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„I think I Spider“: Wie Englisch das Deutsche verändert

Hülle von "I think I Spider" vom Duden-Verlag.

Hülle von „I think I Spider“ vom Duden-Verlag.

Buch über Worthülsen, Wichtigtuerei – und sinnvolle Impulse für unsere Sprache

Vorbei die Zeiten, in den wir die Wahl hatten und für oder gegen etwas votierten – heute voten wir nur noch. Auch fällt es inzwischen schwer, Ereignisse oder gar Höhepunkte anzukündigen, da wir nonstopp Events und Highlights zu announcen haben. Derartige Perlen denglischer Sprachakrobatik hat der Journalist Andreas Hock gesammelt und breitet sie nun in dem unterhaltsamen Büchlein „I think I Spider“ vor seiner geneigten Leserschaft aus.

„Eine moderne Sprache muss sich weiterentwickeln“

Dankenswerterweise verzichtete er dabei auf den leicht eifernden Duktus mancher Sprachretter, sondern sieht das ins Deutsche einsickernde Englisch – einmal abgesehen von vielen Entleisungen – auch als Bereicherung: „Eine moderne Sprache muss sich weiterentwickeln und verändern, will sie nicht vertrocknen und auf einem Stand von vor Hunderten Jahren zur Stammessprache verkommen, die nur noch von einer verschwindend geringen Minderheit gesprochen wird“, betont er. Zu erinnern sie an dieser Stelle an die starken Einflüsse der Slawen, Araber, Römer und schließlich der Franzosen auf unsere Sprache, die ohne all diese Zisch- und Kehllaute, ohne die eleganten frankophonen Einsprengsel wohl kaum ihre heutige Ausdrucksbreite gefunden hätte.

Alamode war wie das Denglisch unserer Tage – auf Pseudofranzösisch

Und schon damals, als jeder Regionalfürst und jede Hofschranze in deutschen Landen ein kleiner Sonnenkönig zu sein beliebte, kam es zu ähnlich bizarren Auswüchsen wie heute durch exzessive deutsch-englische Sprach-Mixturen: „Die Hinwendung zur Ausdrucksweise unserer westrheinischen Nachbarn ging irgendwann sogar so weit, dass zum Ende des 18. Jahrhunderts mehr französische Grammatikformen bei uns existierten als in Frankreich selbst“, erinnert Hock. „Am Hofe indes sprach und schrieb man gerne Alamode – eine skurrile französisch-deutsche Mischversion, die dem heutigen Denglisch nicht unähnlich war Auch damals ging es vor allem darum, sein Gegenüber mit der eigenen Weltläufigkeit zu beeindrucken und in einen Dialog oder einen Briefwechsel an passenden und oftmals auch unpassenden Stellen französische Wörter einfließen zu lassen.“

Das Public Viewing ist eigentlich eine Totenschau, der Oldtimer ein alter Soldat

Interessant sind auch seine Exkurse über längst zu Recht vergessene vergebliche Versuche, Deutsch als Weltsprache zu etablieren, über die Gründe, warum Deutsch von vielen Menschen als roh empfunden wird (die Konsonanten sind schuld) und über die deutschen Einflüsse auf andere Weltsprachen. Besonderen Unterhaltungswert haben indes jene Kapitel, in denen er Wörter und Wendungen beleuchtet, die englisch klingen sollen, aber tatsächlich Schöpfungen deutscher Wichtigtuer und Werbe-Heinis sind. Wenn wir beispielsweise zum „Public Viewing“ gehen, sollten wir hoffen, dass keine englischen Muttersprachler dabei sind – denn die würden keinen gemeinsamen Fußballabend, sondern eine Totenschau erwarten. Auch das Handy, der Hometrainer, das Fitnessstudio, der Barkeeper, der Mixer, der Showmaster, die Mailbox und der Oldtimer sind solche Schein-Anglizismen, die im Englischen entweder eine ganz andere Bedeutung haben oder schlicht „Nonsense“ sind.

Die USA wurden zur „kulturellen Referenzgröße“ – und damit deren Sprache

Warum aber sind englische oder englisch klingende Wörter, die oft genug nur wichtigtuerische Worthülsen sind, ausgerechnet in Deutschland so beliebt? Immerhin sei dies nicht immer so gewesen, erst ab 1923 etwa habe Englisch überhaupt erst das französische als erste Fremdsprache an den weiterführenden Schulen im Deutschen Reich abgelöst, argumentiert Hock. Aber erst in der Zeit nach dem II. Weltkrieg seien die Vereinigten Staaten mehr und mehr „zur kulturellen Referenzgröße“ für viele Westdeutsche geworden, zum Inbegriff von Modernität, Jeanshosen, Coca Cola, Rock’n’Roll und neueste Technologien. Und mit diesem Universum des Fortschritts habe man sich durch sprachliche Übernahmen eins fühlen wollen – insbesondere in der Werbebranche, die dann immer mehr Lebenssphären beeinflusste.

Rettet den Dreikäsehoch!

Dies sei aber kein schrecklicher, sondern ein natürlicher Prozess für eine lebendige Sprache, meint Hock. Gleichzeitig gelte es aber, das sprachkulturelle Erbe unserer Vorfahren zu bewahren – mit all seinen köstlichen Wörtern, die sich gar nicht richtig in andere Sprachen übersetzen lassen: Nur bei uns kann ein Dreikäsehoch Heimweh haben, und in seiner plötzlichen Schnapsidee seine Habseligkeiten zusammenpacken, statt sich langsam zu beeilen oder schnell mal zu warten. „Insofern sollten wir unsere Sprache ganz unabhängig von englischen Begriffen und Kunstwörtern, von in Mode gekommenen Floskeln und aufschneiderischen Formeln einfach nur ein bisschen sorgsamer hegen und pflegen“, plädiert Autor Hock. „Und uns gewahr werden, wie einzigartig sie im Grunde genommen ist. Dann kann ihr auch in Zukunft kein noch so missgünstiger Hater etwas anhaben.“

Kurzüberblick:

  • Autor: Andreas Hock
  • Titel: I think I Spider – Vom Sinn und Unsinn des Englischen im Deutschen
  • Umfang: 176 Seiten
  • Verlag: Dudenverlag
  • Preis: zehn Euro
  • ISBN: 978-3411748891

Autor der Rezension: Heiko Weckbrodt

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt