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Cooolcase gibt PC-Fabrik in Dresden-Kaditz auf

"Coool Case"-Chef Christian Michel. Foto: Coool Case

Das Archivbild zeigt „Cooolcase“-Chef Christian Michel. Foto: Cooolcase

Chef Michel: Unsere Wege passen nicht mehr zu denen von Heliatek

Dresden, 4. Juni 2018. Cooolcase Dresden steht vor einer neuen Transformation-Stufe auf dem langen Weg vom ehemaligen Robotron-Werk zur Mechanik-Foundry: Das ehemalige Computer-Unternehmen zieht aus seiner früheren PC-Fabrik in Dresden-Mickten aus und überlässt sie der Organiksolar-Firma Heliatek. Das hat Cooolcase-Chef Christian Michel angekündigt. „Die Wachstumspläne und die industrielle Ausrichtung beider Unternehmen lassen sich nicht mehr vereinbaren“, sagte er auf Oiger-Anfrage. „Einer muss weichen – und das werden wir sein.“

Ex-Computerbauer wird zur Mechanik-Foundry

Ohnehin brauche sein Betrieb mehr Platz für Wachstum und eine Neuausrichtung. Denn Cooolcase habe „größere Aufträge von weltweit agierenden Top-Unternehmen gewonnen“, erklärte Michel weiter. „Wir werden unter anderem aufwendige mechanische Teile für Projekte in der Lebensmittelsparte, Solarindustrie und Informationstechnologie zuliefern.“

Quali-Programm soll gesamte Belegschaft auf Techniker-Niveau heben

Dafür soll im September 2018 ein Programm im Unternehmen starten, das das Qualifikationsniveau so gut wie aller Mitarbeiter mindestens auf Techniker-Niveau hebe. Einfache Arbeiten wie etwa Kabelmontage oder Aufkleber-Verteilung werden dafür ausgelagert – „aber nicht an einen Billiganbieter irgendwo in Osteuropa oder Asien“, betont Michel, „sondern an die Behindertenwerkstätten in Dresden-Weißig. Wir wollen hier bewusst Beschäftigungs-Chancen für Menschen mit Handicap schaffen“.

Mietkauf-Fabrik statt Eigenbau geplant

Nach dieser einjährigen Umstrukturierung, spätestens Ende 2019, werde Cooolcase in einen neuen Unternehmenssitz in Dresden umziehen. Die neue Fabrik werde man aber nicht selber bauen, sondern sie durch einen darauf spezialisierten Vermieter bauen lassen, betonte Michel. Solche Mietkauf-Konstruktionen ganzer Fabriken ähneln den Leasing-Modellen für Autos und werden in der Industrie immer üblicher. Der neue Komplex werde 6000 Quadratmeter neue Produktionsfläche schaffen außerdem 500 bis 800 Quadratmeter Büros sowie Räume für die Forschung und Entwicklung.

Eigentümer verspricht neue Jobs

Keiner Cooolcase-Mitarbeiter solle durch diese Restrukturierung seinen oder ihren Job verlieren, versprach der Geschäftsführer. Vielmehr sollen neue Arbeitsplätze entstehen: Derzeit beschäftigt Cooolcase rund 70 Mitarbeiter im eigenen Haus sowie 30 Behinderte in den Weißiger Werkstätten. In der neuen Cooolcase sollen dann 60 bis 70 Behinderte tätig sein und auch die Stammbelegschaft um etwa ein Dutzend Fachkräfte wachsen. Der Umsatz soll durch die neuen Projekte um ein Fünftel steigen.

Mit Design-PCs machte der ehemalige Robotron-Betrieb unter der Marke Compedd von sich reden - doch dies rettete das PC-Geschäft nicht. Foto: Heiko Weckbrodt

Mit Design-PCs machte der ehemalige Robotron-Betrieb unter der Marke Compedd von sich reden – doch dies rettete das PC-Geschäft nicht. Foto: Heiko Weckbrodt

Schrumpfkur eines einstigen Robotron-Ablegers

Die Belegschaft in Michels Unternehmen hat bereits viele tiefe Umbrüche mitgemacht: Cooolcase wurzelt letztlich in einer PC-Fabrik an der Bodenbacher Straße in Dresden-Seidnitz, die das DDR-Computerkombinat „Robotron“ noch 1985 stark modernisiert hatte. Fünf Jahre später wollte kaum einer noch Robotron-Computer kaufen, die Treuhand schloss das Kombinat. Der privatisierte PC-Betrieb versuchte sich unter anderem an Design-PCs, firmierte ab 1989 unter dem Namen CED beziehungsweise Compedd. Ein Betriebsteil hieß ab 1993 „GSW“. 1996 übernahm die Schäfer-Gruppe die Firma unter der Marke „Schäfer IT“ und zog damit dann in eine neuerrichtete PC-Fabrik an der Treidlerstraße in Dresden-Kaditz um. Diese Fabrik war für bis zu 700 Mitarbeiter ausgelegt.

PC-Krise versetzte Computer-Produktion in Dresden den Todesstoß

Doch nur wenig später war mit klassischer PC-Produktion in Deutschland bereits kein Geld mehr zu verdienen: Die Konkurrenz in Fernost fertigte Computer viel billiger, zudem stürzten Netbooks, Tablets und andere neue Gerätekonzepte den internationalen PC-Markt in immer tiefere Krisen. Der frühere Geschäftsführer Michel übernahm das Unternehmen 2009 als Eigentümer. Das Fabrikgebäude blieb aber im Eigentum der Schäfer-Gruppe. 2012 zog hier auch die TU-Ausgründung „Heliatek“ ein, die biegsame organische Solarzellen herstellt.

Mit aufwendigen Mechanik-Aufträgen wie für den Paket-Butler der Telekom gewann Cooolcase Dresden wieder Boden unter den Füßen. Foto: Heiko Weckbrodt

Mit aufwendigen Mechanik-Aufträgen wie für den Paket-Butler der Telekom gewann Cooolcase Dresden wieder Boden unter den Füßen. Foto: Heiko Weckbrodt

Zwei Neustarts – mit einem Zehntel der früheren Belegschaft

Unter dem neuen Namen „Cooolcase“ profilierte Michel das ehemalige PC-Werk derweil in Richtung Gehäusefertigung und Auftrags-Metallbau um. Im Herbst 2015 stürzte allerdings ein geplatzter Großauftrag die Firma in die Pleite. Im Sommer 2016 unternahm Michel einen Neustart mit 65 Mitarbeitern – also etwa einem Zehntel der Belegschaft, die das Schäfer-Computerwerk in Spitzenzeiten erreicht hatte. Mit Mechanik-Aufträgen zum Beispiel für den „Paketbutler“ der Telekom rappelte sich „Cooolcase“ in der Folgezeit wieder auf.

Die Heliatek-Fabrik Dresden kann durch ein spezielles Verfahren organsiche Solarfolien im Rolle-zu-Rolle-Betrieb herstellen. Dies ist eine wichtige Voraussetzung für die angestrebte Massenproduktion. Foto: Heliatek

Die Heliatek-Fabrik Dresden kann durch ein spezielles Verfahren organsiche Solarfolien im Rolle-zu-Rolle-Betrieb herstellen. Foto: Heliatek

Heliatek baut seine Solarfolienfabrik bereits aus

Allerdings verfolgt der Hallennachbar auch ehrgeizige Expansionspläne, die sich laut Michel nicht mehr mit denen von Cooolcase vertragen. Heliatek-Chef Thibaud Le Séguillon lässt gerade die Pilotfabrik für organische Folien für eine Massenproduktion ausbauen, ab 2020 soll ein Börsengang dann Geld für weitere Werke besorgen. Laut Stadtverwaltung hat Heliatek bereits im Februar 2018 die Baugenehmigung für seine jüngste Fabrikerweiterung bekommen. Dazu gehören demnach die „Nutzungsänderung eines Hochregallagers zu einer Produktionshalle für Photovoltaik-Folien, den Anbau eines Pumpenhauses, die Errichtung von zwei Einhausungen für Außengeräte sowie eines Stickstofftanks“. 2019 soll die Massenproduktion auf dieser neuen Linie starten – und etwa dann will Michel weg sein.

Autor: Heiko Weckbrodt

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt