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In der Fabrik der Zukunft wandeln die Digitalbrillenschlangen

Fraunhofer Dresden sieht Marktpotenzial für seine AR-Brillen zunächst in der Logistik

Eine Siemens-Mitarbeiterin testet die Aufrüstung einer Maschinen mit einer organischen AR-Brille vom Fraunhofer-Institut FEP Dresden. Die Brille zeigt ihr zusätzlich zur realen Umwelt computergenerierte Montageanleitungen. Foto: Siemens AG

Eine Mitarbeiterin testet die Aufrüstung einer Maschine mit einer organischen AR-Brille vom Fraunhofer-Institut FEP Dresden. Die Brille zeigt ihr zusätzlich zur realen Umwelt computergenerierte Montageanleitungen. Foto: Siemens AG

Dresden, 27. November 2018. Datenbrillen, die dem Träger „Augmentierte“ beziehungsweise „Erweiterte Realitäten“ (AR) zeigen, spielen in deutschen Fabriken bald eine wachsende Rolle. Davon ist Dr. Uwe Vogel vom Fraunhofer-Institut für Organische Elektronik, Elektronenstrahl- und Plasmatechnik (FEP) in Dresden überzeugt. Daher haben er und seine Kollegen spezielle Mini-Bildschirme aus organischen Leuchtdioden (OLEDs) entwickelt. Mit diesen Displays lassen sich sehr leichte AR-Brillen konstruieren, die sich durch Augenbewegungen steuern lassen und auch besonders hochauflösende Bilder anzeigen können.

Erhebliche Effizienzschübe erwartet

„Wir sehen dafür in naher Zukunft vor allem in der Transportlogistik viel Potenzial“, schätzte Uwe Vogel ein. „Dort können unsere Brillen für erhebliche Effizienzsteigerungen sorgen.“

Dr. Uwe Vogel vom Fraunhofer-Institut FEP Dresden zeigt, wie er sich den Einsatz seiner OLED-Datenbrille im Industrieeinsatz vorstellt. Foto: Heiko Weckbrodt

Dr. Uwe Vogel vom Fraunhofer-Institut FEP Dresden zeigt, wie er sich den Einsatz seiner OLED-Datenbrille im Industrieeinsatz vorstellt. Foto: Heiko Weckbrodt

Hände frei durch Augensteuerung

In den hochautomatisierten Fabriken und Lagern der „Industrie 4.0“ sollen AR-Brillen beispielsweise Monteuren, Reparaturbrigaden und Logistikern helfen, rasch Ersatzteile für eine kaputte Anlage zu finden. Und da die Träger sowohl ihre reale Umgebung wie auch Konstruktionspläne per Computer vor ihren Augen eingespiegelt bekommen und dabei dennoch – dank Augensteuerung – die Hände freibehalten, können die Brillen die Arbeiter zum Beispiel auch Schritt für Schritt durch den Aufbau und die Ausrüstung einer neuen Maschine leiten.

Bis zum Endkonsumenten dauert’s noch zehn Jahre oder mehr

Auch in der Konsumelektronik, also etwa für Spiele, sieht der Fraunhofer-Experte einige Marktchancen. „Das wird aber wahrscheinlich noch zehn bis 20 Jahre dauern, bis diese OLED-Brillen im Konsumentenumfeld ankommen.“ Das mag auch daran liegen, dass diese speziellen organischen Brillen teuer sind als die meisten heutigen AR-Brillen, wie sie beispielsweise die Hochschule Zwickau anbietet.

Die Datenbrille für den Industrieeinsatz. Foto: Westsächsische Hochschule Zwickau

Die Datenbrille für den Industrieeinsatz. Foto: Westsächsische Hochschule Zwickau

Auflösungen bis zu 3000 ppi erreicht

Denn der Aufbau ist aufwendig: Die Dresdner Ingenieure kombinieren hier hauchdünne organische Funktionsschichten mit Silizium-Elektronik. Die so erzeugten Displays können laut Vogel bis zu 3000 Bildpunkte pro Zoll (ppi) darstellen – etwa fünfmal soviel wie marktübliche Datenbrillen. Insofern lassen sich damit nicht nur AR-Brillen konstruieren, sondern komplexe „Virtuelle Realitäten“ darstellen, in die der Träger ganz und gar eintaucht, ohne noch seine Umwelt zu sehen.

Smartphone dient als mobiler Leitrechner

Direkt in den Bildschirm integrieren die Fraunhofer-Spezialisten kleine Kameras, die die Augenbewegungen des Trägers erfassen. Einen Großteil der Rechenarbeit übernimmt dann allerdings das mit der Brille drahtlos gekoppelte Smartphone des Nutzers: Diese Auswertungs- und Bilderzeugungs-Elektronik in die Brille zu integrieren, würde die Geräte bisher noch zu schwer machen und die Akkus zu schnell leersaugen.

Ein OLED-Mikrobildschirm des Fraunhofer-Instituts FEP Dresden auf einer siliziumbasierten Steuerelektronik. Foto: Heiko Weckbrodt

Ein OLED-Mikrobildschirm des Fraunhofer-Instituts FEP Dresden auf einer siliziumbasierten Steuerelektronik. Foto: Heiko Weckbrodt

Auch Mini-Beamer fürs Handy im Visier

Derzeit testen die Dresdner Entwickler ihre Brillen gemeinsam mit Siemens und weiteren Industriepartnern im Verbundprojekt „Glass@Service“ für digitale Prüfprozesse in der Fabrik der Zukunft. Später wollen die FEP-Ingenieure auch versuchen, ihre organischen Mini-Bildschirme mit mehr Eigenintelligenz auszustatten. Auch möchten sie die Bildschirme für neue Einsatzzwecke fit machen: als Kamera-Sucher beispielsweise oder als Miniatur-Beamer fürs Smartphone.

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt