Schulden sind in einer Ausnahme-Krise wie jetzt kaum vermeidbar, meint Clemens Fuest – und plädiert auch für eine Bodenabgabe in Italien
München, 9. Mai 2020. Um von den Corona-Pandemie besonders betroffenen EU-Mitgliedern wie Italien und Spanien – jenseits der Sofrthilfe – nach der Krise auch wirtschaftlich wieder auf die Beine zu helfen, sind mehrere Finanzierungsquellen nötig und klare Vorstellungen darüber, wofür die Hilfsgelder und -kredite ausgegeben werden sollten. Das hat Prof. Clemens Fuest, der Präsident des Ifo-Wirtschaftsforschungsinstituts in einem Videovortrag „Die Corona-Krise und der Euro“ betont. Er plädierte unter anderem für eine Bodenabgabe in Italien und gegen eine Verteilung nach dem Gießkannenprinzip.
Der vollständige Vortrag von Clemens Fuest mit Diskussion (Ifo):
Forschungsagentur à la Darpa – aber ohne Militärfokus
Unter anderem schloss sich der Ifo-Chef dem Vorschlag an, in Europa eine Forschungsagentur für Sprunginnovationen ähnlich der Darpa in den USA einzurichten, allerdings ohne den strikt militärischen Fokus der Darpa. Sinnvoll seien EU-Kapitalspritzen auch angelegt, wenn man sie in den Aufbau einer leistungsstarken europäischen Infrastruktur – etwa bessere Energienetze, Straßen mit Elektro-Oberleitungen und Hochgeschwindigkeits-Bahnstrecken – investiere. Fokussieren dürfe sich solch ein Fonds, der erst nach dem Ende der Krise erst richtig greife, jedenfalls nicht auf Akuthilfen, sondern auf nachhaltige Projekte an den Stellen, an denen der Markt versage, wo die Privatwirtschaft selbst nicht investiere. „Hier gibt es eine gewisse Gefahr, dass sich diverse Lobbys das Geld aneignen“, sagte Fuest mit Blick auf die Zuschussforderungen aus dem Tourismussektor und vielen anderen Seiten, die in der Corona-Krise auf die Politiker einprasseln.
Volkswirt: Corona-Krise ist weit tiefer als die Finanzkrise 2009
Um solche Hilfe zu finanzieren, seien Schulden kaum vermeidbar und wohl auch sinnvoll, betonte der Volkswirt: Schon jetzt sei sichtbar, dass die durch Corona und die Anti-Corona-Maßnahmen ausgelöste Wirtschaftskrise einzigartig in Umfang, Fallhöhe und Tempo sei, wenn man sie etwa mit der Finanzkrise 2009 vergleiche. „Man kann hier nur von einem Schock sprechen“, sagte Fuest. Verschärfend komme hinzu, dass – anders als in der Finanzkrise – diesmal auch China als stabilisierender Weltwirtschafts-Faktor herausfalle. Das treffe exportorientierte Staaten wie Deutschland besonders. Zudem seien viele EU-Staaten mit einer viel tieferen Verschuldung als 2009 in die Krise gestolpert. Das enge die Spielräume für nationale Hilfsprogramme ein. Absehbar sei aber auch, dass Deutschland wahrscheinlich wirtschaftlich weniger stark abstürzt als etwa Italien, Spanien oder Frankreich.
Insofern seien gemeinsame europäische Programme, wie sie im „European Recovery Fund“ (ERF) auf der Basis einer EU-Schuldenaufnahme angedacht seien, durchaus sinnvoll. Dies werde wohl zur Hauptfinanzierungsquelle der Hilfen.
Geld nicht für Verstaatlichungswünsche zweckentfremden
Den Steuerzahlern in den Geberländern sei eine gemeinsam zu schulternde Schuldenlast allerdings kaum zu vermitteln, wenn die Empfängerländer nicht auch eigene Geldquellen nutzen und wenn damit womöglich Projekte jenseits der Corona-Krise finanziert werden sollen. Dazu zählen Fuest wie auch sein Ifo-Vorgänger Prof. Hans-Werner Sinn etwa den Wunsch einiger Politiker, nationale Unternehmen zu verstaatlichen – unter dem Vorwand, sie vor „feindlichen Übernahmen“ etwa durch Chinesen zu schützen.
Vermögensabgabe darf nicht Kapitalflucht aus Italien anheizen
Zudem sprach sich Fuest für eine Vermögensabgabe auf Grund und Boden in Italien aus. Gründe: Der italienische Staat ist nicht so sehr im Ausland als vielmehr bei italienischen Gläubigern verschuldet. „Es ist nicht vermittelbar, dass andere Länder diese Schulden des italienischen Staates bei den eigenen Bürgern bezahlen sollen“, sagte Fuest mit Blick auf die ablehnende Haltung Deutschlands, Österreichs und der Niederlanden gegen die von Italien gewünschten „Coronabonds„. Zudem liegen die privaten Vermögen in Italien höher als in Deutschland und anderen Ländern – die vermögenden Italiener an der Rettung des eigenen Staates zu beteiligen, sei keine abwegige Idee. Laut „Credite Suisse“ besitze ein durchschnittlicher Haushalt in Italien Vermögen im Wert von etwa 234.000 Euro, ergänzte Hans-Werner Sinn. In Deutschland betrage dieses durchschnittliche Haushaltsvermögen „nur“ etwa 216.000 Euro.
„Würde jede Regierung Kopf und Kragen kosten“
Eine Vermögensabgabe dürfe allerdings keine Kapitalflucht auslösen, warnte Fuest. „Wir haben ja jetzt schon das Problem, das niemand mehr in Italien investieren will.“ Daher könne diese Abgabe auf Vermögen erhoben werden, „das nicht weglaufen kann: Grund und Boden“. Aber es werde sich wohl kaum ein italienischer Politiker finden, der so etwas durchzusetzen versucht: „Das würde wohl jede Regierung Kopf und Kragen kosten.“
Autor: Heiko Weckbrodt
Quellen: Videovortrag Clemens Fuest: „Die Corona-Krise und der Euro“, gehalten am 28. April 2020, veröffentlicht am 4. Mai 2020, Wikipedia. Credit Suisse, DLF
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