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Ifo: Fachkräftemangel ist nicht nur Gefahr, sondern auch eine Chance

Prof. Joachim Ragnitz ist Stellvertretender Leiter der ifo-Niederlassung Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Prof. Joachim Ragnitz ist Stellvertretender Leiter der ifo-Niederlassung Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Demografischer Mangel könnte überfälligen Modernisierungsschub auslösen

Dresden, 14. März 2023. Der demografische Wandel und der daraus folgende Fachkräftemangel in Deutschland muss nicht zwingend zu einem Wohlstandsverlust führen, sondern kann auch längst überfällige Modernisierungen erzwingen. Darauf hat der Dresdner Ifo-Wirtschaftsforscher Prof. Joachim Ragnitz hingewiesen.

2040 rund 3,4 Millionen weniger Arbeitskräfte als heute verfügbar

„Gängige Sichtweise ist, dass der erwartbare Arbeitskräftemangel eine Bedrohung unseres Wohlstands darstellt“, argumentiert Ragnitz. Denn die Überalterung der deutschen Gesellschaft wird nach derzeitigen Prognosen dazu führen, dass sich der schon in einigen Branchen schon heute sichtbare Fachkräftemangel weiter verschärft und im Jahr 2040 rund 3,4 Millionen Arbeitskräfte weniger zur Verfügung stehen als heute. Auch durch qualifizierte Zuwanderung wird es nur schwer möglich sein, diese Lücke zu füllen.

Alternative: Arbeitskraftbedarf senken

Das aber hieße nach der bisher dominierenden Lesart, dass viele Aufträge und Entwicklungsvorhaben mangels geeigneten Leuten nicht mehr realisierbar sein werden und viele Betriebe sogar dicht machen müssen. Möglich sei aber auch der Weg, den Arbeitskräftebedarf zu senken: Wenn Politiker und Unternehmer auf die richtige Mischung aus Qualifizierung, Robotereinsatz und Investitionen in andere arbeitssparende Technologien setzen, dann könnte dieser chronische Personalmangel in der deutschen Wirtschaft und der gesamten Gesellschaft auch „einen Modernisierungsschub auslösen, den Deutschland so dringend braucht“, betont Ragnitz.

Politiker sollten sich nicht gegen Strukturwandel stemmen

Zwar werden der Fachkräftemangel und Lohnerhöhungen wohl in jedem Falle viele Unternehmen aus dem Markt kegeln – vor allem jene mit geringer Produktivität und hohem internationalen Wettbewerbsdruck. Doch auf lange Sicht könnten diese – regional sicher traumatischen – Betriebsschließungen auch ihr Gutes haben. Denn dann können nämlich Arbeitskräfte in produktivere und stabilere Unternehmen wechseln und dies oft sogar bei höheren Löhnen, hofft der Ökonom. Freilich bedeute dies auch Anpassungsdruck für die Arbeitnehmer, die dann weiter pendeln und sich umqualifizieren müssen. Die Politiker seien jedenfalls gut beraten, diesen Strukturwandel nicht aufzuhalten, sondern ihn beispielsweise durch Mobilität- und Umschulungsbeihilfen unterstützen würden. „Es wäre falsch verstandener Paternalismus“, warnt Ragnitz, „wenn die Politik dies ausschließlich sozialpolitisch flankieren oder gar durch Behinderung von Marktbereinigungsprozessen verhindern wollte“.

Quelle: Ifo Dresden berichtet

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt