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Nabelschnur-Zellen aus Dresden sollen Corona-Kranke in Kanada heilen

Professor Mario Rüdiger (2.v.r.) mit seinem Team, das aus der Nabelschnur Neugeborener mesenchymale Stromazellen gewinnt. Foto: Hochschulmedizin Dresden

Professor Mario Rüdiger (2.v.r.) mit seinem Team, das aus der Nabelschnur Neugeborener mesenchymale Stromazellen gewinnt. Foto: Hochschulmedizin Dresden

„Mesenchymalen Stromazellen“ sollen Entzündungssturm bremsen und Regeneration anschieben

Dresden/Ottawa, 24. Mai 2020. Kandische Wissenschaftler haben um spezielle Zellen von Nabelschnurblut aus Dresden gebeten, um damit Corona-Kranke in Ottawa zu heilen. Professor Mario Rüdiger und sein Team von der medizinischen Fakultät der TU Dresden haben die Zellen nun so vorbereitet, dass sie tiefgekühlt per Luftfracht nach Kandada gebracht werden können. Das geht aus einer Mitteilung der medizinische Fakultät „Carl Gustav Carus“ der Technischen Universität Dresden hervor.

Neuartiges Verfahren, um besonders potente Zellen aus Nabelschnurblut zu gewinnen

Hintergrund: Das Forscherteam um Prof. Rüdiger hat am „Zentrum für Regenerative Therapien Dresden“ (CRTD) ein Verfahren entwickelt, um besonders junge und aktive Zellen aus dem Nabelschnurblut von Neugeborenen zu gewinnen, die viel aktiver als ältere Stammzellen sind. Ursprünglich wollte der Neonatologe mit diesen sogenannten „mesenchymalen Stromazellen“ (MSC) die Lungenschäden von Frühgeborenen behandeln. Ein Ziel sei es aber auch immer gewesen, „die neuen Verfahren auch für die Therapie Erwachsener zugänglich zu machen“, betonte Professor Rüdiger.

Chinesen haben schon mit Nabelschnur-Zellen therapiert

Und diese Chance bietet sich nun: Bereits im Februar 2020 hatte es Berichte aus China gegeben, dass dort Ärzte erfolgreich Covid19-Kranke mit mesenchymaler Stammzellen aus Nabelschnur-Blut behandelt haben. Ein Problem dabei: Eine Massenproduktion solcher ist nicht in Sicht. Aber: Während bei dem gewöhnlichen Verfahren die entnommenen Stammzellen im Labor bis zu zehn Mal verdoppelt werden müssen, um einen einzigen Patienten zu therapieren, reicht bei dem Dresdner Zellmaterial eine Verdopplung, um parallel zehn Patienten zu behandeln.

So sehen mesenchymale Stromazellen unterm Mikrokop aus. Sie werden aus dem gallertartigen, gefäßfreien Inneren der Nabelschnur von gesunden Neugeborenen gewonnen. Foto: Hochschulmedizin Dresden

So sehen mesenchymale Stromazellen unterm Mikrokop aus. Sie werden aus dem gallertartigen, gefäßfreien Inneren der Nabelschnur von gesunden Neugeborenen gewonnen. Foto: Hochschulmedizin Dresden

Zellen fliegen tiefgekühlt nach Kandada

Diese Dresdner Zellen will eine Arbeitsgruppe um Professor Duncan Stewart und Professor Bernard Thébaud vom „Ottawa Health Research Institute“ nun nutzen, um zunächst zehn Corona-Patienten zu behandeln. Die Zellen sollen zunächst die gefährliche Überreaktion des Immunsystems auf das Virus stoppen und dann die Selbstheilung der geschädigten Organe unterstützen.

Corona schädigt nicht nur die Lunge

Laut aktuellen Erkenntnisstand schädigt Covid19 in lebensgefährlichen Fällen nicht nur wie eine klassische Lungenentzündung die Lunge, sondern unter Umständen auch das Gehirn, die Nieren und andere Organe. Auslöser sind wohl Thrombosen und kleine Embolien, also Blutgefäß-Verstopfungen, die zu einer Unterversorgung der betroffenen Organe führen und schließlich zu deren Versagen. Während der Körper versucht, „Umleitungen“ für die verstopften Blutbahnen zu legen, sorgt anscheinend eben diese Prozess dafür, dass das Immunsystem noch mehr zu einer Überreaktion angeregt wird. Dies kann zu einem sogenannten „Zytokinsturm“ führen: Das Immunsystem des Patienten gerät so außer Kontrolle, dass eigenes Gewebe zerstört wird. Diesen Zytokinsturm können die Stromazellen womöglich bremsen und dann sogar eine Regeneration des Gewebes unterstützen – so die Hoffnung der kanadischen Wissenschaftler.

Dresdner arbeiten auch an eigenen Therapien

Die Dresdner Wissenschaftler und ihre Kollegen haben derweil Fördermittel beantragt, um parallel dazu auch eigene Therapie-Forschungen voranzutreiben. Geplant sind demnach in Rotterdam und Dresden weitere Studien mit den Stammzellen an Covid-19-Patienten.

Autor: hw

Quelle: Med. Fakultät der TU Dresden, IDW, UKE

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt