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Elbe-Flugzeugwerke bauen aus

Die Visualisierung zeigt einen zum Frachter umgebauten A321. Grafik EFW

Die Visualisierung zeigt einen zum Frachter umgebauten A321. Grafik EFW

Weiterer Großauftrag: 280 neue Jobs geplant, Umrüstkapazität für Flugzeuge soll sich verdreifachen

Dresden, 16. August 2021. Wegen der stark wachsenden Nachfrage für Frachtflugzeuge während und nach der Corona-Pandemie vergrößern sich die Dresdner „Elbe-Flugzeugwerke“ (EFW). Allein am Standort Dresden will die Unternehmensleitung die Belegschaft demnächst um etwa 280 auf dann rund 1880 Mitarbeiter erhöhen. Zugleich soll die Dresdner Werft bis 2023 ihre Kapazitäten so ausbauen, dass sie dann jährlich 15 Verkehrsflugzeuge in Frachtflieger umrüsten kann – dreimal so viele wie bisher. Das hat EFW-Sprecherin Anke Lemke auf Oiger-Anfrage mitgeteilt.

Sächsische Ingenieure entwerfen für gesamte Gruppe Flugzeug-Umrüstpläne

Einen Teil der neuen Ingenieure, Techniker und Logistiker, die EFW derzeit anzuheuern versucht, soll sich aber auch um Umrüstaufträge jenseits des Standortes Dresden kümmern. Hintergrund: EFW ist eine Tochtergesellschaft von „Airbus“ und „ST Engineering“. EFW selbst hat außerdem noch einen weiteren Standort im ostsächsischen Kodersdorf mit rund 200 Mitarbeiter, die auf Leichtbau-Aufträge spezialisiert sind. Die Flugzeug-Umrüstungen werden teilweise in Dresden, teilweise aber auch in den USA und an anderen Standorten realisiert. Die individuellen Umbaupläne für jedes einzelne Passagierflugzeug erstellen aber die Dresdner Ingenieure für die gesamte Unternehmensgruppe. Dadurch ist auch ein wesentlicher Teil der Wertschöpfung in der sächsischen Landeshauptstadt konzentriert, auch wenn die eigentlichen Umrüstarbeiten teilweise woanders erledigt werden.

BBAM will 20 A320-Frachter

Das gilt auch für den jüngsten Großauftrag, den EFW an Land gezogen hat: Das Flugzeug-Verleihunternehmen BBAM aus San Francisco – eine der weltweit führenden Leasing-Gesellschaften für Flugzeuge – will 20 Verkehrsmaschinen der Typen A320 und A320 bis 2025 in Frachtflugzeuge umbauen lassen – mit der Option auf weitere Umrüstungen. Das genaue Auftragsvolumen wollten die Vertragspartner nicht nennen. Vermutlich handelt es sich aber um einen dreistelligen Millionenbetrag.

Dresdner Werft schon mit A330-Auftrag vorerst ausgelastet

Weil die Dresdner Werft derzeit allerdings auch 20 Airbusse des Typs A330 für die „Air Transport Services Group“ (ATSG) umbaut und mit diesem Großauftrag vorerst ausgelastet ist, übernimmt die Muttergesellschaft „ST Engineering“ in den USA einen Teil des neuen BBAM-Auftrags. Die Umbaulösung dafür kommt aber eben von den Dresdner Ingenieuren und heißt „A320/A321P2F“. Dabei steht „P2F“ für „Passenger-to-Freighter“. EFW stufte diese Lösung selbst als „technologischen Durchbruch“ ein, da das einstige Passagier-Flugzeug nach dem Umbau im Hauptdeck bis zu 14 Vollcontainer-Standplätze und im Unterdeck bis zu zehn Containerplätze umfasse.

Video über einen
A330-Umbau (Quelle: EFW):

66 Jahre Erfahrung im Flugzeugbau

Die EFW kann sich auf jahrzehntelang angesammelte Expertise im Flugzeugbau und -umbau berufen: Die Dresdner Flugzeugwerke waren 1955 als ein Nukleus für das ambitionierte Düsenverkehrsflugzeug-Programm entstanden. Die Experten dort sammelten aber auch Erfahrungen mit sowjetischen Lizenz-Produktionen sowie der Wartung von MiG-Jagdflugzeugen und Mi-Hubschraubern. Nach dem Fall der Mauer übernahm der Airbus-Vorläufer „EADS“ die Elbe-Flugzeugwerke. In den Folgejahren warteten die EFW-Spezialisten Flugtechnik der Bundeswehr, übernahmen Teilmontage-Aufträge für Flugzeuge von Airbus, Fokker und Bréguet Atlantique. Ab Mitte der 1990er Jahre rückte mehr und mehr die Umrüstung von Passagier- und Frachtflugzeuge in den Fokus von EFW Dresden.

Seit Corona wächst Nachfrage für fliegende Frachter

Seit Corona und im Kontext der globalen Klimaschutz-Debatte hat dieses Geschäftsfeld einen starken Aufschwung erlebt: Viele Verkehrsflugzeuge, darunter auch viele brandneue, stehen teils schon anderthalb Jahre kaum genutzt am Boden. Das verursacht einerseits Betriebskosten, denen keine Einnahmen gegenüberstehen. Andererseits fehlen dadurch auch Transportkapazitäten für den Welthandel. Denn in vorpandemischen Zeiten beförderten Passagiermaschinen immerhin etwa die Hälfte des internationalen Luftfrachtvolumens in ihren Unterdecks. Diese Ausfälle versuchen nun viele Luftfahrtgesellschaften und Leasing-Unternehmen zu entschärfen, indem sie von den Sachsen Urlaubsflieger in Frachter konvertieren lassen.

Das sorgt bei EFW für eine solide Geschäftsentwicklung. 2019, also im Jahr vor Corona, kam das Dresdner Unternehmen auf 300 Millionen Euro Umsatz. Angesichts der sich füllenden Auftragsbücher, der Ausbaupläne und der Wertschöpfungsanteile in Sachsen ist in Zukunft noch mit deutlichen Zuwächsen zu rechnen. Da auch die Muttergesellschaften damit rechnen, dass dies mehr als nur ein kurzer Aufschwung ist, soll die gesamte Umrüst-Gruppe wachsen. Die Gruppe will in naher Zukunft an all ihren Standorten auf eine Gesamtkapazität kommen, die die Umrüstung von 100 Flugzeugen pro Jahr zulässt.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: EFW, ATSG, Oiger-Archiv

Zum Weiterlesen:

Der ostdeutsche Traum vom Fliegen und der Absurz der Baade 152

EFW rüstet Airbus 330 zum Frachter um

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt