Cobot soll Sexprobleme nach missglückten Eingriffen vermeiden
Dresden, 18. März 2021. Mediziner und Ingenieure lernen derzeit in Dresden eine künstliche Intelligenz (KI) an, die künftig als Operations-Assistentin menschliche Chirurgen bei diffizilen Darm-OPs hilft. Vor allem soll „Cobot“ dafür sorgen, dass bei Tumor-Eingriffen am Enddarm keine Nerven zerstört werden, die beispielsweise den Darm-Schließmuskel, Erektionen und andere sexuelle Funktionen steuern. Das geht aus einer Mitteilung des „Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen“ (NCT) Dresden hervor.
Jährlich 60 Darmkrebs-OPs in Uniklinik Dresden – meist mit Roboterhilfe
„Wir erwarten uns davon, dass die Qualität vieler Tumor-Operationen im Bereich des Enddarms künftig signifikant steigt“, erklärt Prof. Jürgen Weitz – er ist einer der NCT-Direktoren und selbst ein erfahrener Bauchchirurg. An der Klinik für Viszeral-, Thorax- und Gefäßchirurgie des Universitätsklinikums Dresden nehmen er und seine Kollegen pro Jahr rund 60 Enddarmkrebsoperationen vor, meist mithilfe des OP-Roboters „Da Vinci“. Dieser Roboter operiert aber nicht selbst: Er übersetzt die Bewegungen des Chirurgen, der an einem Bildschirm-Terminal mit Hebeln und Pedalen sitzt, in präzise, kleine und zitterfreie Schnitte. „Trotz dieser hervorragenden Möglichkeiten, entscheidet weiterhin in hohem Maße die Erfahrung des einzelnen Chirurgen über die Qualität des Eingriffs“, betont Weitz. „Unser Anspruch ist es, den Operateur künftig noch stärker bei seiner schwierigen Aufgabe zu unterstützen und die Qualität der Behandlung flächendeckend zu erhöhen.“
Video über die KI-Hilfe bei der Darmkrebs-OP (Video: UKD):
Jeder Zweite leidet nach Operation unter Inkontinenz
Denn ein Misserfolg bei einer Enddarm-OP kann die Lebensqualität der Betroffenen erheblich beeinträchtigen: Fast jeder zweite Patient leidet nach einer Enddarmkrebs-Operation langfristig unter schwerer Stuhlinkontinenz und etwa 30 Prozent unter sexuellen Funktionseinschränkungen.
Neuronales Netz lernt, wo der Darm aufhört und die Nerven beginnen
Um dies zu ändern, haben sich das NCT, das Uniklinikum Dresden und die Fakultät Elektro- und Informationstechnik der TU Dresden zum „Cobot“-Projekt des „Else Kröner Fresenius Zentrums (EKFZ) für Digitale Gesundheit“ zusammengetan. Dafür trainieren sie nun ein künstliches neuronales Netz mit OP-Daten. Bisher hat sich „Cobot“ bereits rund 40 Operations-Videos mit jeweils bis zu zehn Stunden Dauer angeschaut. Dadurch lernt die KI, wo Darmschichten und wo Nerven verlaufen, wie tief der Chirurg mit dem „Da Vinci“ schneiden darf und dergleichen mehr. Künftig wird das System aus diesen Erfahrungen heraus und mithilfe von individuellen Patientendaten angepasste Computermodelle vom Darmraum des jeweiligen Patienten erstellen. Dieses Modell soll Cobot dann in Konturen über die Kameradaten wie eine erweiterte Realität (AR) projizieren, die der Chirurg auf dem „Da Vinci“-Bildschirm stellt. Dadurch kann der Arzt oder die Ärztin dann beispielsweise leichter erkennen, ob er oder sie mit den Instrumenten zu nahe an eine Nervenbahn kommt.
OP-Start ab 2022
„In den kommenden Monaten werden wir das System mit weiteren Daten füttern“, kündigte die klinische Projektleiterin Dr. Fiona Kolbinger an. „Im nächsten Jahr soll es dann im Rahmen einer Studie bei realen Operationen getestet werden.“
Laut NCT bekommen jährlich rund 58.000 Menschen in Deutschland die Diagnose „Darmkrebs“. Ein Drittel davon hat Enddarm-Tumore.
Autor: hw
Quelle: NCT
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