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Kritik: Journalisten kleben zu sehr an den Eliten

Dr. Uwe Krüger. Foto: Uni Leipzig

Dr. Uwe Krüger. Foto: Uni Leipzig

Forscher Uwe Krüger diskutierte mit Dresdnern über Medienkritik und „Lügenpresse“

Dresden, 5. November 2016. Eine tiefe Vertrauenskrise zwischen Massenmedien und Menschen, die teils in Vorwürfen bis hin zum Goebbelschen Wort von der „Lügenpresse“ gipfelt, hat der Leipziger Medienwissenschaftler Uwe Krüger in einer öffentlichen Diskussionsveranstaltung in der sächsischen Landeszentrale für politische Bildung in Dresden diagnostiziert. Dies beruhe aber auf Missverständnissen und Versäumnissen auf beiden Seiten: sowohl der Journalisten, die zu abgehoben berichten, als auch vieler Zuschauer und Leser, die kaum eine Vorstellung haben, wie Presse funktioniert. „Eine meiner Kernthesen ist: Die Massenmedien sind zu eliteorientiert geworden“, sagte er.

Zu stark orientiert an Mainstream und an Eliten

Gemeint ist: Die Journalisten hangeln sich zu sehr an den Themen entlang, die Politiker, Wirtschaftsbosse und andere gesellschaftliche Eliten als wichtig empfinden und öffentlich diskutieren. Zudem orientieren sie sich zu sehr untereinander, an einem publizistischen „Mainstream“ (Hauptströmung), die durch einige wenige Leitmedien immer neu geformt wird.

„Zu links, zu grün, zu transatlantisch“

Vor allem am Ukraine-Konflikt und einer womöglich zu amerika-freundlichen und russland-feindlichen Berichterstattung in eben diesen Leitmedien von ARD bis Spiegel hat sich wohl gerade bei vielen Ostdeutschen der Unmut über „die Presse“ entzündet. Das wurde auch in der Diskussion zwischen dem Medienforscher und dem – größtenteils betagtem – Publikum deutlich. Heftig kritisierten die Zuhörer die Massenmedien: Teils, weil sie ihre persönlichen Probleme und Wünsche nicht berücksichtige, teils auch, weil sie parteiisch und „zu links, zu grün, zu transatlantisch“ berichte.

„Gleichklang“ auch ohne Verschwörung erklärbar

Verschwörungstheorien à la Weltkartell trat der Forscher indes gleich entgegen: Hinter Einseitigkeiten oder Defiziten in der Berichterstattung stecke nicht unbedingt „böser Wille“ der Zeitungs- und Rundfunkhäuser oder gar eine alles lenkende Macht.

Ein Teil der Erklärung stecke in der ähnlichen Sozialisierung vieler Journalisten, aber auch in äußeren Sachzwänge, betonte Uwe Krüger, der 2003/2004 selbst auch ein Volontariat (eine Art Lehre) bei der Leipziger Volkszeitung absolviert hatte: Immer weniger Menschen lesen Zeitung, die Werbeerlöse schrumpfen, in den Redaktionen wird gekürzt und gekürzt – und dadurch wird es immer schwerer für Journalisten, aufwendige Recherchen zu realisieren. Dies wiederum stärkt nicht gerade den Rückhalt in der übrig gebliebenen Leserschaft.

Guter Journalismus kostet

Und die Jüngeren erwarten wie selbstverständlich, alles kostenlos im Internet zu bekommen. „Da muss erst mal das Bewusstsein bei den Nutzern geweckt werden, dass guter Journalismus genauso etwas kostet wie ein Latte macchiato, für den ich ja auch bezahle.“

Streifen-Reporter vorgeschlagen

Insofern ist ein Weg, den Krüger aus der Krise vorschlägt, ein schwer finanzierbarer: Ähnlich wie einen Streifen-Polizisten plädiert er für „den Streifen-Journalisten“, der basisnah draußen unterwegs ist, und die Themen der Menschen aufgreift. „Wer das wie bezahlen soll, weiß ich allerdings auch noch nicht.“ Womöglich werde am ende nur eine gebührenfinanzierung nach Art der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten als Lösung des Dilemmas übrig bleiben.

Autor: Heiko Weckbrodt

Abb.: ZfpB

Abb.: ZfpB

Zum Weiterlesen:

Uwe Krüger: Mainstream – Warum wir den Medien nicht mehr trauen, München 2016, gratis erhältlich über die Landeszentrale

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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