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„Wandering Earth II“: Naht der Heliumblitz, schickt China die Erde auf Reisen

Und da war sie futsch: In "Wandering Earth II" geht nebenbei auch die Freiheitsstatue während der "Mondkrise" kaputt.  Szenenfoto: Plaion

Und da war sie futsch: In „Wandering Earth II“ geht nebenbei auch die Freiheitsstatue während der „Mondkrise“ kaputt. Szenenfoto: Plaion

Aus Liu Cixins Kurzgeschichte hat Frant Gwo einen zweiten, noch bombastischeren Katastrophenfilm gemacht

Die Geschichten des chinesischen Science-Fiction-Autors Liu Cixin geben immer neuen Stoff für „großes Kino“. Das hat erst kürzlich die gefeierte Netflix-Serie „3 Body Problem“ gezeigt. Und aus der Kurzgeschichte „Die wandernde Erde“ von Liu Cixin hat der chinesische Regisseur Frant Gwo bereits zwei abendfüllende Spielfilme gemacht. Nach seiner eher hektischen ersten „Wandering Earth“ hat Frant Gwo das Sujet nun noch einmal ausgewalzt und als „Wandering Earth II“ abgedreht. Der deutsche Filmverleih „Plaion“ hat das bombastische Sci-Fi-Spektakel aus dem Reich der Mitte mittlerweile fürs hiesige Heimkino veröffentlicht.

Die Geschichte: Sonne stirbt zu früh, Menschheit verfrachtet Erde gen Alpha Centauri

Die Story, die sich Liu Cixin da erdacht hat, ist ein Fall von „dumm gelaufen“ für die Menschheit: Statt erst in etwa zwölf Milliarden Jahren abzunippeln, wie eigentlich zu erwarten, zeichnet sich bereits im 21. Jahrhundert ein kosmischer Tod unserer Sonne ab. Um dem alles zerstörenden Heliumfusions-Blitz zu entgehen, tackern die Chinesen Riesentriebwerke an die Erde, um die aus dem Sonnensystem heraus und nach ein paar Tausend Jahren schließlich bei unserem Nachbar-Dreiergestirn Alpha Centauri anzudocken (das Liu Cixin übrigens im „Drei-Körper-Problem“ später als langfristig unbewohnbar geißelt). Statt aber der weisen chinesischen Führung zu folgen, rebellieren viele Menschen gegen die Idee aus Peking: Manche wollen einfach die letzten Jahrzehnte Leben unbeschwert genießen. Andere plädieren dafür, das menschliche Bewusstsein in katastrophensicheren Quantencomputern und auf Festplatte zu speichern und darin ein „digitales Leben“ auf ewig zu führen. Der Streit über den rechten Weg führt schließlich in eine Kaskade aus Terroranschlägen, Weltraumschlachten, epischen Katastrophen inklusive einer „Mondkrise“.

Extremisten von der Bewegung "Digitales Leben" zerstören in "Wandering Earth II" den Weltraumlift. Astro-Neuling (Wu Jing) beschützt seine künftige Ehefrau. Szenenfoto: Plaion

Extremisten von der Bewegung „Digitales Leben“ zerstören in „Wandering Earth II“ den Weltraumlift. Astro-Neuling (Wu Jing) beschützt seine künftige Ehefrau. Szenenfoto: Plaion

Ewiges Leben in digitalen Welten lockt als Alternative

Stärker als in seiner ersten filmischen Interpretation des Sujets setzen Frant Gwo und sein Kollektiv diesmal nicht allein auf frontale Action mit ein paar Alibi-Handlungssträngen, sondern hangeln sich diesmal vor allem an zwei persönlichen Geschichten entlang: Sie erzählen vom Informatiker Tu Hengyu (Hongkong-Star Andy Lau, „Infernal Affairs“), der bei einem Autounfall seine kleine Tochter verliert und ihr nun ein ganzes digitales Leben im Quantencomputer zu schenken. Und vom Astronauten Liu Peiqiang (Wu Jing), der für seine Familie um lebensrettende Plätze in den unterirdischen Schutzstädten ringt und dann doch seine Frau an den Krebs verliert.

Chinesen zelebrieren filmische Zerstörungs-Orgie im Hollywood-Stil

Abgesehen von der höheren schauspielerischen Qualität im zweiten Teil, der chronologisch vor der ersten Verfilmung spielt, legen die chinesischen Filmemacher in „Wandering Earth II“ auch für die Action-Szenen noch ein Schippe drauf: Frant Gwo inszeniert ausufernde Weltraum-Schlachten im Starwars-Stil, zerstört mit offensichtlicher Wonne als Kollateralschäden die Freiheitsstatue der Amerikaner, die London-Bridge der Engländer und die Sidney-Oper der Australier, baut allerdings gelegentlich auch ruhigere Reminiszenzen an Stanley Kubrick ein.

Heldenpathos trieft aus dem Bildschirm

Etwas ungewöhnlich für westliche Dramaturgie-Konventionen, die eher auf überraschende Wendungen setzen, kündigt der Regisseur jeden nahenden Höhepunkt bereits lange vorher als Countdown an. Auch trieft das ganze Epos arg von Helden-Pathos, der selbst manch Hollywood-Schinken übertrifft.

Schauspieler per KI verjüngt

Den nationalen Überschwang, der sich durch die Filmversion (nicht die Kurzgeschichte) der „Wandernden Erde“ zieht, findet der geneigte Zuschauer auch in der Bonussektion wieder: In den dort versammelten Kurz-Dokus über die Produktion lässt manch chinesischer Mime durchblicken, dass der Rest der Welt gut beraten ist, chinesischer Führung und Aufopferungswillen zu folgen – ist nur zu unserem Besten 😉 Anderseits zeigen diese Produktionsnotizen wie auch der Spielfilm selbst, dass Chinas Filmindustrie den Anspruch erhebt – und in Teilen auch bereits einlöst – in einer Liga mit Hollywoods Bombast-Filmfabriken zu agieren. Abgesehen von den klassischen Computer-Spezialeffekten hat das Kollektiv um Frant Gwo dabei übrigens auch „Künstliche Intelligenz“ eingesetzt, beispielsweise um die Gesichter der Hauptdarsteller anfangs zu verjüngen, da sich die Story letztlich über viele Jahre hinzieht.

Fazit: Sehenswert, aber stellenweise grenzwertig

Wer die Bücher von Liu Cixin mag, sollte sich „Die wandernde Erde II“ aus China nicht entgehen lassen: Nach westlichen Seh- und Erzählgewohnheiten kann diese Verfilmung zwar nicht mit der von Nexflix verfilmten Trisolaris-Serie mithalten, ist aber schauspielerisch, dramaturgisch und tricktechnisch erheblich besser gelungen als „Die wandernde Erde I“. Freilich muss man sich auf eine Rezeptur einstellen, die nicht allein aus Action und ein paar fähigen Mimen besteht, sondern auch ordentliche Brisen aus Pathos und nationalem Überschwang enthält. Aber das kennt man ja auch aus anderen Traumfabriken.

Umschlag von "Wandering Earth II". Foto: Plaion

Umschlag von „Wandering Earth II“. Foto: Plaion

Kurzüberblick:

  • Titel: „Wanderung Earth II“
  • Genre: Science Fiction / Katastrophenfilm
  • Regie: Frant Gwo
  • Produktionsland und -jahr: China 2024
  • Altersfreigabe: FSK 12
  • Länge: 173 Minuten
  • Sprachen: Deutsch, Englisch, Chinesisch
  • Untertitel: Deutsch
  • Preis: Bluray 13 Euro, DVD 11 Euro, Videostrom: 12 Euro

Autor der Rezension: Heiko Weckbrodt

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt