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Handynetz als großer Frühwarn-Sensor gegen Sturzfluten

Dieses Themenfoto zeigt einen Mobilfunkmasten am südöstlichen Stadtrand von Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Mobilfunkmast bei Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Projekt „Howa Pro“: Sachsen bauen Hochwasser-Vorhersage für kleine, aber reißende Flüsse aus

Dresden, 28. Dezember 2022. Damit Anwohner mehr Zeit bekommen, vor tödlichen Sturzfluten wie im August 2002 im Müglitztal zu fliehen, entwickeln sächsische Wissenschaftler neue Hochwasser-Frühwarnsysteme für kleine Flüsse. Dabei kombinieren sie unter anderem moderne Vorhersagemodelle mit Radar-, Mobilfunk-, Richtfunk- und Sensordaten. Das Projekt „Innovative Methoden der Niederschlagsmessung und vorhersage im Einsatz für die Hochwasserfrühwarnung in kleinen Flusseinzugsgebieten“ (Howa) geht nun in eine Pilotphase mit praktischen Feldtests. Das Bundesforschungsministerium schießt dafür 1,43 Millionen Euro zu. Das hat das federführende Sächsische Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULG) in Dresden angekündigt.

Frühe Hilfe bei „extremen Regenereignissen“

„Die bisherigen Niederschlags- und Abflussvorhersagen für kleine Flusseinzugsgebiete sind räumlich und zeitlich oftmals zu ungenau“, betonen die LfULG-Experten. „Je kleinräumiger die Niederschläge bestimmt und vorhergesagt werden können, umso genauer die Hochwasserfrühwarnung und umso effektiver die Hochwasserbekämpfung bei lokal auftretenden extremen Regenereignissen.“ Solch ein Extremereignis war beispielsweise der Starkregen im Sommer 2002 gewesen. Die Wassermassen hatten am 12. August einen Damm in Glashütte brechen lassen. In der Folge verwüstete eine Flutwelle die Ortschaften im Müglitztal und tötete zwei Menschen.

Praxistests in Osterzgebirge, Vogtland und Lausitz

In der neuen, „Howa-Pro“ genannten Phase wollen die Partner nun ihre neuen Frühwarnmethoden in den drei Testregionen im Vogtland, im Osterzgebirge und in der Oberlausitz diversen Praxistests unterziehen. Um früher als bisher nahende Unwetter und Extremfluten an kleineren Flüssen wie der Müglitz vorauszusagen und die Anwohner warnen zu können, wären eigentlich sehr engmaschige und ununterbrochen messende Sensornetze im gesamten Land nötig. Da diese Sensoren aber bei weitem nicht so dicht gesät sind und auch das Wolkenradar des Deutschen Wetterdienstes nicht jede regionale Anomalie sofort erkennt, spannen nutzen die Projektpartner ein quasi bereits existierendes Gratis-Sensornetzwerk ein, das eigentlich für ganz andere Zwecke installiert wurde: Regentropfen stören nämlich kommerzielle Richtfunkstrecken (englisch: „Commercial Micowave Link“ = CML) zwischen Mobilfunkmasten. Diese Funkdämpfung lässt Rückschlüsse auf die Regenmengen zwischen den Masten zu. Neuentwickelte Computerprogramme rekonstruieren diese lokalen Regenfälle und rechnen die dabei oft auftretenenden Messfehler heraus und vergleichen die Befunde mit den Radarinformationen und anderen Daten.

Bessere Regenprognosen auch in Afrika möglich

Die Ingenieure hoffen im Übrigen, dieses System künftig auch außerhalb Deutschlands nutzbar zu machen: „Die entwickelten CML-Prozessierungsalgorithmen können später auch in Regionen ohne Radarabdeckung, wie zum Beispiel Westafrika, angewandt werden“, hieß es schon beim Vorgängerprojekt „Howa Innovativ“.

Auch Bürgernetze melden Regen

Neben dem Landesumweltamt beteiligen sich am Projekt „Howa-Pro“ der Deutsche Wetterdienst, die Unis Augsburg und Dresden. Mit an Bord ist auch die Softwareschmiede „Pikobytes“, die in Dresden unter anderem bereits ein offenes „Smartrain“-Regenmessnetz mit Bürgerbeteiligung unterhält.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: LfULG, Pikobytes

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt