppelte Länge, außerdem bauten die Forscher einen Superlaser und einen Elektronen-Undulator an. Dadurch ist ELBE zur größten Forschungsanlage in Sachsen geworden und kann nun besonders starke Nacktscanner-Strahlung, lupenreines Röntgenlicht und Antimaterie (Positronen) erzeugen.
Erklär-Animation vom HZDR über den ELBE-Beschleuniger (nicht mehr ganz taufrisch):
Große internationale Nachfrage erwartet
ELBE-Leiter Dr. Peter Michel stufte die Großforschungsanlage als weltweit einzigartig ein. „Keine Universität könnte sich so eine Anlage leisten“, ist er überzeugt. „Bei uns läuft die 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche.“
Sein Chef, der HZDR-Wissenschaftsdirektor Prof. Roland Sauerbrey, sieht das ganz ähnlich: „Die Nachfrage nach Strahlzeit wird mit den neuen Experimentiermöglichkeiten an unserem Großgerät ELBE erheblich steigen und uns auch international ein gutes Stück voran bringen.“ Am alten ELBE habe man wegen der hohen Nachfrage nur jeden zweiten internationalen Antrag auf Strahlzeit bewilligen können, ergänzte Michel.
Auch Tillich war angetan: „Sachsen braucht Spitzenforschung, die internationale Anziehungskraft besitzt und die besten Forscher aus aller Welt zu uns lockt.“ Das Land hatte die ELBE-Erweiterung mit 34 Millionen Euro bezuschusst.
Um die Anlage für Spitzenforscher noch attraktiver zu machen, hatten die HZDR-Experten unter anderem die Linearbeschleuniger, die Elektronen fast auf Lichtgeschwindigkeit treiben, auf rund 80 Meter verdoppelt.
Beim Eiweiß-Origami zuschauen
Außerdem installierten sie den Superlaser „Draco“, der auf einige Billionen Watt (= Terawatt) Leistung kommt. Richten sie Elektronen- und Laserstrahl aufeinander, entsteht „einfarbiges“ Röntgenlicht – sehr brillante harte Strahlung mit 0,1 Millionstel Millimeter (= Nanometer) Wellenlänge. Auf solche superfeinen Diagnosestrahlen sind die Pharma-Forscher ganz scharf, sie wollen damit zum Beispiel die Faltung von Eiweißmolekülen beobachten. „Andere Institute bauen dafür milliardenteure Beschleuniger – wir verwenden da einen ausgeklügelten alternativen Ansatz“, betonte Michel sichtlich stolz.
Petawatt-Laser soll neue Pfade für Krenstherapie ausleuchten
Ein weiterer, noch stärkerer Laser names „Penelope“ mit über einem Petawatt (Billiarden Watt) Leistung ist bereits im Bau. Letztlich wollen die HZDR-Experten auf dieser Laser-Basis auch sehr kompakte Protonenbeschleuniger für Krankenhäuser konstruieren. Bisher sind dafür riesige Ringbeschleuniger nötig. „Letztlich geht es darum, tief im Hirn vergrabene Tumore sehr präzise zu treffen“, sagte Michel.
Besonders stolz sind die Rossendorfer Wissenschaftler aber auch auf ihr neues Terahertz-Labor. Um dessen – im Vergleich zu Röntgen schonendere – Durchleucht-Strahlung zu erzeugen, haben sie an ihren ELBE-Beschleuniger eine Art Zwangskorsett für Elektronen angebaut. Dieser Undulator nötigt die geladenen Teilchen, in einer Wellenbahn zu schwingen. Dabei entsteht Terahertz-Strahlung ähnlich wie in den legendären „Nacktscannern“ auf Flughäfen – nur viel intensiver.
Hirnzellen beim Flüstern zuhören
Die Biologen gehen davon aus, dass sich Gehirnzellen untereinander mit einer ähnlichen Strahlung „unterhalten“. Sie wollen diese Prozesse nun mit der neuen Terahertz-Quelle simulieren. Auch neue Werkstoffe, Solar- und Mikroelekronikmateriaien möchte das HZDR damit untersuchen. Heiko Weckbrodt
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