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Computer lernen, über den Tellerrand zu gucken

3m5-Chef Michael Eckstein ehrt Dr. Ismail Ilkan Ceylan. Foto: Frank Grätz für 3m5

3m5-Chef Michael Eckstein ehrt Dr. Ismail Ilkan Ceylan. Foto: Frank Grätz für 3m5

Informatiker Ceylan für dessen „Offene Welt“-Dissertation an der TU Dresden mit 3m5-Preis geehrt

Dresden, 14. Juni 2018. Wie sehr können wir uns heutzutage überhaupt noch darauf verlassen, dass die Maschinen uns richtige Antworten geben? Der Informatiker Dr. Ismail Ilkan Ceylan hat sich solcher Fragen angenommen: Er versucht Computern beizubringen, ähnlich wie Menschen mit unsicheren Fakten klarzukommen und daraus wahrscheinliche Antworten zu drechseln. Für seine hervorragende Doktorarbeit zu diesem Thema an der TU Dresden hat er nun den mit 3000 Euro dotierten „Excellence Award 2018“ der Dresdner Softwareschmiede 3m5 bekommen.

Großes internationales Interesse für „Big Data“-Diss

Es handele sich um eine „herausragende Dissertation“, die „in der internationalen Forschergemeinde auf sehr großes Interesse gestoßen“ sei, lobte Informatik-Dekan Prof. Uwe Aßmann von der TU Dresden die Arbeit von Ceylan. Auch 3m5-Chef Michael Eckstein würdigte den inzwischen 32-jährigen Nachwuchsforscher: „Unser Preisträger hat wichtige Grundlagen für die Arbeit mit großen Datenmengen geschaffen.“ Mittlerweile ist Ceylan an die Uni Oxford gewechselt.

Mensch ist nicht mehr allein Unsicherheitsfaktor Nr. 1

Um zu verstehen, warum die Dissertation aus Dresden solche internationale Resonanz gefunden hat, muss man an die Geburtsjahre der ersten Elektronenhirne zurückdenken. „Computer irren nie“, glaubte man damals noch, weil der Mensch als der einzige Unsicherheitsfaktor erschien: Nur wenn der den Rechner falsch bediente, ihn mit Quatsch fütterte, lieferte der Computer später gar keine oder falsche Antworten.

Maschinen saugen sich automatisch Infos aus dem Netz

Das hat sich im Zeitalter von Internet und entfesselten Datenfluten („Big Data“) geändert: Heute speisen viele Maschinen ihre Wissens-Datenbanken auch aus selbstgewonnenem „Wissen“: aus Informationen, die sie sich automatisch aus dem Internet gesaugt, die sie von den allgegenwärtigen Wärme-, Druck-, Herzschlag- oder Temperatursensoren ausgelesen oder anderen mehr oder minder zuverlässigen Quellen geschöpft haben. Auf diese Infos kann man sich eigentlich nicht 100-pro verlassen, oft sind sie gar widersprüchlich – aber dennoch lassen sich aus diesen Datenfluten manchmal ganz neue Erkenntnisse gewinnen, die nur ein Computer erkennen kann. Die daraus entstehenden Datenbanken nennt man „probabilistisch“ (wahrscheinlichkeitsorientiert), weil die darin enthaltenen Informationen eben nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zutreffen.

„Unsicher“ ist nicht gleich „falsch“

Während der Mensch daran gewöhnt, derartige Unsicherheiten auszuhalten, ist Ungewissheit für die Elektronenhirne ein völlig fremdes Konzept. Sie neigen dazu, alles als „falsch“ einzustufen, was sie nicht sicher wissen, was jenseits ihrer kleinen Welt der 100-pro-Fakten liegt. Und hier kommt Ceylan ins Spiel: Er versucht den Maschinen beizubringen, über den Tellerrand zu blicken. Technischer ausgedrückt, er entwickelt „Offene-Welt-Modelle“ für die Computer. Die Folge: Wenn ein Mensch solch einem System knifflige Fragen vorlegt, spuckt ein „offener“ Computer auch jene Antworten aus, über die er sich nicht sicher ist, die aber wahrscheinlich richtig sind.

„Offene“ Computer erkennen womöglich Querverweise besser

Eine solche Frage könnte zum Beispiel sein: Welcher Komponisten-Kollege kannte sowohl Mozart wie auch Beethoven persönlich? „Die Antwort ,Haydn‘ steckt zwar in den Wissensdatenbanken irgendwo drin“, erklärt Ceylan. Die Kunst sei aber, diese Querverbindung binnen Millisekunden als wahrscheinlich zutreffend herauszufinden – und so etwas können „Offene Welt“-Modelle im besten Falle leisten.

Akademische Laufbahn

Ceylan wurde 1986 im türkischen Burdur geboren. Er studierte zunächst in Ankara und dann in Dresden Informatik. 2017 promovierte er in Sachsen. Derzeit forscht er in Oxford. Danach will er sich aber nicht bei Google oder anderen „Big Data“-Konzernen bewerben, sondern eine akademische Laufbahn einschlagen. „Gerne wieder in Deutschland“, sagt er.

Autor: Heiko Weckbrodt

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt