Dresdner Autor Willi Hetze breitet in Kurzgeschichten-Band „Das Unbegreifliche der Katzenwege“ aus
Sind Katzen vielleicht doch die besseren Navis? Wird uns die Schwarmintelligenz letztlich alle auffressen? Und, was vielleicht noch wichtiger ist: Wohin verschwinden immer diese verdammten Schuhabstreicher? Diesen und anderen höchst entscheidenden Fragen des Stadtlebens geht der Dresdner Autor Willi Hetze in seinem Kurzgeschichten-Band „Das Unbegreifliche der Katzenwege“ nach – mal allegorisch, mal kafkaesk und surreal, mal alltagsanekdotisch. Heute Abend stellt der junge Autor und Soziologe sein neues Buch in einer Lesung im Literaturhaus Dresden vor.
Hast Du keinen Funknerv, bist Du verloren
„Gibt es hier ein Telefon, mit dem ich das Immatrikulationsamt anrufen kann?“. Die Tierärztin neigte fragend den Kopf. Der Ingenieur ergriff das Wort: Davon habe ich in einer Vorlesung zur Geschichte der Fernsprechapparate gehört. Kein Mensch verwendet so was heute noch. Jeder hat einen Funknerv.“ Denn der Funknerv verbindet dich mit dem Schwarm. Und: „Ohne den Schwarm wäre man verloren.“
„Dummdörfler“ im Großstadt-Labyrinth
Was der Dorftrapps Ferdinand da erlebt, als er vom Lande in die große Stadt zieht, um Verkehrswissenschaften in einer überraschend gestern geschlossenen Fakultät zu studieren, ist haarsträubend und erinnert an Kafka und „Dark City“: Das Studentenwohnheim ist ein Labyrinth mit einem würfelnden Fahrstuhl. Die Studenten haben keine Namen, sondern reden sich mit ihren „Funktionen“ an. Die U-Bahn erreicht niemals ihr Ziel und die Straßen, Häuser und Routen dieser Stadt ändern sich im Tagestakt völlig. Wer hier zurecht kommen will, sollte ein elektronisches Implantat schlucken, den „Funknerv“, um sich mit dem gackernden Schwarm zu vernetzen – oder eine Katze besitzen. Denn Katzen sind in dieser ständig neu ausgewürfelten digitalen Welt die einzigen alternativen Pfadfinder, Insignien der analogen Aussteiger gewissermaßen.
Jungliterat beäugt den homo urbanus
All dies erfahren wir in der längsten, namensgebenden und meines Erachtens nach auch gelungensten Geschichte des Shortstory-Bandes „Das Unbegreifliche der Katzenwege“ von Willi Hetze. Letzterer ist 30 Jahre alt, hat an der TU Dresden Soziologie und Psychologie studiert und heißt damit nach den Eigengesetzen seiner „Katzenwege“ dann wohl auch „Der Soziologe“. Und so nimmt der Jungliterat denn auch in den meisten seiner Kurzgeschichten das gar seltsame Mit- und Gegeneinander des homo urbanus, des modernen Stadtbewohners unter die Lupe: Sein eigenes Fahrradrowdytum auf dem Blauen Wunder, die Mysterien verschwindender Türvorleger und Fahrräder in den Altbauten der Dresdner Neustadt, die pedantischen Kollegen im Büro… Viele seiner Stories sind in Dresden angesiedelt, andere wohl in Berlin oder Hamburg. Im „Meer am Morgen“ kriecht Hetze gar in einen unglücklichen italienischen Fischer hinein.
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Alltagsdetails mit dem subjektiven Prisma gebrochen
Dabei hält er echt gekonnt die Balance zwischen innerem und äußerem Geschehen, zwischen Reflexion und Einbrüchen der Außenwelt, arbeitet auch stark mit sprachlichen Bildern und subjektiv gebrochenen Wahrnehmungen – manchmal vielleicht etwas zu exzessiv. Bleibt auch Manches eher anekdotenhaft, erweist sich Hetze an anderen Stellen als scharfer Beobachter für Alltagsdetails, für die Absurditäten im sozialen Miteinander, die er uns recht süffisant vor Augen führt.
Buchpremiere und Lesung im Dresdner Literaturhaus
Erschienen ist sein Erzählband nun im Dresdner Buchverlag. Wer schon einmal in seine pointierten Stories hineinlauschen mag, hat dazu heute (26. März 2015), 19 Uhr, auf der Buchpremiere im Dresdner Literaturhaus Villa Augustin, Antonstraße 1, Gelegenheit: Willi Hetze wird dort aus „Das Unbegreifliche der Katzenwege“ vorlesen – und vielleicht auch die Frage beantworten, warum das urbane Ex-Raubtier immer ihren Weg findet… Autor: Heiko Weckbrodt
Willi Hetze: „Das Unbegreifliche der Katzenwege“, Kurzgeschichten, 190 Seiten, Dresdner Buchverlag/zwiebook, Dresden 2015, ISBN: 978-3-943451-15-3, 12,90 Euro, eine Leseprobe gibt es hier
Nachtrag (27. März 2015): Jan Gütter hat in seinem Blog „Filmriss“ ein paar schöne Schwarz-Weiß-Fotos von der Lesung und Buchpremiere in Dresden veröffentlicht (der Text dazu ist alledings in Englisch). Wer mal reinschauen will: Hier sind sie zu finden.
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