Senckenberg Dresden: Der einstige evolutionäre Vorteil könnte die Räuber empfindlicher gegen menschengemachte Gifte machen
Dresden/Frankfurt am Main, 18. Januar 2021. Was einst ein evolutionärer Vorteil war, könnte sich für manche Tiere durch menschliches Zutun zunehmend in einen Nachteil verwandelt: Als diese Tiere einst ihren Speiseplan auf Fleisch umstellten und zu Raubtieren wurden, minderten sie zwar den Giftanteil in ihrem Essen. Allerdings verloren sie dadurch im Laufe der Evolution auch das Gen NR1I3, das ihnen beim Abbau von Pflanzengiften geholfen hatte. Dieser Verlust entwickelt sich aber zum Problem, da Raubtiere nun auch viele künstliche, menschengemachte Stoffe aus der Umwelt aufnehmen, die eben auch giftig für sie sein können. Das geht aus einer genetische Analyse der Senckenberg-Gesellschaft für Naturforschung in Dresden, des Loewe-Zentrums für Translationale Biodiversitätsgenomik (TBG) in Frankfurt am Main und des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin ergeben.
Schlecht auf künstliche Umweltgifte vorbereitet
„Der geringere Konsum von pflanzlichen Giften hat den Genverlust bei den fleischfressenden Säugern begünstigt – da dieses Gen für das Überleben nicht mehr ‚notwendig‘ war“, erklärt Dr. Heiko Stuckas von den Senckenberg-Naturhistorischen Sammlungen Dresden. „Dies bedeutet aber auch, dass sie nun schlecht auf die durch den Menschen verbreiteten, nicht biogenen, Umweltgifte vorbereitet sind. Dies könnte sich langfristig zu einem evolutionären Nachteil für fleischfressende Säugetiere entwickeln.“
Fett-Gen-Verlust half womöglich, ökologische Nischen zu besetzen
Die Forschungsteams hatten gemeinsam untersucht, wie genetische Veränderungen und Verluste im Laufe der Evolution durch neue Ernährungsweisen zu Stande gekommen sind und welche Unterschiede es dabei zwischen pflanzen- und fleischfressenden Tieren gab. Neben dem Pflanzengift-Abbau-Gen NR1I3 widmeten sie sich dabei auch dem Gen PNLIPRP1, das an der Fettverdauung beteiligt ist. Das interdisziplinäre Team fand heraus, dass der Verlust von PNLIPRP1 in erster Linie mit einer geringen Fettaufnahme verbunden ist – sowohl bei Pflanzen- als auch bei Fleischfressern, die sich auf eine fettarme Nahrung spezialisiert haben. Stuckas: „Das deutet darauf hin, dass der Verlust dieses Gens möglicherweise für die Besetzung ökologischer Nischen, welche durch fettarme Nahrungsressourcen geprägt sind, von Vorteil ist.“
Autor: hw
Quelle: Senckenberg
Wissenschaftliche Publikation:
Wagner, F., Ruf, I., Lehmann, T., Hofmann, R., Ortmann, S., Schiffmann, C., Hiller, M., Stefen, C. & Stuckas, H. (2022): „Rekonstruktion evolutionärer Veränderungen im Fett- und Toxinverbrauch zeigt Assoziationen mit Genverlusten bei Säugetieren: Eine Fallstudie für den Lipase-Inhibitor PNLIPRP1 und den xenobiotischen Rezeptor NR1I3“, in: Zeitschrift für Evolutionsbiologie, 00, 1 – 15. https://doi.org/10.1111/jeb.13 970
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