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Aufbruch in die Exaflops-Welt

Auf dem geplanten Supercomputer Frontier der Exascale-Klasse in den USA können bisher ungelöste Fragen der Plasmaphysik beantwortet werden. Als Erstes möchten die Forscher vom HZDR neuartige lasergetriebene Elektronen- und Ionenbeschleuniger modellieren. Foto: ORNL/U.S. Dept. of Energy

Auf dem geplanten Supercomputer Frontier der Exascale-Klasse in den USA können bisher ungelöste Fragen der Plasmaphysik beantwortet werden. Als Erstes möchten die Forscher vom HZDR neuartige lasergetriebene Elektronen- und Ionenbeschleuniger modellieren. Foto: ORNL/U.S. Dept. of Energy

Experten aus Dresden-Rossendorf helfen, den weltweit schnellsten Supercomputer „Frontier“ in den USA hochzufahren

Dresden/Oak Ridge, 8. Oktober 2019. Der weltweit schnellste Supercomputer entsteht derzeit im US-Bundesstaat Tennessee: Die Unternehmen Cray und AMD installieren ihn bis zum Jahr 2021 im Auftrag des US-Energieministeriums am Oak Ridge National Laboratory (ORNL). Dank einer innovativen Grafikprozessor-Architektur soll „Frontier“ (dt.: „Grenze“) über 1,5 Trillionen Fließkomma-Rechenaufgaben pro Sekunde lösen können. Er stößt damit als wohl erster Rechner in die sogenannte Exaflops-Klasse vor. Plasma-Physiker des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR) werden zu den ersten Nutzern gehören. Sie bilden eines von acht auserwählten internationalen Teams. In Zusammenarbeit mit Prof. Sunita Chandrasekaran von der Universität Delaware, welche das Projekt in den USA leitet, wollen die Dresdner wissenschaftliche Pilotaufgaben für den „Frontier“ entwickeln und den neuartigen Supercomputer nutzerfreundlicher für Forscher aus aller Welt machen.

Dr. Michael Bussmann leitet am Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf eine Forschertruppe, die die komplexen Prozesse in Laser-Protonen-Beschleunigern für die Krebsbehandlung in Supercomputern simulieren. Foto: Heiko Weckbrodt

Dr. Michael Bussmann leitet am Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf eine Forschertruppe, die die komplexen Prozesse in Laser-Protonen-Beschleunigern für die Krebsbehandlung in Supercomputern simulieren. Foto: Heiko Weckbrodt

„,Frontier’ wird eine Schallmauer durchbrechen“

Die amerikanisch-sächsische Zusammenarbeit baut dabei auf dem Vertrauen auf, dass sich die Dresdner mit ihrer Erfahrung in Teilchen-Simulationen sowie mit der Supercomputer-Programmierung international erworben haben. „,Frontier’ wird eine Schallmauer durchbrechen“, schätzt Dr. Michael Bussmann vom neu gegründeten „Center for Advanced Systems Understanding“ (CASUS) und Abteilungsleiter am HZDR ein. „Wir können stolz darauf sein, dass uns die Kollegen aus Oak Ridge eingeladen haben, sie auf diesem Weg ins wissenschaftliche und technologische Neuland zu begleiten“, betont Dr. Guido Juckeland, der im HZDR die Abteilung für computergestützte Wissenschaft leitet und ebenso wie Michael Bussmann zum Dresdner Frontier-Team gehört.

Verbesserungsvorschläge in Oak Ridge ausdrücklich erwünscht

Um ihren neuartigen Supercomputer rasch für die Wissenschaft nutzbar zu machen, haben die Amerikaner ein „Center for Accelerated Application Readiness“ (CAAR), auf deutsch: „Zentrum für beschleunigte Anwendungsbereitschaft“, eingerichtet. Die zuständige „Oak Ridge Leadership Computing Facility“ (OLCF) des US-Energieministeriums hat nun acht Expertengruppen aus aller Welt eingeladen, in der Startphase von „Frontier“ mitzuhelfen. Jede Gruppe soll jeweils Simulationen eines besonders herausfordernden wissenschaftlichen Problems, die so nur an einem Supercomputer der Exaflops-Klasse möglich sind, zum Laufen bringen. Eines dieser Teams ist der Verbund der University of Delaware und des HZDR.

Erstmals Großcomputer aus AMD-Grafikchips

Die US-Kollegen haben diese internationalen Kooperationen auch deshalb erbeten, weil ihr „Frontier“ ein paar Besonderheiten hat. Dazu gehören dessen digitale Bausteine: Erstmals kommen für einen Hochleistungsrechner dieser Größenordnung Grafikprozessoren des US-Unternehmens AMD zum Einsatz. Sie gelten zwar in der Welt der normalen PCs als sehr leistungsstark. Allerdings gibt es weltweit keine Erfahrungen damit, Exaflops-Supercomputer aus diesen speziellen Chips zu bauen. Die Dresdner Experten sollen dabei helfen, die zu erwartenden Anfangsprobleme in den Griff zu bekommen.

Rossendorfer Alpaka springt über Grenzen zwischen Intel, AMD und Nvidia

Denn die HZDR-Forschungsgruppe um Dr. Michael Bussmann hat über Jahre hinweg eine besondere Expertise für wissenschaftliche Software entwickelt. Mit ihren maßgeschneiderten Programmen können sie das Zusammenspiel von Ionen und anderen winzigen Teilchen an Neutronensternen, in Superlaser-Experimenten und in anderen komplexen Systemen besonders effizient simulieren – und das auf Supercomputern mit sehr verschiedener Bauweisen. Ihre Software-Pakete „PIConGPU“ („Partikel-Simulationen in Zellen auf Grafikprozessoren“ ) und „Alpaka“ gelten dabei als wegweisend. „Durch unsere Codes laufen solche Simulationen auf ganz unterschiedlichen Hardware-Plattformen sehr effizient“, schätzt Michael Bussmann ein. Ihre Programmbibliotheken haben die HZDR-Forscher bereits an Hochleistungsrechner angepasst, die mit Intel-, AMD- oder ARM-Hauptprozessoren rechnen oder aus Nvidia-Grafikprozessoren gebaut sind. Für „Frontier“ optimieren sie ihre Software nun für Supercomputer aus AMD-Grafikchips – dies ist technologisches Neuland.

Kein Borg, sondern Doktorandin Josefine Metzkes, die die Targetkammer justiert, wo Elektronen- und Laserstrahlen aufeinander treffen. Foto: HZDR/Frank Bierstedt

Doktorandin Josefine Metzkes justiert eine Targetkammer, in der Elektronen- und Laserstrahlen aufeinander treffen. Foto: HZDR/Frank Bierstedt

Virtuelle Prototypen von Laser-Protonen-Beschleunigern im Frontier bauen

Die am HZDR-Simulationssoftware „PIConGPU“ könnte helfen, aktuelle Fragen in der Plasmaphysik zu beantworten. Aber dafür wird dringend ein Supercomputer der Exaflops-Klasse benötigt. Dr. Alexander Debus und Dr. Thomas Kluge haben in Dresden-Rossendorf innovative Konzepte für eine neue Generation von Teilchenbeschleunigern entwickelt. Sie wollen mit Superlasern leichte Elektronen und schwere Ionen weit effizienter und raumsparender beschleunigen als es die heutigen riesigen Linear- und Ringbeschleuniger vermögen. Die maximale Elektronen-Energie kilometerlanger Linearbeschleuniger kann so durch lasergetriebene Plasmabeschleuniger im Labormaßstab erreicht werden.

Eine Testsimulation zeigt wie ein ultrakurzer, hochintensiver Laserpuls in einem ionisierten Gas eine Plasmawelle treibt. Vergleichbar zu einem Surfer auf der Heckwelle eines Schnellbootes können so Elektronenpulse zu hohen Energien beschleunigt werden. Bild: HZDR

Eine Testsimulation zeigt wie ein ultrakurzer, hochintensiver Laserpuls in einem ionisierten Gas eine Plasmawelle treibt. Vergleichbar zu einem Surfer auf der Heckwelle eines Schnellbootes können so Elektronenpulse zu hohen Energien beschleunigt werden. Bild: HZDR

Kompakte Beschleuniger gegen Hirnkrebs

„Wir denken, dass wir damit Strahlenergien jenseits von 10 Giga-Elektronenvolt in einem Durchgang erreichen können, ohne den Elektronenbeschleuniger mehrfach neu ansetzen zu müssen“, erklärt Dr. Alexander Debus. „In Simulationen wollen wir zeigen, dass wir die alten Beschränkungen überwinden können. Dafür sind aber sehr leistungsfähige Rechner wie ,Frontier’ notwendig.“ Im Supercomputer möchten Debus und Kluge unter anderem die komplexen physikalischen Phänomene während solch eines langen Beschleuniger-Durchlaufs untersuchen. Auch der erste Prototyp der neuen Laser-Beschleuniger wird zunächst in der virtuellen Supercomputer-Welt gebaut, bevor die Konstruktion in der physischen Welt startet. Denkbare Einsatzfelder für solche lasergetriebenen Ionen- und Elektronenbeschleuniger sind zum Beispiel die Behandlung von Hirnkrebs mittels Protonentherapie, Teilchenforschung, Astrophysik und dergleichen mehr.

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: Vor-Ort-Recherchen, HZDR, CAAR

Hinweis: Der Autor hat diesen Beitrag ursprünglich für das HZDR verfasst.

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt