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TU-Forscher bauen künstliche Neuronen aus Nanodraht und Silizium-Gel

Neurotransistoren können sich wie die Neuronen im menschlichen Gehirn immer wieder umprogrammieren und neu vernetzen, um zu lernen. Grafik: TUD

Neurotransistoren können sich wie die Neuronen im menschlichen Gehirn immer wieder umprogrammieren und neu vernetzen, um zu lernen. Grafik: TUD, E. Baek

Bausteine für lernfähige neuromorphe Computer, die sich selbst umbauen können

Dresden, 28. Mai 2020. Aus winzigen Nanodraht-Transistoren lassen sich anpassungsfähige Computer bauen, die ähnlich wie das menschliche Gehirn an ihren Aufgaben wachsen. Das haben Nanotech-Forscher der TU Dresden gemeinsam mit internationalen Kollegen nachgewiesen. Solche „neuromorphen“ Rechner werden zum Beispiel für Künstliche Intelligenz, in autonom fahrenden Autos, in der Bilderkennung und für andere Analyseaufgaben benötigt, für die klassische Computer zu viel Zeit und Energie verbrauchen.

Wie das Gehirn auch Aufgaben lösen, für die man nie gebaut wurde

„Eines der erklärten Ziele der Forschung im Bereich des neuromorphen Rechnens besteht darin, die selbstorganisierende und selbstregulierende Natur des Gehirns in Schaltkreisen wie auch in Materialien abzubilden – daher die Bezeichnung neuromorph“, erklärte Prof. Gianaurelio Cuniberti, der an der TU Dresden den Lehrstuhl für Materialwissenschaft und Nanotechnik leitet. Durch ihre Lernfähigkeit können sie auch Aufgaben lösen, für die sie ursprünglich gar nicht gebaut und programmiert wurden.

Prof. Gianauerlio Cuniberti von der TU Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Prof. Gianauerlio Cuniberti von der TU Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Nanodrähte mit Gel beschichtet und mobilen Ionen dotiert

Um dies zu erreichen, haben die Dresdner Forscher Minischalter (Transistoren) aus winzig kleinen Siliziumdrähten konstruiert und dann mit einem Silizium-Gel (Sol-Gel) beschichtet, in dem sich mobile Atomrümpfe (Ionen) bewegen können. Diese Neurotransistoren ähneln den Neuronen im menschlichen Gehirn, die sowohl rechnen wie auch Daten speichern können und zum Beispiel neue Aufgaben-Lösungen lernen, indem sie sich immer neu vernetzen. Insofern simulieren diese künstlichen Neuronen eine wichtige Eigenschaft der Natur: Plastizität. Dies meint hier die Fähigkeit, den eigenen Aufbau und ihre Funktion abhängig von Eindrücken und Aufgaben aus der Außenwelt zu verändern. Bei einem klassischen Computer wäre das so, als der seine Schaltkreise selbst immer wieder umlöten würde.

Internationales Kooperationsprojekt

Konstruiert haben die Forscher ihre neuen Neurotransistor so, dass er perspektivisch in normalen Chipfabriken auch in Serie gehen kann: Auf Siliziumscheiben (Wafer) in der Silicon-on-Insulator-Variante (SOI), wie sie ähnlich auch Globalfoundries Dresden verarbeitet. Am Projekt beteiligt waren neben dem Cuniberti-Team außerdem Prof. Ronald Tetzlaff vom TU-Lehrstuhl Grundlagen der Elektrotechnik, das Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf sowie Forscher aus Peking, Kalkutta, Pohang und Berkeley.

Neuromorphe Computer weltweit ein Trendthema

An künstlichen Neuronen und gehirnähnlichen Computern arbeiten weltweit viele Forscher und Ingenieure. Auch an der TU Dresden gibt es Forschungsgruppen mit ähnlichen Zielen, aber anderen Lösungsansätzen. Prof. Christian Mayr zum Beispiel baut schon neuromorphe Computer, verwenden dafür aber Arm-Prozessoren, die die Eigenschaften von Neuronen mit Softwarehilfe simulieren.

Autor: Oiger

Quellen: TUD, Wikipedia, Ionics

Wissenschaftliche Publikation:

„Intrinsic plasticity of silicon nanowire neurotransistors for dynamic memory and learning functions“ von Eunhye Baek, Nikhil Ranjan Das, Carlo Vittorio Cannistraci, Taiuk Rim, Gilbert Santiago Cañón Bermúdez, Khrystyna Nych, Hyeonsu Cho, Kihyun Kim, Chang-Ki Baek, Denys Makarov, Ronald Tetzlaff, Leon Chua, Larysa Baraban & Gianaurelio Cuniberti in: „Nature Electronics“ (2020).

Nature-Artikel hier

https://doi.org/10.1038/s41928-020-0412-1

 

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt