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Krimi „Transatlantik“: Im Visier von SS und Rache-Gangster

Umschlag von "Transatlantik". Abb.: Piper-Verlag

Umschlag von „Transatlantik“. Abb.: Piper-Verlag

Volker Kutscher spinnt im 9. Babylon-Berlin-Krimi transkontinentale Intrigen

Um den SS-Schergen zu entgehen, die ihn jagen, steigt der verfemte Kommissar Gereon Rath in den Zeppelin „Hindenburg“- nicht ahnend, in welch feurige Gefahr er sich damit begibt. Unterdessen baut an seinem Ziel in den USA ein alter Kontrahent mit Chemie-Knowhow aus Deutschland ein neues Heroin-Imperium auf. Derweil stolpert Gereons scheinverwitwete Charlotte mitten in ein mörderisches Intrigenspiel von Sicherheitsdienst und einem rachsüchtigen Gangsterboss – und ermittelt dem ermordeten Ex-Geliebten ihrer verschwundenen Freundin Greta hinterher… Der geneigte „Babylon Berlin“-Freund ahnt es schon: Krimiautor Volker Kutscher hat fleißig in die Tasten gegriffen und nun mit „Transatlantik“ seinen neunten Gereon-Rath-Roman vorgelegt.

Spielräume schwinden nach Untergang der Republik

Darin spinnt er wieder ein raffiniertes Netz aus kriminellen Verwicklungen und persönlichen Tragödien im Deutschland der Jahre 1936/37, das inzwischen schon ziemlich fest in der Hand der Nazis ist. Charlotte und ihre ehemaligen Kollegen Lange und Böhm versuchen zwar, die Rivalitäten der brauen Bonzen untereinander auszunutzen, doch ihre Spielräume schrumpfen nach der Olympiade in Berlin immer stärker. Das gilt auch für Und derweil fliegen geheime Nachrichten und Aufträge über dem Atlantik hin und her, verdichtet sich ein Komplott, dessen Hintergründe sich zwei Kontinente verstreuten Protagonisten erst langsam erschließen. Dabei verwebt Kutscher seine Thriller-Story mit detailverliebten Alltagsgeschichten aus dem sogenannten „Dritten Reich“, mit politischen und sozialen Erzählsträngen, die seinen Romane seit jeher eine besonders dichte Atmosphäre verschafft haben.

Fazit: Faszinierend – aber Gereon nur noch auf dem Nebengleis

Das wirkt anfangs etwas zerfasert – auch weil Kutscher sich eben weniger als früher auf Gereon Rath fokussiert, sondern eben viele Erzählstränge und Akteure verfolgt. Zeitweise drängt sich der Eindruck auf, als ob Kutscher seinen ambivalenten Hauptprotagonisten mittlerweile nur noch notgedrungen als Nebenerzählstrang mit sich herumschleppt. Letztlich verdichten sich die viele Story-Fäden aber dann doch mit jedem Kapitel zu einem spannenden Krimi – auch wenn manch „überraschende“ Wendung vorausschaubar ist. Längst hat Kutscher dabei die beschwingte, widersprüchliche, schrille und fraktionierte Weimarer Republik verlassen. Düster sind seine Bücher geworden – wobei „Transatlantik“ im direkten Vergleich zum Vorgänger „Olympia“ nicht ganz so hoffnungslos und brutal daherkommt. Wohin Deutschland danach steuerte, wissen wir aus den Geschichtsbüchern. Wie es mit Gereon, Charlotte, Fritz, Hannah und all den anderen „Mehr oder minder“-Sympathieträgern weitergeht, bleibt angesichts einiger losen Enden im 9. Rath-Krimi spannend. Und abzuwarten bleibt, ob Autor Kutscher und Illustrator Kat Menschik aber erst mal wieder eine graphische Novelle einschieben, während wir nun Band 10 entgegenfiebern.

Kurzüberblick

  • Autor: Volker Kutscher
  • Titel: „Transatlantik“ (Gereon-Rath-Roman bzw. „Babylon Berlin“-Buch Nr. 9)
  • Genre: Krimi, Geschichtsthriller
  • Verlag: Piper
  • Veröffentlichung: 2022
  • Preis: E-Buch 20 Euro, gebundene Ausgabe 26 Euro
  • EAN 978-3-492-07177-2 (Analog) bzw. 978-3-492-602921 (eBook)
  • Eine Leseprobe gibt es hier

Autor der Rezension: Heiko Weckbrodt

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt