Neue Designregeln vom Fraunhofer IWS Dresden sollen Umstieg von Handarbeit im Labor zum massenhaften Spritzguss beschleunigen
Dresden, 30. Januar 2022. Künftig sollen Mikrolabore nach Art der Corona-Schnelltests doppelt so schnell in die Massenproduktion überführbar sein wie bisher. Helfen sollen dabei neue Designregeln, die das Fraunhofer-Institut für Werkstoff- und Strahltechnik (IWS) in Dresden nun gemeinsam mit Partnern aus der ostdeutschen Wirtschaft entwickelt hat. Mit diesem neuen Regelwerk ist es möglich, einmal mit Prototypen-Technologien wie etwa per 3D-Druck im Labor entwickelte Mini-Diagnosesysteme rasch auf die Massenproduktion in Spritzgießmaschinen und ähnlichen Industrieanlagen umzustellen. Das geht aus einer IWS-Mitteilung hervor.
Große Stunde der „Labs on Chip“ schlug mit dem Corona-Schnelltest
Die Teams aus Forschung und Wirtschaft haben sich dabei auf sogenannte „Lab-on-Chip“-Systeme konzentriert, mit denen sich kleine Blut- oder Speichelproben von möglicherweise erkrankten Menschen gleich vor Ort auswerten lassen. Sie bestehen in der Regel aus einem Kunststoff-Träger, in den Kanäle für die Körperflüssigkeiten eingraviert und die stark miniaturisierte Auswerte-Labortechnik integriert sind. Große Bekanntheit erlangten sie vor allem durch die Antigen-Schnelltests in der Corona-Krise. Doch sie sind noch für viele andere Tests und Analysen in Arztpraxen, Pflegeheimen und daheim einsetzbar: „Gerade in der personalisierten Medizin werden sie in Zukunft eine bedeutende Rolle spielen“, ist Biosystemtechnik-Experte Dr. Frank Sonntag vom IWS überzeugt. Denn wofür früher Tage sowie große, teure Labortechnik nötig war, das lässt sich nun in Chiplaboren mit winzigen Patientenproben automatisch und oft binnen weniger Minuten analysieren.
Viele Entwicklungsversuche – doch Sprung zur Massenproduktion war oft zu schwierig
Zwar haben in den vergangenen Jahren viele Forschungsinstitute und Unternehmen derartige Labore in Chipgröße entwickelt – doch nur wenige davon erreichten die Marktreife. Als großes Problem erwies sich nämlich immer wieder der Sprung von der Manufakturfertigung im Labor hin zur Massenproduktion in Industriebetrieben mit ihrem typischen Anlagenpark – eben zum Beispiel Spritzgießmaschinen statt 3D-Drucker oder Rolle-zu-Rolle-Laminiermaschinen statt händischer Polymerfolien-Schichtung. „Bisher mussten Hersteller für die Skalierung in ein anderes Verfahren noch einmal ganz von vorn beginnen“, betonte Florian Schmieder vom IWS, der das Projekt „Skalierbare Mikrofertigung polymerer In-Vitro-Diagnostik-Systeme“ (Simple-IVD) koordiniert hat.
Regelwerk denkt schon bei Entwicklung die Massenproduktion mit
Um dies zu ändern, entwarfen die Projektpartner ein computergestütztes Regelwerk für neue Schnelltests und anderer „Lab-on-Chip“-Systeme. Diese Regeln sorgen dafür, dass schon während der Entwicklung der spätere Umstieg auf Massenproduktionsverfahren berücksichtigt wird. Auch wird es dadurch umgekehrt leichter, bei sinkender Nachfrage auch wieder auf Kleinserien-Technologien zurück zu gehen. Diese neuen Designregeln lassen bisher bereits den Umstieg zwischen Verfahren wie Spritz- und Vakuumguss, Multilagen-Lamination Tiefziehen und mehreren additiven Verfahren wie beispielsweise mit Kunststoff-3D-Druckern zu. „Künftig werden wir die Palette stetig erweitern“, kündigte Schmieder an.
Mehr Innovationstempo möglich
Die Designregeln könnten künftig auch das Innovationstempo in der deutschen Medizintechnik beschleunigen. So dürfte es für junge Unternehmen dadurch leichter werden, Neuentwicklungen zur Marktreife zu führen. Das IWS geht davon aus, dass sich diese Transferzeit durch die neuen Verfahren halbieren lässt. „Die im Verbundprojekt Simple-IVD entwickelten Translationstechnologien helfen uns als Hersteller innovativer Blutseparationstechnologien, neue Produkte schnell und kosteneffizient vom Prototypen zum fertigen Serienprodukt zu entwickeln“, erklärte beispielsweise Dr. Wilhelm Gerdes von der „Cell.Copedia“ aus Leipzig. Das Unternehmen gehörte zu den Projektpartnern, ebenso die „Microfluidic Chipshop“ aus Jena sowie die Dresdner Unternehmen „Gesellschaft für Silizium-Mikrosysteme“ (Gesim) und die „Michael Sander Kunststofftechnik“.
Quelle: IWS Dresden
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