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Biofabrik Dresden will Treibhausgas aus der Luft in Treibstoff verwandeln

Biofabrik-Gründer Oliver Riedel. Foto: Biofabrik

Biofabrik-Gründer Oliver Riedel. Foto: Biofabrik

Unternehmer Oliver Riedel möchte nun zweistellige Millionenfinanzierung von Investoren einwerben

Dresden/Rossendorf, 9. Juli 2021. Nach der heißen Verwandlung von Plastemüll in Synthetik-Öl möchte sich Umwelttechnik-Unternehmer Oliver Riedel dem nächsten ökologischen Problem unseres Planeten widmen: „Wir müssen einen Weg finden, um Kohlendioxid aus der Luft zu holen“, hat er heute in Dresden angekündigt. Konkret sollen dies künftige Maschinen aus seiner „Biofabrik“ übernehmen, die das Treibhausgas aus der Luft saugen und es in Kraftstoff verwandeln.

Schwimmende Roboter auf Plastemülljagd in den Weltmeeren

Nebenbei plant er auch noch schwimmende Riesenroboter. Die sollen all den Plasteabfall aus den Meeren fischen, mit Drohnen zu verlassenen Ölplattformen bringen, wo Hunderte seiner Pyrolyse-Anlagen aus Müll wertvollen Treibstoff machen. Um diese und weitere ambitionierte Entwicklungsprojekte zu bezahlen, will er einen Minderheitsanteil am Unternehmen an Investoren verkaufen und dafür einen zweistelligen Millionenbetrag einnehmen.

Online-Supermarktbetreiber wurde zum Hightech-Entmüller

Aus anderem Munde würde man solch hochfliegende Projekte vielleicht als Spinnerei abtun. Doch Riedel hat einige Erfahrung damit, Innovationen in profitable Geschäftsmodelle zu transformieren. Bekannt geworden war er als Internetunternehmer, der kurz vor der Jahrtausendwende den ersten deutschen Online-Supermarkt aufbaute. Nach zehn Jahren verkaufte er seine Firma lebensmittel.de. Auf Reisen durch Indien, Kambodscha und andere Weltgegenden fand er seine nächste Aufgabe und Berufung: die Welt retten und dabei auch Geld verdienen: Familien, die inmitten von Plastemüllhalden hausen, Fischer, die ihr altes Kutteröl in den selben Fluss kippen, in dem wenige Meter weiter Kinder baden – all dies brachte ihn auf eine Idee: Altbekannte Technologien aus Deutschland soweit zu verfeinern und zu dezentralisieren, dass Menschen daraus ein Auskommen beziehen und gleichzeitig die Umweltzerstörung weltweit stoppen.

Erstes Anlage machte Dünger aus Gras

Und so gründete der einstige Internetunternehmer Ende 2011 die „Biofabrik“ in Dresden-Rossendorf. Er trommelte Maschinenbauer, Ingenieure und Software-Entwickler zusammen und setzte sie darauf an, technologische Lösungen für ökologische Probleme zu finden – und das bitteschön am Ende des Tages auch gewinnbringend. Als erstes lieferte ihm sein Team eine Maschine, die Gras in Dünger verwandelte. „Dieser Dünger ist heute der meistverkaufte Dünger bei Amazon“, behauptet Riedel. Bis heute produziert die Biofabrik diesen „veganen Dünger“ als Nebenprodukt mit einer kleinen Anlage im Nordosten der Republik.

"Wastx Oil"-Aufbereiter. Foto: Biofabrik

„Wastx Oil“-Aufbereiter. Foto: Biofabrik

Neues Geschäftsmodell rund um Ölaufbereiter aufgebaut

2019 wurde die nächste Anlagenlinie fertig, die alte Öle, Kerosinreste und Schmierstoffe zu wiederverwendbarem Öl aufbereitet. „Das war eigentlich auch nur als Nischenprodukt gedacht, hat sich aber als Riesenmarkt erwiesen“, sagt Riedel. Deshalb hat er inzwischen in Bernsdorf bei Hoyerswerda eine eigene Fabrik dafür eingerichtet, die laut dem Chef nun die Serienproduktion der Ölaufbereiter gestartet hat. Das Geschäftsmodell dabei: Die Biofabrik baut die Anlagen, übergibt sie dem Kunden betriebsbereit und gibt eine Abnahmegarantie für das erzeugte Recycling-Öl. Das holen sogenannte „Blender“, die neue und aufbereitetes Öl zu verkaufsfähigem Motoröl mischen, dann beim lokalen Betreiber ab – und die Biofabrik kassiert neben dem Verkaufspreis der Anlage auch jeweils Provisionen. Kunden seien hier beispielsweise Kfz-Werkstätten, Tankreiniger, Flughäfen und andere Unternehmen, die bisher viel Geld für die Entsorgung ihres Altöls oder –Kerosins ausgeben mussten und nun damit sogar Kasse machen können.

Aus Plastemüll machen die in Containern eingehausten Pyrolyse-Anlagen der "Biofabrik" Dresden synthetisches Öl sowie weitere verwertbare Stoffe. Echter "Abfall" bleibt kaum übrig, versichern die Ingenieure aus Sachsen. Foto: Heiko Weckbrodt

Aus Plastemüll machen die in Containern eingehausten Pyrolyse-Anlagen der „Biofabrik“ Dresden synthetisches Öl sowie weitere verwertbare Stoffe. Echter „Abfall“ bleibt kaum übrig, versichern die Ingenieure aus Sachsen. Foto: Heiko Weckbrodt

Defacto-Rentabilitäts-Garantie für den Kunden.

Die jüngste Biofabrik-Innovation sind Pyrolyse-Anlagen, die Plastemüll bis knapp unter den Verbrennungspunkt erhitzen, so dass die langen Kunststoffmoleküle zerfallen. Die containergroßen Maschinen holen rund einen Liter Syntheseöl aus jedem Kilo Plasteabfall. Außerdem entstehen anteilig fünf Prozent Restmüll-Asche und zehn Prozent Gas, das einen eigenentwickelten Motor für den Eigenenergiebedarf der Anlage antreibt. Hier beginnt die Serienproduktion aber gerade erst. Diese Maschinen sind komplexer und teurer als Ölaufbereiter und kosten rund 250.000 Euro pro Stück. Aber auch hier will Riedel mit einem ähnlichen Geschäftsmodell wie beim Altöl agieren, also die Ölabnahme garantieren – de facto eine Art Rentabilitäts-Zusage für den Kunden.

Produktion nach Tschechien und Österreich ausgelagert

Hatte die Biofabrik-Spezialisten den ersten Pyrolyse-Prototypen noch im Biofabrik-Hauptquartier in Dresden-Rossendorf gebaut, hat Riedel die Serienproduktion der Maschinen nun ganz an Auftragsfertiger in Tschechien und in Österreich ausgelagert.

Die Visualisierung zeigt, wie die Fabrik im Industriepark "Schwarze Pumpe" künftig auf zwei Etagen 200 Pyrolyse-Module aufnehmen soll, um 200 Tonnen Kunststoffmüll pro Tag zu verwerten. Grafik: Enespa

Die Visualisierung zeigt eine geplante Pyrolyse-Fabrik im Industriepark „Schwarze Pumpe“. Grafik: Enespa

Die dabei eingesetzte Basistechnologie „Pyrolyse“ ist nicht neu: Sie ist schon seit über Jahrtausenden bekannt und wurde beispielsweise im II. Weltkrieg vom Deutschen Reich eingesetzt, um die eigene Treibstoff-Knappheit zu mindern. Das Besondere am Biofabrik-Konzept ist einerseits das kleinformatige Konzept, das einen Pyrolyse-Container für jedes Dorf in Asien erschwinglich machen soll, anderseits aber auch zu Großanlagen koppelbar ist. Außerdem sagen die Biofabrik-Ingenieure, dass durch ihren technologischen Feinschliff die Pyrolyse endlich auch gewinnbringend geworden sei und gleichzeitig hohe Umweltstandards erfülle. Man darf gespannt sein, ob diese Konzepte die Investoren überzeugen und der 52-köpfigen Biofabrik-Mannschaft den erhofften Millionenregen für die nächste Entwicklungsphase eintragen.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: Biofabrik, Oiger-Archiv

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt