Die Berliner Philharmoniker machen im Konzert ihre Instrumente ordentlich heiß, haben Material-Forscher mit ihren Infrarot-Kameras herausgefunden
Dresden/Berlin, 22. April 2020. Wenn die Corona-Viren schon die Menschen abhalten, in schicker Garderobe ins Konzert zu gehen und die akustischen Schwingungen aus dem Orchester am eigenen Leibe zu spüren, muss eben Technologie für ungewöhnliche musisch-energetische Einblicke sorgen. Deshalb haben sich die Berliner Philharmoniker und Dresdner Fraunhofer-Experten bei einem gemeinsamen Sonntags-Kaffee zu einer heißen Serie verabredet: Die Musiker spielen und die Wissenschaftler visualisieren die thermische Inbrunst, mit der die Philharmoniker ihre Violinen, Posaunen und anderen Instrumente im Konzert beherrschen.
Eindrucksvolle Thermogramme entstanden
Möglich machen dies Infrarot-Kameras, mit denen die Wissenschaftler vom Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung (IFAM) Dresden sonst eher neue Speichermaterialien oder Wärmetauscher analysieren. Für die „Heat“-Bilderserie“, die die Philharmoniker inzwischen ihren Abonnenten zugesandt haben, fotografierten die Fraunhofer-Spezialisten die Instrumente der Philharmoniker vor und nach dem Spiel. „Die dabei entstandenen Thermogramme zeigen eindrucksvoll und zum Teil auch überraschend, welche Temperaturen an welchen Stellen der Instrumente entstehen“, berichteten die IFAM-Forscher. Sichtbar werden dadurch nämlich die „Hotspots“, jene Stellen also, die die Musiker mit ihren Händen.
Instrumente erhitzen sich beim Spiel um bis zu zehn Grad
Dabei kam auch Überraschendes zutage: Demnach erwärmt sich beispielsweise das Mundstück einer Trompete auf bis zu 30 Grad, das Griffbrett einer Violine nur auf bis zu 25 Grad im Verhältnis zur Raumtemperatur von 20 Grad. Denn Blechblasinstrumente nehmen Wärme schneller auf, geben sie aber auch rascher wieder ab. Holzblasinstrumente dagegen nehmen Wärme langsamer auf, halten diese dafür aber länger. Und Instrumente können sich beim Spielen um bis zu zehn Grad erhitzen.
Ganz neue Perspektive auf die Musik
„Mit ihrer besonderen Ästhetik ermöglichen die Warmebilder eine ganz neue Perspektive auf die Musik“, meinen die Philharmoniker nun. „Sie zeigen eindrucksvoll, wie und wo sich die enorme künstlerische Intensität der Berliner Philharmoniker als pure Energie an ihren Instrumenten nachweisen lasst.“ Die Resonanz sei sehr gut gewesen, bestätigte eine Sprecherin der Philharmoniker. „Die Musiker fanden das superspannend und waren begeistert. Wir wollen die Zusammenarbeit mit Fraunhofer deshalb gerne fortsetzen, wenn der Spielbetrieb wieder losgeht. Wir möchten zum Beispiel mehr Bewegtbilder, damit man dem Publikum in kurzen Clips besser zeigen kann, was da beim Spielen passiert.“
Musiker und Forscher wollen weiter zusammenarbeiten
„Sowohl die Musiker wie unsere Wissenschaftler waren sehr fasziniert, wieviel Hitze da entsteht“, berichtete IFAM-Sprecherin Cornelia Müller. Geplant sei, die Zusammenarbeit zwischen Dresdner Wissenschaftlern und Berliner Musikern künftig fortzusetzen. Einig sind sich aber beide Seiten bereits über einen wichtigen Punkt: Über die energetischen Qualitäten der Musiker sagen die thermischen Scans indes wenig aus – der rechte Ton macht noch immer die Musik.
Autor: Heiko Weckbrodt
Quellen: IFAM Dresden, Berliner Philharmoniker
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