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Ifo Dresden: Corona schädigt deutsche Wirtschaft langfristig

Prof. Joachim Ragnitz ist Stellvertretender Leiter der ifo-Niederlassung Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Prof. Joachim Ragnitz ist Stellvertretender Leiter der ifo-Niederlassung Dresden. Foto: Heiko Weckbrodt

Investitionen bleiben aus und dies sorgt für eine Ausbremsspirale, warnt Wirtschaftsforscher Ragnitz

Dresden, 12. November 2020. Die Corona-Pandemie und die staatlichen Gegenmaßnahmen werden die deutsche Wirtschaft nicht nur kurzfristig, sondern auch auf längere Sicht schädigen. Das hat Prof. Joachim Ragnitz vom Ifo-Institut in Dresden prognostiziert.

Die Diskussion um die ökonomischen Folgen der Coronakrise konzentriert sich bislang vor allem auf die eher kurzfristigen konjunkturellen Effekte“, betont er in einem nun erschienenen Aufsatz. „Tatsächlich besteht das Risiko, dass die wirtschaftliche Entwicklung auch längerfristig negativ hierdurch beeinflusst wird.“

Pandemiebedingte Ausfälle nehmen Unternehmen den Spielraum für Investitionen

Als Hauptgrund für diese Prognose führt der Dresdner Wirtschaftsforscher die anhaltende Investitionszurückhaltung und den Kapitalschwund vor allem in der Industrie an: „Die realen Ausrüstungsinvestitionen haben sich schon im Jahre 2019 äußerst schwach entwickelt“, argumentiert Joachim Ragnitz. Und: „Die pandemiebedingten Umsatz- und Gewinnausfälle nehmen Unternehmen den Spielraum, notwendige Investitionen in das Sachkapital zu finanzieren.“ Zudem zehren viele Unternehmen jetzt ihre Rücklagen auf. Wenn aber das Eigenkapital sinkt, wird es zusätzlich auch schwerer, für geplante Innovationen und Investitionen Kredite von den Banken zu bekommen. Wenn aber weniger investiert werde, bremse dies nicht nur die Modernisierung des Produktionsapparats, sondern auch die Produktivitätsentwicklung und die Zahl neuer Arbeitsplätze.

Schul- und Uni-Einschränkungen können Bildungserfolge einer ganzen Generation beeinflussen

Hinzu kommen laut Ragnitz noch länger wirkende Effekte: Zu fürchten sei nämlich auch, „dass sich der Ausfall von Schulunterricht während des Lockdown, gegebenenfalls auch der weitgehende Verzicht auf Präsenzveranstaltungen an den Hochschulen, negativ auf den Bildungserfolg der Betroffenen auswirkt“, zitiert der Forscher aus anderen Studien. Dies könne langfristig zu einer qualitativen Verschlechterung des künftigen Arbeitskräfteangebots führen.

Prognose: Dienstleister erholen sich nach Krise rasch, Industrie hat auf Jahre zu knabbern

Wenn die Pandemie abflaut und der staatlich verhängte Ausnahmezustand enden, werden sich laut Ifo die übrig gebliebenen Teile derjenigen Branchen am schnellsten erholen, die jetzt am stärksten leiden – während das Rückgrat der deutschen Wirtschaft, die ohnehin in mehreren Transformationen steckende Industrie, besonders mit langfristigen Folgen kämpfen muss. „Während sich manche aktuell stark betroffene Branche wie z. B. Tourismus oder Gastronomie relativ schnell wieder erholen dürfte, sobald die nachfrageseitigen Restriktionen wegfallen, könnten in der Industrie Produktionskapazitäten auch dauerhaft wegfallen“, warnt Ragnitz. „Weite Teile des Verarbeitenden Gewerbes stehen ohnehin vor einem tiefgreifenden Strukturwandel, vor allem wegen der politisch gewollten Dekarbonisierung der Produktion, der jetzt durch die Coronakrise zusätzlich erschwert wird. Die Politik muss dafür Sorge tragen, dass diese Belastungen nicht zu Lasten des Wohlstandsniveaus in Deutschland gehen.“

Autor: hw

Quelle: Ifo Dresden

Wissenschaftliche Publikation:

Joachim Ragnitz: „Langfristige wirtschaftliche Auswirkungen der Coronapandemie“, in: ifo Schnelldienst 11/ 2020 -> nachzulesen hier

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt