BBC-Serie reist 15 Jahre in eine populistische, entmenschlichte Zukunft
Was geschieht mit der Welt, wenn skrupellose Demagogen weltweit in der Politik die Überhand gewinnen? Der britische Autor Russell T. Davies („Dr. Who“, „Torchwood“) gibt in seiner – nun auch in Deutschland fürs Heimkino erschienenen – dystopischen BBC-Serie „Years and Years“ eine sehr pessimistische Antwort: Dann steht bald „die ganze Welt in Flammen“, lässt er die populistische Politikerin Viv Rook (glänzend: Emma Thompson) prophezeien.
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Die Handlung: Familie Lyons im Sturm der neuen Zeit
Im Mittelpunkt der Story stehen eine britische Familie und ihre tragischen Verluste im Sturm der neuen Zeit. Die Lyons sind demonstrativ „divers“: Der weiße Banker Stephen (Rory Kinnear, „James Bond“) hat die schwarze Buchhalterin Celeste (T’Nia Miller) geheiratet. Ihre Tochter Bethany (Lydia West) ist netzvernarrt, will ihren Körper loswerden und in die Cloud hochladen. Stephens Schwester Rosie (Ruth Madeley) sitzt im Rollstuhl, seine andere Schwester Edith (Jessica Hynes) turnt als radikale Aktivistin in der Weltgeschichte herum und sein Bruder Daniel (Russell Tovey) ist schwul.
„Jetzt habe ich nur noch Angst“
Das Rad der Geschichte beginnt sich zu drehen, als Rosie ein zweites Baby zur Welt bringt. Als Onkel Daniel das kleine Wesen im Krankenhaus in die Arme nimmt, überfällt ihn die Panik: „Bis 2008 war alles gut“, flüstert er Baby Lincoln zu. „Politik war öde. Und jetzt? Jetzt habe ich nur noch Angst.“
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Ekstatischer Tanz in den Untergang
Und Zukunftsfurcht ist auch ein Grundmotiv dieser Miniserie: Angst vor Klimawandel, vor dem Niedergang von Menschlichkeit und Toleranz, vor skrupellosen Populistinnen wie Viv Rook. Und je weiter wir mit jeder Folge von 2019 aus im Eiltempo 15 Jahre in die Zukunft reisen, desto mehr toppt die Wirklichkeit all diese Ängste. Alles geht den Bach herunter: Donald Trump schmeißt in den letzten Tagen als US-Präsident eine Atombombe auf eine künstliche Insel, die China vor Vietnams Küste aufgeschüttet hat. Viv Rook wird Premierministerin und lässt „unnütze“ Menschen in geheimen KZs verschwinden. Stephen verliert Haus, Geld, Bruder und Familie. Endzeitregen flutet monatelang England. Immer öfter geht das Licht aus, die Infrastruktur verfällt. Ghetto-Mauern trennen arme und reiche Viertel in London. Und die Briten? Sie tanzen ekstatisch in den Untergang.
Oma sagt: „Das ist die Welt, die wir selbst erschaffen haben“
Kein Zweifel: „Years and Years“ ist ein polemisches Plädoyer gegen einen globalen gesellschaftlichen Wandel, den wir gerade erleben. Eine Warnung vor den Langzeitfolgen, die populistische Politiker anrichten können. „Das ist die Welt, die wir selbst erschaffen haben“, sagt Oma Muriel mitten in der Apokalypse, als das Jahr 2034 naht. Damit artikulieren die Akteure eine offensichtliche Aufforderung an die Zuschauer, es gar nicht erst dazu kommen zu lassen.
Fazit: Polemisch – aber fesselnd
Der politische Impetus und die plakative Diversität in „Years and Years“ wirken manchmal arg dick aufgetragen, das Serienende zudem etwas sentimental. Doch der entscheidende Punkt ist: Selbst wenn man die politischen Positionen der Macher nicht immer teilen mag, so ist „Years and Years“ doch enorm gut gemacht, großartig besetzt, oft ziemlich spannend – und ein sehr berechtigter Anstoß, noch einmal darüber nachzudenken, was wir wollen und was nicht.
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Kurzüberblick:
- Titel: „Years and Years“
- Genre: Polit- und Dramaserie
- Autor: Russell T. Davies
- Regie: Simon Cellan Jones, Lisa Mulcahy
- Darsteller: Emma Thompson, Rory Kinnear, Lydia West u. a.
- Produktionsland und -ort: UK 2019
- Deutsche Veröffentlichung: Studiocanal, Oktober 2020
- Altersfreigabe: FSK 12
- Preis: 17 Euro (Videostrom), 22 Euro (Bluray), 19 Euro (DVD)
Autor der Rezension: Heiko Weckbrodt
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