Ausbau von H2-Instrastrukturen und Windkraft dauert womöglich länger als gehofft
Dresden, 23. Dezember 2022. Skeptisch hat sich der Dresdner Ifo-Forscher Prof. Joachim Ragnitz über die sächsische Wasserstoff-Strategie und Windkraftpläne geäußert. „Da ist viel Wunschdenken dabei“, ist der Ökonom überzeugt. Anders sehe es beim Ausbau der Photovoltaik aus, wo schnelle Zuwächse möglich seien.
Zu wenig Ökostrom verfügbar
Die sächsische Regierung hatte sich in ihrer Strategie darauf festgelegt, komplette Wertschöpfungsketten für eine ökologische Wasserstoff-Wirtschaft im Freistaat aufzubauen: von der Ökostrom-Erzeugung über den Bau von Großelektrolyseuren und den Handel bis hin zu Wasserstoff-Pipelines, -Verteilsystemen und Verwertung. Bisher hat das Land zwar viele hoffnungsvolle Ansätze für die Entwicklung und den automatisierten Bau von Elektrolyseuren und Brennstoffzellen, hat auch einen H2-Händler angesiedelt und subventioniert den H2-Pipeline-Bau durch „Ontras“. Auch gibt es verschieden Ansätze für wegweisende Applikationen wie beispielsweise Wasserstoff-Straßenbahnen. Doch bisher gibt es im Freistaat nicht mal ansatzweise genug Solar- und Windkraftanlagen, um den generellen Strombedarf zu decken – geschweige denn neue Verbraucher wie Megawatt-Elektrolyseure und große Elektroauto-Flotten zu versorgen.
Sachsen plant komplette Wasserstoff-Wertschöpfungsketten – inklusive Großerzeugung
Mitteldeutschland habe mit „Hypos“ und weiteren Netzwerken zwar relativ früh angefangen, neue Wasserstoff-Infrastrukturen aufzubauen, erklärt Prof. Ragnitz. Auch habe das Energieunternehmen Leag große Pläne, in der Lausitz für die Zeit nach dem Kohleausstieg zahlreiche Wind- und Solaranlagen mit einer Gesamtleistung in der Gigawatt-Klasse aufzubauen.
Viele Engpässe für Windkraft-Ausbau bleiben trotz Beschleunigungsplänen
Aber gerade der Windkraft-Ausbau werde womöglich länger dauern als gedacht, warnt der Forscher. „In der Vergangenheit hat es oft sieben Jahre von der Planung bis zur Realisierung gedauert“, sagt er. Trotz aller Beschleunigungs-Beschlüsse sei es schwer vorstellbar, diesen Zeitraum wirklich drastisch zu verkürzen: „Es gibt Engpässe bei Planung, Genehmigung, bei den Baustoffen und Installateuren“, argumentiert der Wirtschaftsforscher.
Auch Solarteure und PV-Module sind knapp – dennoch könnte Solarausbau schneller gelingen
Dies gilt mit Abstrichen zwar auch für die Photovoltaik (PV): Viele Solarpanel-Sorten sind knapp und Solarteure – also Solaranlagen-Installateure – noch mehr. Dennoch hält Ragnitz hier einen schnelleren Ausbau für möglich, gerade auch mit Blick auf neue staatliche Vorschriften, die Solardächer zum Standard bei Neubauten machen wollen.
Sachsen hinkt bei „Erneuerbaren“ hinterher
Unterm Strich aber hinkt Sachsen bei den erneuerbaren Energiequellen eher hinterher. Gemessen allein am elektrischen Energieverbrauch, lag bei der jüngsten Erhebung im Jahr 2019 der Anteil von Solar-, Wind- und anderem Ökostrom im Freistaat bei nur knapp 30 Prozent, deutschlandweit dagegen bei 42 Prozent. Kohle- und Gasverstromung sind für die sächsische Wirtschaft weiterhin zentrale Versorgungssäulen. So dürfte es noch ein weiter Weg sein, bis genug überschüssiger Ökostrom in Sachsen verfügbar ist, um damit massenhaft per Elektrolyse Wasser in Sauer- und Wasserstoff zu zerlegen.
Wieviel Ressourcen in parallele Infrastrukturen stecken
Zudem stelle sich die Frage, so Ragnitz, wieviel Ressourcen-Einsatz sich wirklich lohnt, um in Deutschland neben dem klassischen Tankstellennetz noch parallel zwei alternative Tank- beziehungsweise Lade-Infrastrukturen aufzubauen: einerseits Ladesäulen für Elektrofahrzeuge und anderseits H2-Tankstellen für wasserstoffbetriebene Laster, Busse, Züge und Autos.
Autor: Heiko Weckbrodt
Quellen: Ifo Dresden, Heinrich-Böll-Stiftung, Oiger-Archiv
Ihre Unterstützung für Oiger.de!
Ohne hinreichende Finanzierung ist unabhängiger Journalismus nach professionellen Maßstäben nicht dauerhaft möglich. Bitte unterstützen Sie daher unsere Arbeit! Wenn Sie helfen wollen, Oiger.de aufrecht zu erhalten, senden Sie Ihren Beitrag mit dem Betreff „freiwilliges Honorar“ via Paypal an:
Vielen Dank!
Du muss angemeldet sein, um einen Kommentar zu veröffentlichen.