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Schnitzt bald Meister Roboter den Nussknacker?

In einer Ecke der Riesenhallen des ehemaligen Heckert-Kombinats hat das ICM ein Robotik-Labor eingerichtet - hier eine Roboterzelle mit Sensoren und Ausleuchtung. Foto: Heiko Weckbrodt

In einer Ecke der Riesenhallen des ehemaligen Heckert-Kombinats hat das ICM ein Robotik-Labor eingerichtet – hier eine Roboterzelle mit Sensoren und Ausleuchtung. Foto: Heiko Weckbrodt

Chemnitzer Institut ICM registriert wachsendes Automatisierungs-Interesse im Erzgebirge

Chemnitz, 29. September 2021. Wann Kollege Roboter wohl anfängt, die Weihnachtspyramiden und Nussknacker für den Striezelmarkt gleich selbst zu schnitzen? Womöglich liegt dieser Punkt gar nicht mehr so weit in der Ferne und wird womöglich nur die Furcht der Seiffener Meister gebremst, keinen kunsthandwerklichen Argumente mehr gegen die chinesische Industrieware ins Feld führen zu können. Denn eines zeichnet sich bereits ab: Das Interesse erzgebirgischer Kleinbetriebe und Handwerker am Robotereinsatz steigt. Das zumindest haben Dr. Sebastian Ortmann und seine Kollegen vom privatwirtschaftlichen „Institut Chemnitzer Maschinen- und Anlagenbau“ (ICM) in jüngster Zeit immer wieder festgestellt.

Sebastian Ortmann leitet das ICM in Chemnitz. Foto: Heiko Weckbrodt

Sebastian Ortmann leitet das ICM in Chemnitz. Foto: Heiko Weckbrodt

Kaum noch Personal für monotone Arbeit zu finden

„Gerade im Erzgebirge gibt es viele Betriebe, in denen der Anteil manueller Arbeit heraus immer noch groß ist“, berichtet Institutsleiter Ortmann. Das hänge mit Traditionen zusammen, aber auch mit den lange Zeit recht niedrigen Löhne in diesem Teil Sachsens. Doch das ändert sich nun – und der Druck auf alteingesessene Unternehmen steigt, künftig mehr Roboter anzuschaffen. „Die steigenden Lohnkosten, aber auch der Fachkräftemangel sind für viele Firmen eine starke Triebfeder, nun doch zu automatisieren.“ Dabei wirkt nicht nur der demografische Wandel, der für weniger Azubis und Facharbeiter auf dem Lehr- und Arbeitsmarkt sorgt, sondern auch veränderte Erwartungen junger Menschen im Erzgebirge an ihren Lebensweg: „Es wird für die Betriebe zum Beispiel immer schwerer, Personal für monotone Tätigkeiten zu finden.“ Und gerade langweilige, strapaziöse und unergonomische Arbeitsplätze sind eben die ersten Kandidaten für Nachautomatisierung und Robotereinsatz.

Video: Roboter im ICM-Schulungszentrum
Autor: Heiko Weckbrodt

Roboter-Schulungslabor in ehemaliger Heckert-Halle eingerichtet

Wie das auch in kleinen Betrieben funktionieren kann, zeigen die ICM-Experten ihren Kunden aus der Wirtschaft seit einiger Zeit in einem speziellen „Schulungs- und Anwendungszentrum“ (SchAz): In einer der elf riesigen Werkhallen des verflossenen Heckert-Werkzeugmaschinenkombinats haben sie in einer Ecke eine Art Roboterlabor aufgebaut: Stählerne Gesellen, die beispielhaft Farbstecker oder Kulis sortieren oder Bauteile zu einer Maschine transportieren.

Losgröße 1: Roboter biegt unermüdlich Draht-Unikate zurecht

Praxisbeispiele haben die ICM-Spezialisten auch schon einige geschaffen: Beispielsweise Roboter, die Einzelanfertigungen von Drahtteilen Tag und Nacht zurechtbiegen, Kleberoboter für Glasereien und dergleichen mehr. Und ja, es habe auch schon aus dem Holzkunst-Sektor Anfragen gegeben, bestätigt Sebastian Ortmann: Da Stand zur Debatte, ob und wie Roboter zum Beispiel automatisch Pyramidenflügel zurecht sägen könnten. Der robotische Volkskunstsäger wurde letztlich nicht realisiert. Das lag einerseits am bereits geschilderten Selbstverständnis vieler Erzgebirgler, mit ihren eigenen Händen und eben nicht durch Maschinen Kunsthandwerk zu erschaffen.

Viele Techniker schwören immer noch auf zuverlässige Kawaski-Roboter, obgleich vielerorts inzwischen andere Hersteller dominieren. Hier ein Blick ins ICM-Robotiklabor in Chemnitz. Foto: Heiko Weckbrodt

Viele Techniker schwören immer noch auf zuverlässige Kawaski-Roboter, obgleich vielerorts inzwischen andere Hersteller dominieren. Hier ein Blick ins ICM-Robotiklabor in Chemnitz. Foto: Heiko Weckbrodt

Kapitalmangel bremst Nachautomatisierung aus

Anderseits fehlen vielen Betrieben in der Region aber auch einfach die Kapitalreserven für groß angelegte Automatisierungslösungen. Deshalb versichern Ortmann und seine Kollegen ihren Kunden immer wieder, dass man auch „ganz klein“ mit den Robotern anfangen können. Doch letztlich würden sie sich auch mehr staatliche Unterstützung wünschen: etwa, indem die sächsische Regierung auch die Automatisierung in den Betrieben stärker gefördert würde.

Aus Lobbyverband entwickelte sich das ICM zum privaten Forschungsinstitut

Dabei versteht sich das ICM aber eher als wissenschaftlich-technologischer Mittler zwischen kleinen und mittelständischen Unternehmen, den großen Forschungsleuchttürmen im Freistaat und den vielen Fördergeldgebern auf ganz unterschiedlichen Ebenen. Entstanden war das Institut 1992 als Interessenverband von Sondermaschinenbauern im Chemnitzer Raum, profilierte sich ab 2006 aber immer mehr auf industrienahe Auftrags-Forschung und Entwicklung. Ähnlich wie viele andere Privatinstitute im Freistaat wurde das ICM dann auch Mitglied in der Zuse-Gemeinschaft und in der „Sächsischen Industrieforschungsgemeinschaft“ (SIG). Mittlerweile hat das ICM rund 60 Beschäftigte und kommt auf knapp fünf Millionen Euro Jahresumsatz. Da als Verein organisiert, arbeitet das Institut allerdings nicht profitorientiert, sondern reinvestiert seine Erlöse.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: ICM, Oiger-Archiv

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt