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Fraunhofer Dresden schlaut Sensoren mit dezentraler künstlicher Intelligenz auf

Roboterin im Futurium Berlin. Foto: Heiko Weckbrodt

Roboterin. Foto: Heiko Weckbrodt

„Edge KI“ soll in Autos und Robotern die Sensor-Datenfluten vorverarbeiten

Dresden/München, 17. November 2022. Um Roboter mit ständigem Menschenkontakt, aber auch vernetzte Autos zu helfen, sich rascher und besser in ihrer Umgebung zurechtzufinden, konstruieren Fraunhofer-Forscher aus Sachsen Sensoren und Aktoren mit dezentraler künstlicher Intellgenz („Edge KI“). Erste Muster solcher „aufgeschlauter“ Ultraschallsensoren und Mini-Spektrometer für die Gestensteuerung von Robotern oder die Umgebungserkennung von kollaborativen Robotern (Kobots) stellt das Fraunhofer-Institut für Photonische Mikrosysteme (IPMS) Dresden derzeit auf der Messe „Electronica“ in München.

Vernetzte Autos müssen auch bei Internet-Ausfall ohne die ferne Rechnerwolke klarkommen

Ein Beispiel, wozu solche „Edge KI“ gut und wichtig ist: Vernetzte Autos sollen künftig auch dann noch automatisch fahren können, wenn die Internetverbindung auf der Landstraße ausfällt. Dafür müssen sie aber lernen, die Verkehrslage um sich herum auch ohne die stetige Unterstützung einer Künstlichen Intelligenz (KI) in einer weit entfernten Rechnerwolke („Cloud“) durchschauen. Andererseits wäre aber ein einzelner Bordcomputer mit diesen Analyseaufgaben in komplexen Situationen womöglich überfordert – und würde wohl auch viel zu viel Energie aus dem Auto-Akku ziehen. Eine Vielzahl kleiner, dezentraler KIs, die über das ganze Auto verteilt sind, könnte dieses Dilemma womöglich lösen. Schon ein paar direkt am Radarsensor, Lidar oder an der Kamera positionierte künstliche Neuronen oder KI-Beschleuniger könnten mit ihrer Randintelligenz (Edge KI) bereits einen Teil der eingehenden Datenfluten aus der Umgebung vorverarbeiten und so den zentralen Bordcomputer entlasten.

KI-Beschleuniger oder künstliche Neuronen direkt am Sensor

Künstliche Neuronen für den mobilen Einsatz sind zwar noch nicht so ganz serienreif – auch wenn zum Beispiel Infineon und die TU Dresden bereits an solchen Konzepten arbeiten. Aber als Zwischenschritt dahin haben die IPMS-Teams nun KI-Algorithmen in ausgewählte Sensoren integriert, die sich um eine Signalvorverarbeitung kümmern sollen. Konkret handelt es sich dabei um kleine Programme nach dem „Tensorflow Lite“-Standard, die das maschinelle Lernen unterstützen. Die werden nun in Mikroelektromechanische Systeme (Mems) integriert, an denen das Dresdner Photonikinstitut ohnehin bereits seit längerem arbeitet.

Vorteile: Schnelle Reaktionszeit und Nachlerneffekte

„Die Vorteile liegen dabei sowohl in einer geringen Latenz in der Verarbeitung als auch in einer sichereren Datenverarbeitung ohne Netzwerkanbindung“, betonen die IPMS-Forscher. „Weiterhin ermöglicht die Edge-KI-Lösung ein Nachlernen im Feld, um das System für spezielle vor-Ort Randbedingungen zu optimieren.“

Cobotics: Mensch und Maschine sollen künftig enger zusammenarbeiten, auch ohne Schutzzäune. Foto: Kuka

Cobotics: Mensch und Maschine sollen künftig enger zusammenarbeiten, auch ohne Schutzzäune. Foto: Kuka

Edge KI für autonome Autos, Logistik, Industrie 4.0 und Haushaltsroboter

Das Marktpotenzial von Edge-KI-Lösungen dürfte erheblich sein: Solche Konzepte können die Leistungskraft vor allem von mobilen technischen Systemen steigern und deren Stromverbrauch senken. Einsatzfelder sind neben den autonomen Autos, die in naher Zukunft eine wachsende Rolle auf den Straßen spielen dürften, auch automatische Transporter in Großlagern und „Industrie 4.0“-Fabriken sein. Und Experten wie der Dresdner Mobilfunk-Guru Prof. Gerhard Fettweis rechnen damit, dass der reaktionsfreudige Mobilfunk der nächsten, sechsten Generation (6G) eine ganze Welle an neuen Konsumgüterprodukten auslösen wird – vor allem Haushalts- und Alltagsroboter. Und die werden nicht mehr wie heutige Industrieroboter durch starre Schutzzäune von den Menschen getrennt arbeiten, sondern mit ihnen – im wörtlichen Sinne – ständig Hand in Hand interagieren. Dafür werden sie zahlreiche Sensoren mit einer gewissen Eigenintelligenz brauchen, die die Annäherung, die Bewegung oder Berührung durch einen Menschen weit zuverlässiger und rascher erkennen als heutige Systeme.

Prognose: Edge-KI-Markt wächst in 5 Jahren auf 3,1 Milliarden $

Die Analysten von „MarketsandMarkets“ gehen angesichts der zahlreichen Anwendungsmöglichkeiten davon aus, dass der „Edge KI“-Markt von derzeit rund 800 Millionen Dollar auf 3,1 Milliarden Dollar im Jahr 2027 wachsen wird. Zu erwarten sei eine jährliche Wachstumsrate von fast 30 Prozent. Als Einsatzfelder sehen die Analysten das autonome Fahren, intelligente Energiemesssysteme, vorausschauende Wartung, Videoüberwachung und die sogenannten „Smart Cities“.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: Fraunhofer-IPMS, Oiger-Archiv, MarketsandMarkets

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt