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Porzellanbiennale in Meißen: Kunst statt Geschirr

Dascha und Mascha von Olaf Stoy. Foto: Peter Weckbrodt

Dascha und Mascha von Olaf Stoy. Foto: Peter Weckbrodt

Oigers Wochenendtipp: Künstlergruppe „Weißer Elefant“ zeigt Porzellan mal ganz anders

Meißen, 29. Juli 2016. Wem die bildenden Künste, insbesondere edles Porzellan, am Herzen liegt und auch vorurteilsfrei Neuem entgegensehen kann, der fahre nach Meißen. In den wunderbaren Räumen der Albrechtsburg können Besucher der „Ersten Porzellanbiennale“ jetzt sehen, wie Porzellan jenseits von Tasse und Teller eine eigene künstlerische Sprache finden kann.

Zeitgenössische Porzellankunst im Fokus

Die meisten Menschen haben eine feste Vorstellung vom Wortpaar „Porzellan“ und „Meißen“. Diese Vorstellungen legen Sie am Besten am Eingang mit Ihrer Garderobe ab. Die fest gefügten Bilder von kostbarem Geschirr und schönen Vasen werden plötzlich konterkariert. Genau darum geht es bei dieser Biennale. Initiiert von der Künstlergruppe „Weißer Elefant“, die sich dem Material Porzellan verschrieben hat, wurde der „Verein zur Förderung zeitgenössischer Porzellankunst“ gegründet. Dieser Verein ist in Kooperation mit der Albrechtsburg Meißen der Veranstalter der Biennale. Er möchte Kunstgegenstände fördern, die aus dem keramischen Material Porzellan geschaffen wurden. Da bot sich die Albrechtsburg schon aus der Geschichte heraus als perfekt an. Sie ist die Stätte, in der Johann Friedrich Böttger das Weiße Gold einst entwickelte und produzierte.

Die Albrechtsburg mit dem berühmten Wendelstein des Arnold von Westphalen. Foto: Peter Weckbrodt

Die Albrechtsburg mit dem berühmten Wendelstein des Arnold von Westphalen. Foto: Peter Weckbrodt

25 Künstler wollen Meißen neue Impulse geben

Die Schau versteht sich als Schaufenster für zeitgenössische Porzellankunst. Zu ihr wurden 25 Künstler aus dem In- und Ausland eingeladen, die mit Porzellan schöpferisch arbeiten. Seriell Geschaffenes wurde nicht zugelassen. Dem Ruf folgten 18 deutsche, 3 Schweizer, 2 polnische, je ein belgischer und ein italienischer Künstler. „Wir präsentieren bis zu drei Arbeiten pro Künstler.“, erklärt Olaf Fieber, der Vereinsvorsitzende. „Unser Ziel ist es, das Porzellan als Kulturgut im Kontext internationaler Einflüsse neu zu bewerten, zu erhalten und weiterzuentwickeln sowie innovative Impulse zu setzen.“ Kein Ort in Europa sei ein so prägendes Synonym für Porzellan wie Meißen. Sein Verein halte es für unabdingbar, Meißen mit seiner über 300-jährigen handwerklichen und künstlerischen Porzellangeschichte und -Gegenwart in diesem Prozess impulsgebend zu positionieren.

Die Themen der Ausstellung:

Schalenplastiken

Was sofort in der Ausstellung auffällt: Die Platzierung in diesen Räumen ist absolut stimmig. Wir sehen sehr schnell auch richtig schöne Stücke. Da gefallen die schönen, sehr filigranen Schalenplastiken von Kirsten Jäschke, die seit 1995 in Dresden ein eigenes Atelier hat. Ihre Bodeninstallation ist ansprechend, ihre inhaltliche Aussage für uns nicht zu erkennen.

Katrin Jäschke: Schalenplastik. Foto: Peter Weckbrodt

Katrin Jäschke: Schalenplastik. Foto: Peter Weckbrodt

Als außerordentlich dekorativ ordnen wir der Belgierin Karien Evens „A Futtering Standstill“ ein, die in der Gaube hervorragend zur Geltung kommt.

Installation "100 Blüten" Projekt des Dresdner Porzellankunst. Foto: Peter Weckbrodt

Installation „100 Blüten“ Projekt des Dresdner Porzellankunst. Foto: Peter Weckbrodt

100 Blüten

Kaum trennen können wir uns vom Anblick der Installation „100 Blüten“. Mit ihr will der Dresdner Porzellankunst e. V. ein Zeichen setzen für die Möglichkeiten gemeinsamen Handelns im positiven Sinne – für Optimismus und Toleranz. Genauso zerbrechlich wie die Porzellanblüten, argumentieren die Vereinsmitglieder, sei die Balance unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens. Sei erst einmal Etwas zerbrochen, könne man es nicht mehr rückgängig machen. Das gibt angesichts der aktuellen politischen Lage doch Anstoß zum Nachdenken.

Olaf Fieber: Porzellan/Grafik . Foto: Peter Weckbrodt

Olaf Fieber: Porzellan/Grafik. Foto: Peter Weckbrodt

Marx no. 4

Des Meißners Olaf Fieber „Porzellan/Graphik“ ist ungewöhnlich aber schauenswert. Hannes Uhlenhauts „B. Marx no. 4“ nehmen wir schmunzelnd zur Kenntnis.

Silvia Klöde: Das Urteil des Paris. Foto: Peter Weckbrodt

Silvia Klöde: Das Urteil des Paris. Foto: Peter Weckbrodt

Urteil des Paris

Ein richtiger Augenschmaus ist das „Urteil des Paris“ von Sivia Klöde. die in Kleinmachnow Geborene hat in Dresden Bildende Kunst studiert und war fast 20 Jahre lang in der Künstlerischen Entwicklungsabteilung bei Meißen tätig. Der Anblick ihrer „Muschelfrau mit Butt“ ist hingegen gewöhnungsbedürftig.

 Schon allein die Präsentation in den Räumen der Albrechtsburg überzeugt. Foto: Peter Weckbrodt

Schon allein die Präsentation in den Räumen der Albrechtsburg überzeugt. Foto: Peter Weckbrodt

Cyborg-Schwan aus Porzellan und Elektrotechnik

Mit Marias Volokhovas „Schweineköpfen“ soll klarkommen wer will. Sie werden sicher diskutiert werden, und das ist wohl von der Künstlerin auch so gewollt. Auch über ihren „Schwan“, einer recht nüchternen Kombination von Porzellan und Elektrotechnik, wird es sicher recht unterschiedliche Auffassungen geben.

Poppig kommen „Dascha“ und „Maschas“ die Haarkünste daher. Das regt im Jahre 2016 keinen mehr auf.

Lass es brennen!

Dagegen bleibt Susanne Petzolds Landschaft „LET IT BURN“ der Künstlerin gut gehütetes Geheimnis. Zum Schluss noch die „Frau mit Reh“ von Marianne Eggimann aus der Schweiz. Das hat schon eine fast religiöse Anmutung. Aber weshalb auch nicht, oder?!

Wir haben es geschafft! Stoff für die genüssliche Diskussion über das Gesehene steht ausreichend zur Verfügung. Aber Meißen bleibt auch Meißen und mit der Stadt das Meißner Porzellan. Und beim Spaziergang hinab durch die Burggasse übersehen wir nicht die schreiend rot unterlegten Sonderangebote. Da kommen Erinnerungen an Meißenbesuche in DDR-Zeiten, vielleicht mit der Schulklasse, hoch.

Scherben in der Meißner Bartholomäusnacht

Zu Mutters Zeiten war es ein kaum in Erfüllung gegangener Hausfrauentraum, ein richtiges Meißner Kaffeeservice, wenigstens aber eine schön bemalte Sammeltasse im Buffet stehen zu haben. Gut sichtbar für Jedermann, eben Mutters ganzer Stolz. Und dann kam die Wende, Vieles, selbst der Erwerb von Porzellan mit den gekreuzten Schwertern, wurde plötzlich möglich. Und dann erfährt der ungläubig staunende Bürger von jener Meißner Bartholomäusnacht im Oktober 2010, als in einer vom Vorstand angeordneten Nacht-und-Nebel-Aktion in der weltberühmten Manufaktur Porzellan zerschlagen wurde, was das Zeug hält: Riesenbestände an Tisch- und Tafelgeschirr wurden so vom Markt genommen.

Einst begehrt, jetzt zerschlagen oder verramscht - wohin mit Dir, Meißner Porzellan. Foto: Peter Weckbrodt

Einst begehrt, jetzt zerschlagen oder verramscht – wohin mit Dir, Meißner Porzellan. Foto: Peter Weckbrodt

Sturz in die roten Zahlen, massive Job-Verluste

Dann folgte das oberitalienische Abenteuer „Meissen Couture“ mit Riesenverlusten. Dem Sturz in die roten Zahlen sollte mit einem ziemlich radikalen Stellenabbau bei der Manufaktur begegnet werden. Wurde nach der Wende die Beschäftigtenzahl von rund 1800 bis auf 784 (Stand 2009) reduziert, folgte ein zweiter Abbau im Jahre 2010 auf 604. Die Auswechslung von Verantwortungsträgern brachte auch kein Ende des Dilemmas.

Quo vadis, Manufaktur?

Wohin gehst Du Porzellanmanufaktur Meißen? Was ist deine Perspektive? Folgt auch der sächsische Steuerzahler der erklärten Absicht seiner Regierung, die Manufaktur als Kulturgut mit überregionaler Bedeutung unbedingt zu erhalten? Inzwischen hat der Freistaat eine Meissen-Porzellan-Stiftung GmbH gegründet und der Manufaktur alle Modellformen, Objekte und Rezepturen abgekauft und der Stiftung übergeben.

Die künstlerisch orientierte Porzellanbiennale fügt sich insofern ein in einen langen Prozess, in dem die Manufaktur nach einer neuen, langfristig tragfähigen Marktposition ringt.

Besucher-Informationen

Sonderausstellung Erste Porzellanbiennale bis 18. September 2016

Albrechtsburg Meissen, Domplatz 1, 01662 Meißen

Öffnungszeiten: täglich von 10.00 bis 18.00 Uhr

Eintritt Sonderausstellung: 4,00 Euro, erm. 2,00 Euro; Tel.: 035214707-0;

www.albrechtsburg-meissen.de

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt
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[caption id="attachment_67607" align="alignleft" width="117"]Peter Weckbrodt. Foto: IW Peter Weckbrodt. Foto: IW[/caption] Peter Weckbrodt hat ursprünglich Verkehrswissenschaften studiert, wohnt in Dresden und ist seit dem Rentenantritt journalistisch als freier Mitarbeiter für den Oiger und die Dresdner Neuesten Nachrichten tätig.

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