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„The 800“: Chinesisches Heldenepos im deutschen Heimkino

Szene aus dem chinesischen Kriegsfilm "The 800". Abb.: Koch Film

Szene aus dem chinesischen Kriegsfilm „The 800“. Abb.: Koch Film

Aufwendiger Kriegsfilm deutet Rückzugsgefecht gegen die Japaner als Großheldentat

China feilt an seiner Geschichte herum: Eigentlich war es im II. Weltkrieg innerlich marode und zerstritten, ein Spielball fremder Mächte. Dieses wenig heroische Bild will Regisseur Hu Guan nun mit dem monumentalen Epos „The 800“ „geraderücken“. Darin erzählt er über ein gar tapferes Regiment von 800 Helden, die im Jahr 1937 tagelang ein Lagerhaus in Shanghai gegen Divisionen japanischer Invasoren verteidigen. Wer da automatisch an Herodot denkt und an eine alte abendländische Legende um 300 Spartaner, die ein persisches Millionenheer aufhalten, hat den Sinn und Zweck von Chinas neuem cineastischen Großwerk gewiss nicht völlig falsch verstanden…

Einer der Kindersoldaten aus "The 800" träumt davon, ein glorreicher Feldherr aus Chinas Vergangenheit zu sein. Abb.: Koch-Films

Einer der Kindersoldaten aus „The 800“ träumt davon, ein glorreicher Feldherr aus Chinas Vergangenheit zu sein. Abb.: Koch-Films

Die Story: Patriotisches Kampferlebnis macht aus Bauern Heroen

Hu Guan wählt die von „Herr der Ringe“ und vielen anderen jüngeren Filmepen bewährte Perspektive des kleinen Mannes für seine Erzählung: viele der angeblich 800 mit deutschen Waffen ausgerüsteten „Elite“-Soldaten sind Deserteure, Bauern und Weicheier, von denen viele gar keinen Stahlhelm haben und eigentlich nur nach Hause abhauen wollen. Doch das gemeinsame patriotische Erlebnis stählt sie zu Helden, bejubelt von den zivilen Landsleuten auf der anderen Flussseite, im geschützten „Konzessions“-Gebiet der Westmächte in Shanghai.

Werbevideo (Koch-Films):

Dabei ist ihr Kampf – anders als bei den Spartanern am Thermopylen-Pass – auch ziemlich sinnfrei: Sie sollen ein verlassenes Warenhaus in Shanghai verteidigen, das eigentlich keine strategische Bedeutung hat. Die chinesischen Politiker und Kommandeure stilisieren es um eines gesichtswahrenden diplomatischen Winkelzugs willen zur Festung hoch, die angeblich drei Tage lang symbolträchtig gegen die bisher unaufhaltsamen Japaner gehalten werden müsse – egal, wie hoch der Blutzoll ist. Zwischendurch entschließt sich der befehlshabende Oberst gegen jeden militärischen Sachverstand, dass seine Soldaten auf dem Warenhaus eine gigantische chinesische Flagge hissen und mit der Hand festhalten sollen. Dort stehen sie dann wie auf dem Präsentierteller und verlieren einen Mann nach dem andere, während sie Schwachsinnsmissionen wie „Verteidigt die chinesische Fahne!“ zu erfüllen versuchen. Schließlich kommt zwar doch der Rückzugsbefehl in die Konzession, allerdings so spät, dass die Japaner nun von ihren Stellungen aus in aller Ruhe fast jeden massakrieren, der da über die Brücke stürmt. Und selbst dieses Hasenpanier stilisiert Regisseur Hu Guan mitr bombastischer Musik noch zur Heldentat hoch…

Während "The 800" auf der einen Flussseite sterben, sieht es in im geschützten "Konzessions"-Gebiet von Shanghai am anderen Flussufer wie im Frieden aus. Abb.: Koch-Films

Während „The 800“ auf der einen Flussseite sterben, sieht es in im geschützten „Konzessions“-Gebiet von Shanghai am anderen Flussufer wie im Frieden aus. Abb.: Koch-Films

Fazit: Patriotischer Kitsch in hochwertiger Optik

In China waren die „800“ ein großer Kassenschlager, was nicht nur am patriotischen Sujet liegen mag, sondern auch an der sichtlich teuren Produktion, an der körnigen Doku-Optik, die sich Hu Guan bei „Ein Soldat namens Ryan“ und ähnlichen Produktionen angeschaut hat, und den aufwendigen Kampfszenen. Ob dieses nationalbewusste Heldenepos, das sicher auch Präsident Xi in Peking gefallen hat, auch hierzulande so gut ankommt, bleibt abzuwarten: So viel Overacting und patriotischen Megakitsch ist man hierzulande selbst aus einschlägigen US-Schinken nicht mehr gewöhnt.

Sehen nur auf den ersten Blick wie die Wehrmacht aus: Chinesische Soldaten rennen mit deutscher Ausrüstung los. Szenenfoto (Koch-Films) aus "The 800"

Sehen nur auf den ersten Blick wie die Wehrmacht aus: Chinesische Soldaten rennen mit deutscher Ausrüstung los. Szenenfoto (Koch-Films) aus „The 800“

Wobei gerade dieser Film besonders schräge Bezugspunkte zur eigenen deutschen Vergangenheit hat: Ein Teil der „800“ ist nämlich mit deutschen Weltkriegsstahlhelmen ausgerüstet. Ständig kommt dadurch die Sinnenstäuschung auf, die Wehrmacht renne da durch Shanghai…

Bluray-Hülle von "The 800". Abb.: Koch-Films

Bluray-Hülle von „The 800“. Abb.: Koch-Films

Kurzinfo:

  • Internationaler Titel: „The 800“
  • Originaltitel: „Ba Bai“
  • Genre: Kriegsfilm
  • Produktionsland und -jahr: China 2020
  • Regie: Hu Guan
  • Laufzeit: 149 Minuten
  • Altersfreigabe: FSK 16
  • Preis: 12 Euro (Videostrom, ab sofort verfügbar), ab 22.4.21 auch auf Bluray und DVD

Autor der Rezension: Heiko Weckbrodt

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt