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WTZK Dresden: Vom Militär-Fahrtrainer bis zum Taxi-Bordrechner

Das Archivbild zeigt einen Taxtifahrer, der das Taxameter Botax 80 aus dem WTZK Dresden testet. Foto: WTZK / VEB Taxi Dresden, Repro: Heiko Weckbrodt

Das Archivbild zeigt einen Taxtifahrer, der das Taxameter Botax 80 aus dem WTZK Dresden testet. Foto: WTZK / VEB Taxi Dresden, Repro: Heiko Weckbrodt

Ein Forschungsbrüter für den DDR-Kraftverkehr im Überblick

Dresden, 29. Januar 2019. Die Forschungslandschaft der DDR war weit weniger monolithisch, als sie gelegentlich im Rückblick erscheint: Zwischen der Grundlagenforschung in den Unis und in der Akademie der Wissenschaften auf der einen Seite und den anwendungsnahen Entwicklungsabteilungen der Kombinate gab es mit den „Wissenschaftlich-technischen Zentren“ eine Zwischenschicht. Diese Zentren erledigten jeweils für eine ganze Branche der DDR-Wirtschaft Forschungsprojekte, für die die einzelnen Betriebe keine Ressourcen hatten. Zu diesen besonderen Einrichtungen gehörte auch das „Wissenschaftlich-Technisches-Zentrum des Kraftverkehrs“ (WTZK) in Dresden, das als Volkseigener Betrieb (VEB) organisiert war. Dessen Arbeit haben Andreas Kretschmer und Eberhard Treufeld inzwischen dokumentiert, auf diese Ausarbeitungen sowie Zeitzeugenberichte stützt sich auch dieses Kurzporträt.

Den „Fabus 1“ entwickelte das WTZK-Kollektiv als Fahrscheindrucker für DDR-Fernbusse. Foto: Heiko Weckbrodt

Den „Fabus 1“ entwickelte das WTZK-Kollektiv als Fahrscheindrucker für DDR-Fernbusse. Foto: Heiko Weckbrodt

Erzeugnisse kursieren heute im Internet und in Museen

Das WTZK war demnach in der Verkehrsingenieurs-Hochburg Dresden angesiedelt, aber dem Ministerium für Verkehrswesen der DDR direkt unterstellt. Dessen Entwicklungen sind heute nur noch in Sammelbörsen im Internet oder in Museen wie den Technischen Sammlungen Dresden (TSD) zu finden, brachten den Kfz-Betrieben der DDR seinerzeit aber teils große Fortschritte, die sie aus eigener Kraft kaum geschafft hätten. Dazu gehören beispielsweise der erste Taxi- Bordrechner der DDR, das 1982 bis 1984 entwickelte „Botax 80“, oder auch mit dem „Fabus 1“ ein Fahrscheindrucker für Fernbusse, den das WTZK von 1983 bis 1987 entwickelte. Auch Kraftstoffverbrauchsmessgeräte für die DDR-Autos Trabi und Wartburg sowie ein Reaktionstestgerät für Militär-Fahrschüler gehörten zu den Projekten der Dresdner.

Karlheinz Otte (links) leitete über viele Jahre den VEB Taxi Dresden. In den 1980ern erprobten seine Fahrer als erste das elektronische Taxameter "Botax 80", das das WTZK-Kollektiv von Dr. Eberhard Treufeld (rechts) entwickelt hatte. Foto Heiko Weckbrodt

Karlheinz Otte (links) leitete über viele Jahre den VEB Taxi Dresden. In den 1980ern erprobten seine Fahrer als erste das elektronische Taxameter „Botax 80“, entwickelt vom WTZK-Kollektiv von Dr. Eberhard Treufeld (rechts). Foto Heiko Weckbrodt

Wurzeln reichen bis 1960 zurück

Die Wurzeln des WTZK reichen bis in die Ära des technologiebegeisterten SED-Parteichef Walter Ulbricht zurück: Schon zwei Vorgänger-Einrichtungen hatten sich um ähnliche, wenn auch nicht ganz so anspruchsvolle Forschungsvorhaben gekümmert: Im Mai 1960 war die Versuchs- und Entwicklungsstelle des Kraftverkehrs (VES-K) entstanden und im Juli 1971 das Ingenieurbüro für Rationalisierung des Kraftverkehrs (IbRK).

Walter Ulbricht. Abb.: hw

Walter Ulbricht. Abb.: Stasimuseum Berlin

Bis zu 200 Experten mit 6 Schwerpunkten

Am 1. Januar 2019 verschmolzen diese Stellen zum WTZK mit zunächst 186 Ingenieuren, Technikern und anderen Mitarbeitern. Organisiert waren sie in sechs Forschungs-Abteilungen mit folgenden Schwerpunkten:

  • Straßengütertransport
  • Stadt- und Überlandverkehr mit Omnibussen
  • Fahrzeuginstandhaltung
  • Technische Anlagen und Geräte
  • Informationsprozesse und Management
  • T4 (Entwicklung Mikroelektronik)

Chipproduktion im VEB Mikroelektronik Erfurt 1989. Abb.: Hirndorf, Bundesarchiv, Wikipedia

Chipproduktion im VEB Mikroelektronik Erfurt 1989. Abb.: Hirndorf, Bundesarchiv, Wikipedia

Zwei-Mann-Außenstelle an der Chip-Quelle

Hauptsitz war ein Altbau in der Friedrich-Engels-Straße 2 (alias Königstraße) in Dresden, heute beherbergt das Gebäude eine Filiale der Hypovereinsbank. Als die Mikroelektronik in der DDR an Bedeutung gewann, entsandte das Zentrum zudem zwei Halbleiter-Experten als WTZK-Außenstelle nach Erfurt, um besseren Zugang zur Chips und Know-how zu bekommen.

Ein Taxameter Botax 80 aus dem WTZK Dresden in den 1980er Jahren im Teststand. Foto: WTZK / VEB Taxi Dresden, Repro: Heiko Weckbrodt

Ein Taxameter Botax 80 aus dem WTZK Dresden in den 1980er Jahren im Teststand. Foto: WTZK / VEB Taxi Dresden, Repro: Heiko Weckbrodt

Gruppenleiter: „Niveau kann sich bis heute sehen lassen“

„Das technische Niveau unserer Erzeugnisse kann sich bis heute noch durchaus sehen lassen“, ist der ehemalige WTZK-Gruppenleiter Dr.-Ing. Eberhard Treufeld überzeugt. Richtig einschätzen könne der heutige Betrachter diese Leistungen aber nur „im damaligen internationalen Kontext“, betont Treufeld: „Die ersten Prototypen entstanden Anfang 1980. Zu der Zeit gab es in Europa kein frei zugängliches Internet, die neuesten PCs waren mit Floppydisk, einer Festplatte mit 20 Megabyte Speicher und dem Betriebssystem MSDOS ausgestattet.“

Stunden waren auf Ferntelefonate, Datenblätter nur durch Beziehungen

Sehr kompliziert sei es damals gewesen, an passende elektronische Bauelemente für die Eigenentwicklungen des Kraftverkehrs heranzukommen, erinnert sich auch Andreas Kretschmer. In der Vor-Internet-Zeit sei auch die Beschaffung von Informationen sehr schwierig gewesen. „Beispielsweise das Versorgen von notwendigen Datenblättern, also die technischen Beschreibungen, Kennlinien, Schaltungen, Betriebsbedingungen usw. waren in der Regel nur auf Messen oder durch persönliche Beziehungen zu bekommen.“ Um mit Kopperationspartnern telefonieren zu können, mussten die Ingenieure diese Anrufe vorab im Fernamt anmelden – und dann oft mehrere Stunden warten. Nur ein einziger Rechner – ein Westimport – habe ab 1987 dem ganzen Zentrum zur Verfügung gestanden.

Wartburg, Moskwitsch, Lada und Co. gehörten zum typischen Fuhrpark von DDR-Betrieben. Foto: WTZK / VEB Taxi Dresden, Repro: Heiko Weckbrodt

Wartburg, Moskwitsch, Lada und Co. gehörten zum typischen Fuhrpark von DDR-Betrieben. Foto: WTZK / VEB Taxi Dresden, Repro: Heiko Weckbrodt

Keiner wollte helfen: Eigene Leiterplatten-Linie aufgebaut

„Die Leiterplattenproduktion war ebenfalls nur schwierig zu organisieren“, berichtet Kretschmer weiter. „Die damaligen Firmen wie Robotron oder das Leiterplattenwerk Gornsdorf hatten kaum wirtschaftliches Interesse, kleineren Einrichtungen wie uns zu helfen.“ Deshalb richteten das WTZK noch 1989, also kurz vor dem Zusammenbruch der DDR-Wirtschaft, eine eigene komplette Fertigungsstrecke für Leiterplatten im Altbau ein. Die Lötdämpfe habe man anfangs auf die Straße abgeleitet, entsinnt sich Andreas Kretschmer. Als dies immer mehr Probleme verursachte, habe das Zentrum die Dämpfe schließlich übers Dach abgeleitet.

Mit der DDR endeten auch die WTZs

Bis zur Wende wuchs die Belegschaft im WTZK auf rund 200 Mitarbeiter. Dann aber war Schluss: In den neuen Wirtschaftsstrukturen war für die wissenschaftlich-technischen Zentren der DDR-Branchen kein Platz mehr. Einige wandelten sich zu Privatinstituten, einige Mitarbeiter wurden von den neu entstandenen Fraunhofer-Instituten übernommen, andere gründeten private Ingenieurfirmen.

Als ISUP privatisiert

Ähnlich erging es auch dem WTZK in Dresden: Am 1. Mai 1990 entstand daraus die ISUP GmbH in stark verkleinerter Mannschaft. Als Ingenieurbüro existiert dieses Unternehmen auch heute noch.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen:

  • Eberhard Treufeld: „Eine unglaublich erfolgreiche Geschichte“ (unveröffentlichtes Manuskript)
  • Andreas Kretschmer: „Der Volkseigene Betrieb Wissenschaftlich-Technisches-Zentrum des Kraftverkehrs der Hauptverwaltung Kraftverkehr im Ministerium für Verkehrswesen der DDR (WTZK)“, Dokumentation, Dresden 2017, unveröffentlicht
  • Zeitzeugenberichte (Oiger)
Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt