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Antenne für abhörsichere Quanten-Kommunikation

Optischer Aufbau für Experimente mit verschränkten Photonen am IFW Dresden, Foto: Jürgen Lösel für das IFW Dresden

Optischer Aufbau für Experimente mit verschränkten Photonen am IFW Dresden. Foto: Jürgen Lösel für das IFW Dresden

Dresdner Forscher stellen bisher hellste Quelle für verschränkte Lichtteilchen vor

Dresden/Hannover, 2. September 2018. Kein Sicherheits-Code ist unknackbar. Das haben das deutsche Enigma-Desaster, die von den Briten entschlüsselten sowjetischen Geheimdienst-Telegramme und über 5000 Jahre Kryptographie-Erfahrung immer wieder bewiesen. Im Digitalzeitalter können derartige Sicherheits-Lecks dramatische Folgen haben, wenn sich im kommenden „Internet der Dinge“ alles mit allem vernetzt: Was Cybergangster anstellen können, wenn sie über vernetzte Krankenhäuser, Fabrikroboter oder dicht rasende Pulks aus autonom fahrenden Autos Kontrolle erringen, mag sich jeder leicht ausmalen. Abgesehen davon hat der NSA-Skandal erneut gezeigt, dass Deutschland gut beraten ist, sich nicht auf Netzwerktechnik aus den USA (oder China) zu verlassen.

„Q.Link.X“: 24 Institute entwickeln deutschen Quantenrepeater

Daher entwickelt ein „Q.Link.X“-Konsortium aus 24 deutschen Unis und Instituten nun im Bundesauftrag ein völlig neues System für abhörsichere Kommunikation, das nicht mehr auf Schlüsseln, sondern auf Quanteneffekten basiert. Um die benötigten verschränkten Lichtteilchen zu erzeugen, haben Forscher aus Dresden und Hannover nun eine Photonen-Antenne mit Rekord-Ausbeute entwickelt. „Mit einer Ausbeute von 37 % pro Puls ist es die hellste Quelle verschränkter Photonen“, teilte das Leibniz-Institut für Festkörper- und Werkstoffforschung Dresden (IFW) mit.

Quantenpunkte in Galliumarsenid

Dafür haben die IFW-Wissenschaftler Prof. Oliver G. Schmidt und Prof. Fei Ding gemeinsam mit Kollegen der Uni Hannover eine besondere optische Antenne entwickelt. Sie besteht aus Galliumarsenid, das mit sogenannten „Halbleiter-Quantenpunkten“ gespickt ist. Aus diesen Quantenpunkten koppelt die optoelektronische Antenne sehr schnell und effektiv Lichtteilchen-Paare aus, die miteinander verschränkt sind.

Was bedeutet „verschränkt“?

Verschränkt heißt: Diese Photonen „wissen“ ohne Zeitverzögerung voneinander, welche Information das jeweils andere Lichtteilchen gerade gespeichert hat – auch wenn man sie sehr weit voneinander trennt. Theoretisch lassen sich so Daten augenblicklich über riesige Entfernungen übertragen. Elementare Naturgesetze machen es unmöglich, sich in diese Kommunikation einzuklinken. Albert Einstein nannte diese – damals noch nicht praktisch realisierte – Verschränkung gar zweifelnd eine „spukhafte Fernwirkung“.

Eine Bell-Messvorrichtung rechts oben) detektiert von Rubidium-Atomen emittierte Photonen (rote Strahlen) und erzeugt so ein Signal, wenn die beiden Atome miteinander verschränkt sind (durch violette Strahlen angedeutet). Abb.: MPI für Quantenoptik

Beispiel für verschränkung im Labor: Eine Bell-Messvorrichtung rechts oben) detektiert von Rubidium-Atomen emittierte Photonen (rote Strahlen) und erzeugt so ein Signal, wenn die beiden Atome miteinander verschränkt sind (durch violette Strahlen angedeutet). Abb.: MPI für Quantenoptik

Nach 100 km reißt im Glasfaser die Verschränkung ab

Im Labor und darüber hinaus funktioniert diese Verschränkung inzwischen längst. In der Praxis allerdings haben bei bisherigen Übertragungs-Tests in Glasfaser-Leistungen die Photonen-Paare nach etwa 100 Kilometern Distanz die Verbindung (also die Verschränkung) verloren. Im All reichen die Verbindungen bereits weiter: „Vor einem Jahr haben chinesische Wissenschaftler im freien Raum mittels Satellit eine Entfernung von 7600 Kilometern überwinden können“, berichten die IFW-Experten. Dabei gilt die Faustregel: Je energiereicher, also „heller“ die verschränkten Photonen ihre Quelle verlassen, um so größer die Reichweite für die abhörsichere Quantenkommunikation.

Antenne basiert auf etablierten Fertigungstechnologien

Die dafür konstruierte neue Antenne stelle „einen wichtigen Schritt zur Auslotung optischer Quantentechnologien dar“, schätzte Professor Schmidt ein. Der technologische Ansatz dahinter sei besonders vielversprechend, weil er sich nahe an der Industrie bewege: „Unsere verschränkten Photonen werden von dem in der Optoelektronik häufig eingesetzten Halbleitermaterial Galliumarsenid erzeugt“, betonte Professor Ding. Das ermögliche die Herstellung von Bauelementen, die auf etablierten Halbleitertechnologien basieren und somit für eine zukünftige industrielle Fertigung in Frage kommen.

Repeater soll Lichtteilchen auffrischen

Die Dresdner Quanten-Antenne ist ein Baustein für einen „Quantenrepeater“, der im bundesweiten Forschungsprojekt „Q.Link.X“ erstmals entwickelt werden soll. Solche „Auffrischer“ werden in Zukunft gebraucht, um eine abhörsichere Quantenkommunikation auch über Distanzen von mehreren Tausend Kilometern möglich zu machen. Wenn sie ein Photon auf seiner langen Reise auffrischen, dürfen diese quantenphysikalischen Signalprozessoren allerdings eben nicht den Quantenzustand des Lichtteilchens zerstören – sonst ist die Verschränkung futsch. Die Projektpartner wollen solcher Repeater auf drei verschiedenen technischen Plattformen realisieren: in Quantenpunkt-Systemen, in Diamant-Farbzentren-Systemen sowie atomar-ionischen Systemen. Am Ende soll ein industrietrauglicher hybrider Quantenrepeater stehen, der das beste aus diesen technologischen Welten verbindet und an gängige Glasfaserkabel angeschlossen werden kann. Das Projekt ist bis zum Sommer 2021 ausgelegt und bekommt bis dahin rund 15 Millionen Euro vom Bundesforschungsministerium als Zuschuss.

Autor: Heiko Weckbrodt

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt