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Fleisch aus der Waffenschmiede: Kuriositäten aus der DDR-Rüstung

Wurst aus der Rüstungsindustrie - was kann man sich Leckeres vorstellen? Montage: Heiko Weckbrodt

Wurst aus der Rüstungsindustrie – was kann man sich Leckeres vorstellen? Montage: Heiko Weckbrodt

Dresden, 1. November 2014: Nach außen taten Stasi und SED-Apparat furchtbar geheim und streng, wenn es um Rüstungsprojekte in der DDR-Industrie ging. Hinter den Kulissen aber spielten sich ähnlich bizarre Verrenkungen ab, wie sie auch anderswo in der kommunistischen „Plan“- und Mangelwirtschaft zu beobachten waren: Autoritätsgläubigkeit, Planübererfüllungs-Farcen, Ressourcen-Rangelei et cetera, wie die ein paar Randnotizen aus Stasi-Akten und Zeitzeugen-Berichten zeigen:

Lametta-General muss zahlen:

DDR-Verteidigungsminister Heinz Hoffmann. Foto: ADN, Bundesarchiv, Wikipedia, CC3-Lizenz

DDR-Verteidigungsminister Heinz Hoffmann. Foto: ADN, Bundesarchiv, Wikipedia, CC3-Lizenz

Weil die Elbe Flugzeugwerft auch sowjetische MiGs wartete, besichtigte eines Tages auch der sowjetische Verteidigungsminister Dimitri Ustinow das Dresdner Werk. Der Marschall hatte DDR-Verteidigungsminister Heinz Hoffmann (1910-85) im Schlepptau, doch dem ostdeutschen General wurden die Ansprachen bald zu langweilig. Hoffmann seilte sich in die Betriebskantine ab und ließ sich von einer Küchenfrau einen Kaffee geben – und die köpfte dem General wie jedem anderen auch 50 Pfennig ab. „Hinterher hat der Parteisekretär einen Riesenaufstand gemacht“, erinnert sich Kombinats-Finanzdirektor Wolfgang Petzold. „Wie könne man nur wagen, den Herrn Minister so schnöde zur Kasse zu bitten… Aber die Buchhaltung gab der Frau recht und die Sache verlief im Sande.“

 

 

 

 

Baron Ardenne als Politbüro-Scherzbold:

Manfred von Ardenne. Foto: Mittelstädt, ADN, Bundesarchiv, Wikipedia, CC3-Lizenz

Manfred von Ardenne. Foto: Rainer Mittelstädt, ADN, Bundesarchiv, Wikipedia, CC3-Lizenz

Baron Manfred von Ardenne hatte in seinem Dresdner Institut – dem einzigen privaten Forschungsinstitut der DDR – gerade seine Sauerstoff-Mehreschritt-Therapie gegen Krebs und Alterung entwickelt. Er marschierte zu einem Betrieb des Kombinats Spezialtechnik, um die Leitung zu überreden, ihm eine erste Kleinserie von vier Sauerstoff-Selektoren zu bauen. „Ardenne spürte wohl den mangelnden Enthusiasmus der Betriebsleitung“, erzählt Petzold. Der Baron ereiferte sich immer mehr und fragte schließlich fordernd in die Runde: „Das ist eine lebensverlängernde Therapie. Glauben Sie nicht auch, dass das Politbüro genau das braucht?“ Die Greisenriege im höchsten SED-Gremium vor dem inneren Auge, wollte am liebsten jeder losprusten. „Aber keiner wagte sich zu lachen“, entsinnt sich Petzold. „Man wusste ja nicht, den die Stasi mit am Tisch sitzen hatte.“ Außer der ersten Kleinserie ist aus dem Ardenne-Projekt übrigens in der DDR nichts geworden: Gebaut wurde diese neue Medizintechnik dann in Westdeutschland.

 

Fleischknüller von der Rüstungsschmiede:

Foto (bearbeitet): Heiko Weckbrodt

Foto (bearbeitet): Heiko Weckbrodt

Die DDR-Wirtschaftslenker hatten die Kombinate verpflichtet, dass Konsumgüter für die Bevölkerung fünf bis zehn Prozent ihrer Warenproduktion ausmachen mussten – egal, ob das Kombinat sonst Baukräne, Traktoren oder sonstwas herstellte. Das Kombinat Spezialtechnik Dresden als Rüstungsschmiede hatte es da besonders schwer, konnte es doch schlecht Spielzeug-MPis verkaufen. Zwar hatte die Spezialtechnik auch prestigeträchtige zivile Entwicklungen, darunter die Weltmeisterschafts-Bobs für ostdeutsche Sportler oder die Schießanlage für die Olympischen Spiele in Moskau. Aber die waren nicht als Konsumgüter abrechenbar. Ein Betrieb entwickelte daraufhin eine Feuerlösch-Automatik für den Trabant-Motorraum, die wurde von den DDR-Autobauern aber als zu teuer verworfen. Ein Kombinatsbetrieb baute daraufhin seine Kantine aus und begann, selbstgeschlachtete Fleischwaren an Anwohner zu verkaufen – mit großem Erfolg. „Die Wurts war der Renner schlechthin“, so Petzold. Autor: Heiko Weckbrodt

Zum Weiterlesen:

„Zur Sicherung der Geheimnisträger befehle ich…“

Dresdner VEBs und ihre Rüstungsprojekte zu DDR-Zeiten

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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