Wirtschaft

Solarwatt Dresden steigt in Speichermarkt ein

Solarwatt-Chef Detlef Neuhaus demonstriert, dass selbst ein wenig muskelbepackter Manager wie er die Batterie-Einschübe des neuen Energiespeichers wuchten kann. Foto: Heiko Weckbrodt

Solarwatt-Chef Detlef Neuhaus demonstriert in Dresden, dass selbst ein wenig muskelbepackter Manager wie er die Batterie-Einschübe des neuen Energiespeichers wuchten kann – um zu beweisen, wie einfach das neue System montierbar ist. Foto: Heiko Weckbrodt

Modul-Hersteller will mit Systemlösungen zu alter Größe zurückfinden

Dresden, 2. Juni 2015. Der Photovoltaik-Modulhersteller Solarwatt aus Dresden steigt in den Markt für stationäre Energiespeicher ein: Mit „My Reserve“ stellte Solarwatt-Chef Detlef Neuhaus heute das erste Produkt aus einer neuen Serie von Ökostrom-Batterien vor. Er will damit Eigenheim-Besitzern und kleinen Firmen den Kombi-Kauf von Dresdner Solaranlagen und Energiespeichern schmackhaft machen. Die sollen durch diese Systeme Strom und bares Geld sparen – und zwar unabhängig von den schwankenden Ökostrom-Subventionen. Neuhaus hofft auf durchschlagende Erfolge noch vor dem Markteintritt von Tesla und will so das geschrumpfte Unternehmen „zu alter Größe“ mit über 100 Millionen Euro Jahresumsatz zurückführen.

Neuhaus sieht „My Reserve“-Speicher als technologisch und wirtschaftlich führend

Zwar gibt es Solaranlagen und Akkus nicht erst seit gestern. Auch hat manch findiger Bastler diese Komponenten schon gekoppelt. Doch meist blieben diese Lösungen eher halbgar. Die Dresdner Ingenieure und Software-Schreiber sind jedenfalls überzeugt, nach vierjähriger Entwicklungszeit eine echte Innovation aus einem Guss zustande gebracht zu haben. „Derzeit gibt es kein anderes Speichersystem für Solaranlagen, das wirtschaftlicher oder technologisch besser als unseres ist“, meint Neuhaus.

Projektmanager Thomas Dautert prüft die Einschub-Akkus im Batterie-Großspeicher der Drewag in Dresden-Reick. "Notfalls könnten wir damit einen Vier-Personen-Haushalt 200 Tage lang mit Strom versorgen", sagt er. Foto: Heiko Weckbrodt

Batterie-Großspeicher der Drewag in Dresden-Reick. Foto: Heiko Weckbrodt

Hintergrund: Speicher für die Energiewende

Der Umstieg Deutschlands von Kernkraft auf „erneuerbare Energien“ wie Solar- und Windkraft (sogenannte „Energiewende“) hat noch viele Hindernisse zu überwinden. Als ein zentrales Problem dabei gelten die noch völlig unzureichenden Energiespeicher-Technologien in der Bundesrepublik: Da sich Sonne und Wind nicht danach richten, wo und wann Industrie und Privathaushalte gerade viel Strom brauchen, und die deutschen Stromnetze für solche Spitzentransfers kaum ausgelegt sind, werden Windkraft- und Solaranlagen oft ausgebremst.

Neue Stromtrassen wie der „Südlink“ stoßen immer wieder auf Anwohnerproteste und sind teuer, ähnliches gilt für die Pumpspeicherwerke. Auch Batterie-Großspeicher der Megawatt-Klasse gibt es bisher erst wenige. Daher können kleinere dezentrale Energiespeicher, die nahe an den Windkrafträdern oder Photovoltaik-Anlagen Stromspitzen bereits vor dem Netz abpuffern, durchaus eine interessante Alternative sein. Dies gilt insbesondere auch für Eigenheimbesitzer oder kleinere Unternehmen, die sich mit eigener Ökostrom-Erzeugung energieautark machen wollen, um möglichst wenig teureren Strom aus den Netzen kaufen zu müssen.

 

Energiemanager jongliert Stromflüsse im Eigenheim

In der Grundkonfiguration besteht das Dresdner System aus einer Photovoltaikanlage mit bis zu 3,12 Kilowatt Leistung aus glasverkapselten Solarwattmodulen, die als besonders langlebig und ausbeutestark angepriesen werden. Scheint die Sonne und im Haus sind beispielsweise Kühlschrank oder Waschmaschine anzutreiben, leitet ein spezieller Energiemanager den Sonnenstrom direkt ins Hausnetz. Erzeugt die Solaranlage mehr Strom als benötigt, wird die überschüssige Energie im besagten Batteriespeicher „My Reserve“ zwischengeparkt. Der kann in der Grundausführung bis zu 4,4 Kilowattstunden (modular erweiterbar bis 11 kWh) Energie speichern und wiegt lediglich 78 Kilogramm – und ist damit laut Solarwatt extrem leicht und auch einfach zu installieren. Ist auch der Akku voll und es gibt immer noch einen Überschuss von den Sonnenkollektoren, wandelt der Energiemanager diese Energie zum Beispiel in Kühlschrank-Kälte um oder treibt Wärmepumpen damit an.

Kurzvideo: Energiespeicher-Montage (hw):

Vision vom vernetzten Ökostrom-Haus

Wenn die Haushaltsgeräte im Eigenheim vernetzungsfähig sind – das trifft heute erst auf einige Geräte, zum Beispiel von Miele, zu – soll auch folgendes Szenario möglich sein: Die Familie geht morgens aus dem Haus und befiehlt dem Energiemanager, bis spätestens 16 Uhr die Wäsche zu reinigen. Die selbstlernende Software wiederum analysiert laut Solarwatt-Angaben die Wetterberichte für den Standort und plant danach, wann wieviel Sonnenstrom vom Dach zu erwarten ist, wann welche Geräte angeworfen werden und dergleichen mehr. Strom aus dem öffentlichen Netz wird nur dann gezapft, wenn die Photovoltaik-Anlage nicht genug Saft liefert und der Batteriespeicher auch leer ist.

Solarwatt: System ist auch ohne Subventionen ab 11. Jahr rentabel

Unterm Strich soll sich dieses Kombi-System auch ohne Subventionen binnen zehn Jahren amortisieren. Danach wirft es fünf Jahre lang Gewinne ab, bevor die ersten Batterien am Ende ihrer typischen Lebenszeit angelangt sind, ausgetauscht werden müssen, und ein neuer, diesmal kürzerer Amortisierungs-Kreislauf beginnt. Möglich wird die Refinanzierung vor allem aus der Differenz zwischen eigenerzeugten Sonnenstrom (23 Cent pro Kilowattstunde) und den sonst nötigen Stromzukäufen aus dem öffentlichen Stromnetz (im Schnitt 28 Cent/kWh).

Kampfansage an Tesla

Der Batteriespeicher selbst kostet in der Grundausführung rund 5500 Euro. Ihn will Solarwatt nicht nur „im Paket“ mit Solaranlagen, sondern auch einzeln verkaufen, da „My Reserve“ mit allen marktüblichen Solaranlagen kompatibel sein soll. Der wohl wichtigste Konkurrent hier dürfte der US-Elektroauto-Hersteller Tesla sein, der kürzlich angekündigt hatte, eine abgewandelte Variante seiner Elektroauto-Akkus künftig auch als stationäre Batteriespeicher für Ökostrom-Haushalte zu verkaufen. Neuhaus glaubt zwar, dass auch Tesla eine technologisch vergleichbare Speicherlösung wie Solarwatt hinkriegen wird, aber diese wohl erst ab dem Frühjahr 2016 in Deutschland verkaufen kann – und kaum zu niedrigeren Praxispreise als die Dresdner. Die wiederum wollen mit dem „My Reserve“-Verkauf bereits in einem Monat beginnen und im Jahr 2016 rund 4000 Systeme verkaufen.

-> Einen Vergleich der Anschaffungskosten pro Kilowattstunde für einige verfügbare und angekündigte stationäre Energiespeicher (u.a. auch das künftige Tesla-System) hat Fahrzeugtechnik-Doktorand Paul Balzer (TU Dresden/ HTW Dresden) in seinem Motorblog angestellt, der hier nachzulesen ist.

Batteriezellen kommen aus Asien

Hergestellt und montiert werden die Systeme aber (bisher) nicht in der Solarwatt-Fabrik in Dresden, sondern von Partnern zugeliefert. Woher genau er die Keramik-Batteriezellen als Schlüsselkomponenten bezieht, wollte Neuhaus nicht verraten. Nur soviel: Es handele sich um einen großen asiatischen Hersteller, jedoch nicht aus China.

Der Solarmodul-Hersteller setzt in seiner Dresdner Fabrik auch auf Automatisierung. Abb.: Solarwatt

Der Solarmodul-Hersteller setzt in seiner Dresdner Fabrik auch auf Automatisierung. Abb.: Solarwatt

Dreistelliger Millionen-Umsatz avisiert

Letztlich hofft die Chefetage nach langen, krisenhaften Jahren auf einen Befreiungsschlag durch das neue Produktprogramm. Solarwatt wurde in der Frühzeit des deutschen Photovoltaik-Booms 1993 gegründet und erwirtschaftete mit seiner Solarmodul-Produktion zeitweise über 300 Millionen Euro Umsatz und beschäftigte in Spitzenzeiten über 600 Menschen. Dann kam die Solarkrise. Das Unternehmen stand kurz vor der Pleite, wurde aber schließlich durch den Einstieg vom BMW-Milliardär Stefan Quandt gerettet.

Nach einem bitteren Aderlass und einer Umstrukturierung hat Solarwatt heute kaum noch 200 Mitarbeiter und kam im vergangenen Jahr auf knapp 60 Millionen Euro Umsatz. In diesem Jahr rechnet Neuhaus mit 70 Millionen Euro. Gehen seine Speicher-Konzepte auf, könnten die etwa weitere 18 Millionen Euro Umsatz im Jahr 2016 sichern, spätestens 2018 will Neuhaus wieder „dreistellige Millionenbeträge“ als Umsatz eintragen können – was auch wieder mit einem Ausbau der Belegschaft einhergehen soll. Autor: Heiko Weckbrodt

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Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt