Künstliche Intelligenz, News, Roboter, zAufi

KI-Exoskelette sollen Arbeitsschutz verbessern und Lahme laufen lassen

Aktive und KI-vernetzte Exoskelette sollen die Arbeitswelt verändern. Foto: German Bionic

Aktive und KI-vernetzte Exoskelette sollen die Arbeitswelt verändern. Foto: German Bionic

„German Bionic Systems“ stellt ein robotisches Außenskelett vor, das sich mit Künstlicher Intelligenz vernetzt

Augsburg, 5. April 2023. Einen Zementsack aus dem Regal hieven? Ein Klacks, denkt sich der augmentierte Mensch des Digitalzeitalters, der ein Exoskelett trägt. Diese kraftverstärkenden Außenskelette, die man oder frau wie einen Schutzanzug anzieht, können zum Beispiel Handwerkern die Arbeit erleichtern, Bauarbeiter befähigen, extrem schwere Lasten zu tragen, oder Lagerarbeiter helfen, die Waren in den Regalen umzuwuchten. Die Augsburger Technologiefirma „German Bionic Systems“ hat nun ein vernetztes „Apogee“-Exoskelett vorgestellt, das mittels künstlicher Intelligenz (KI) späteren Haltungsschäden der Arbeiter vorbeugt.

Mechatroniker: Fühlt sich an ein Wanderrucksack

Das Konzept dahinter skizziert „German Bionic“-Produktchefin Norma Steller so: „Wenn ein Lkw einfährt oder kommissioniert wird, streifen die Mitarbeitenden die Tools in Sekundenschnelle über, und schon verbindet sich menschliche Flexibilität mit maschineller Kraft. Mit dieser hybriden Automatisierung durch Human Augmentation schützen die Smart Power Suits die Gesundheit der Arbeitskräfte, verringern die Unfall- und Verletzungsrisiken und verbessern die Arbeitsprozesse.“ Und die neuesten Modelle seien eben in jeder Hinsicht viel „tragbarer“ als ihre klobigen Vorgänger bei der Nasa und beim US-Militär: „Es funktioniert super, sitzt gut und fühlt sich ungefähr so an, als würde man einen Wanderrucksack tragen“, zitiert „German Bionic“ beispielhaft den Kfz-Mechatroniker Benedikt Schmalkalt vom BMW Darmstadt.

Auch die US-Weltraumbehörde NASA hat Exoskelette entwickeln zu lassen, um zu testen, ob sich damit die Kraft von Astronauten verstärken lässt. Foto: NASA

Auch die US-Weltraumbehörde NASA hat Exoskelette entwickeln zu lassen, um zu testen, ob sich damit die Kraft von Astronauten verstärken lässt. Foto: NASA

Prognose: Exoskelett-Weltmarkt wächst bis 2030 auf 5 Milliarden Dollar

Exoskelette wurden anfangs vor allem für Soldaten und Raumfahrer entwickelt. Inzwischen sind sie aber immer öfter auch im zivilen Sektor zu sehen. Mittlerweile sind Außenskelette weltweit zu einem Massenphänomen geworden: Den globalen Exoskelett-Markt kalkuliert „Global Market Insights“ (GMI) für das Jahr 2021 auf rund eine halbe Milliarde Dollar Umsatz. Die Analysten gehen von jährlichen Wachstumsraten um die 30 Prozent aus. Für 2030 sei von einem Marktvolumen um die fünf Milliarden Dollar auszugehen.

Aktive und passive Außenskelette verfügbar

Zu unterscheiden sind dabei die immer noch recht teuren aktiven Exoskelette wie der „Apogee“, die mit Motoren, Hydraulik und anderen maschinellen Techniken zum Beispiel Armbewegungen des Menschen kraftverstärken. Sie brauchen allerdings in aller Regel ein Stromkabel oder Akkus, um zu funktionieren. Außerdem scheuen gerade Baufirmen den Einsatz aktiver Skelette. Denn die gelten als empfindlich gegen Staub und Nässe, wie sie eben nun mal auf Baustellen vorherrschen können.

Felix Hillemeier vom "Kompetenzzentrum Robotik" der Handwerkskammer Dresden führt beim "Dresden Robotics Festival" ein aktives Exoskelett für Handwerker vor. Foto: Heiko Weckbrodt

Felix Hillemeier vom „Kompetenzzentrum Robotik“ der Handwerkskammer Dresden führt beim „Dresden Robotics Festival“ ein aktives Exoskelett für Handwerker vor. Foto: Heiko Weckbrodt

Etwas billiger – und deshalb auch im Handwerk auch gelegentlich schon im Einsatz – sind die passiven Exoskelette. Die kann man sich wie ein Gerüst aus Kunststoff-Federn vorstellen, die nur ganz bestimmte Bewegungen durch elastische Prinzipien unterstützen. Wenn der Träger beispielsweise eine Kiste aufhebt, kehrt solch ein passives Außenskelett in seine Ursprungsform zurück und wirkt dadurch kraftverstärkend.

Zwei junge Gerüstbau-Lehrlinge zeigen Gemeinhardt-Geschäftsführer Dirk Eckart, wie die Arbeit mit den passiven Exoskeletten funktioniert. Foto: Meeco

Zwei junge Gerüstbau-Lehrlinge zeigen Gemeinhardt-Geschäftsführer Dirk Eckart, wie die Arbeit mit den passiven Exoskeletten funktioniert. Foto: Meeco

Mehr Ergonomie erhofft

Der neueste Trend ist nun eben die digitale Vernetzung der Exoskelette: Dadurch lässt sich das Außenskelette besser in ihrer Leistung messen, aber beispielsweise auch mit einer KI in der nächsten Rechnerwolke koppeln – die dann auf ergonomische Arbeitsabläufe hinwirkt. „Auf einer Baustelle beispielsweise müssen Arbeitskräfte allein, um eine Standardpalette mit Zementsäcken von A nach B zu bringen, mehr als eine Tonne heben und tragen“, erläutert Norma Steller vom German Bionic das Konzept. „Die jeweilige Entlastung durch das Exoskelett auf dem Rücken lässt sich am Ende eines Tages exakt ablesen. Da steht dann zum Beispiel so etwas wie: 717 kg Last kompensiert, entspricht einem halben Kleinwagen.“ Außerdem lasse sich durch ein vernetztes Exoskelett der Arbeits- und Unfallschutz verbessern. Die neueste Generation sei auch staub- und wasserfest.

Der Mobilfunk-Experte Prof. Gerhard Fettweis beim Abschluss-Kolloquium für das Cfaed I am 27. September 2019 an der TU Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Prof. Gerhard Fettweis. Foto: Heiko Weckbrodt

Viel Potenzial im Gesundheitssektor: Physiotherapie per Exoskelett

Exoskelette mit KI und Internet-der-Dinge-Technologien aufzuwerten, sei inzwischen ein globaler Megatrend, schätzen auch die GMI-Experten in ihrer Analyse aus. Zudem sei demnächst ein verstärkter Einsatz im Gesundheitssektor zu erwarten. Denn neben dem Einsatz in Logistik, Bauwirtschaft, Industrie und Militär bieten die Außenskelette auch ganz neue Möglichkeiten, Lahme wieder laufen zu lassen, Patienten nach einem Unfall bei der Rehabilitation zu helfen und Rentner auf Trab zu bringen. Schön hat vor einiger Zeit der Dresdner Mobilfunk-Experte Prof. Gerhard Fettweis den Nutzen vernetzter Exoskelette auf den Punkt gebracht: „Wenn ich alt bin, will ich keinen Rollator schieben, sondern mich wie ein junger Hüpfer bewegen.“

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: German Bionic, GMI, Oiger-Archiv

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt