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DVD „Picasso“: Er tötete, was er liebte

Pablo Picasso. Foto: Gjon Mili/, Time Life Pictures, Getty Images, Absolut Medien

Pablo Picasso. Foto: Gjon Mili/, Time Life Pictures, Getty Images, Absolut Medien

Filmische Biografie über den Meister des Kubismus auf DVD erschienen

Seine Friedenstaube kannte – zumindest im Ostblock – jedes Kind. Seine „Demoiselles d’Avignon“, die eigentlich Huren statt Jungfern waren, mögen vielleicht auch noch viele gesehen haben. Aber dass das Werk von Pablo Picasso (1881-1973) tatsächlich Tausende Skizzen, Gemälde, Skulpturen und Installationen vom Realismus bis zum Kubismus umfasste, ist wohl Wenigen bewusst.

Wer jedoch war eigentlich der Mensch hinter dieser kreativen Flut? Dieser Spanier mit den intensiven Augen, der die meiste Zeit seines Lebens in Frankreich verbrachte? Der parallel zu George Braque den Kubismus begründete? Und der heute als einer der bedeutendsten Maler des 20. Jahrhunderts gilt? Im biografischen Dokumentarfilm „Picasso – Bestandsaufnahme eines Lebens“, der auf DVD erschienen ist, gehen Hugues Nancy und Olivier Widmaier Picasso diesen Fragen nach.

In "Casagemas in seinem Sarg" hat Picasso während seiner "baluen Periode" den Suizid seines Freudes im Jahr 1901 zu verarbeiten versucht. Repro: Fondation et Collection Weinberg, Absolut Medien, keine Wiederverwendung

In „Casagemas in seinem Sarg“ hat Picasso während seiner „baluen Periode“ den Suizid seines Freudes im Jahr 1901 zu verarbeiten versucht. Repro: Fondation et Collection Weinberg, Absolut Medien

Vom Wunderkind zum Minotaurus

Anhand von zeitgenössischen Filmaufnahmen, Tagebucheinträgen und vor allem anhand der Werkeflut, die erst im Nachlass von Picasso sichtbar wurde, zeichnen die Autoren ein komplexes Bild eines frauenverschlingenden künstlerischen Genies, eines Lebens in vollen Zügen: Wir sehen Picasso als zeichnendes Wunderkind, das der Vater in Richtung des spanischen Realismus schieben wollte, das selbst aber in eine andere Richtung drängte. Wir erleben den jungen Picasso, als er noch Haare auf dem Kopf hatte: Wie er die Bordelle von Paris frequentierte, wie er Freunde gewann und sie dann an den Krieg und an Krankheiten verlor – und dabei immer und immer wieder malte. Blau war damals die Farbe seiner Trauer und die trieb ihn zu kreativen Höchstleistungen. Freude bekomme Picasso nicht, hieß es später über den Maler. Schmerz und Verlust dagegen trieben ihn immer wieder an, nach neuen Ausdrucksformen zu suchen.

Hier hat Picasso 1937 seine Gefährtin Dora Maar porträtiert. Repro: Grand-Palais_Jean-Gilles-Berizzi_Sucession, Absolut Medien

Hier hat Picasso 1937 seine Gefährtin Dora Maar porträtiert. Repro: Grand-Palais Jean-Gilles-Berizzi Sucession, Absolut Medien

Jede neue Frau war ein neues Leben für Picasso

Ähnlich war es mit seinen Frauen: Lange, bevor das „Sich selbst neu erfinden“ zur inflationär gebrauchten Worthülse wurde, lebte Picasso den repetierenden biografischen Neustart immer wieder vor. Olga, Marie-Therese, Dora, Francoise, Jacqueline… jedes Mal, wenn er eine junge Frau verließ, um sich einer – am besten noch jüngeren – Anderen in die Arme zu werfen, begann er ein neues Leben, eine neue Schaffensperiode, bezog er ein neues Haus.

Zum Neuanfang gehörte aber eben auch der Verlust: Die Zurückgelassenen trauerten bis hin zum Suizid, wie im Falle von Marie-Therese. Sich selbst skizzierte Picasso in diesem Kontext oft als vergewaltigenden, jungfrauenverschlingenden Minotaurus, der niemals satt wurde. „Er liebte leidenschaftlich, und er tötete, was er liebte“, soll ein Graphologe über ihn gesagt haben.

Bis das Gesicht zur Maske wurde…

Die Autoren führen uns aber auch den Künstler vor Augen, der immer wieder hart darum ringt, nicht nur auf der Stelle zu treten, sondern neue Ufer zu besuchen. Der so lange an seinen Bildern arbeitete, bis die realitätskopierende, fast perfekte Licht- und Schatten-Szene sich weiter und weiter auf das Wesentliche reduzierte. Bis das Gesicht zur Maske und der muskulöse Stier zur Strichzeichnung wurde.

Werbevideo
(Absolut Medien):

Und wir sehen in der Doku auch den politischen Picasso, der sich mit „Guernica“ gegen Krieg und faschistoide Autokraten positionierte und an die Seite der spanischen Republik stellte. Einen Picasso, der mit den Kommunisten sympathisierte, die ihn aber nie recht verstanden und selbst sein Bekenntnis-Werk gegen den Korea-Krieg ablehnten.

In der Gesamtschau setzt sich so Stein für Stein ein Mosaik zusammen, dass auch dem Laien die Werke Picassos zugänglich macht.

Fazit: Starkes Künstlerporträt

Wer sich für moderne Kunst und ihre Wegbereiter interessiert, solche sich die Künstlerporträts aus der Arte-Edition nicht entgehen lassen. Gerade „Picasso“ ist eine besonders starke filmische Biografie, die ein knappes Jahrhundert Leben und Weltgeschichte parallel erzählt. Und sie hilft, seine Gemälde besser zu verstehen.

Kurzüberblick:

  • Titel: „Picasso – Bestandsaufnahme eines Lebens“
  • Genre: Biografische Dokumentation
  • Produktionsland und -Jahr: Frankreich 2013
  • Deutsche DVD-Veröffentlichung: Absolut Medien 2018
  • Laufzeit: 110 Minuten
  • Regie: Hugues Nancy
  • Drehbuch: Hugues Nancy, Olivier Widmaier Picasso
  • Preis: zehn Euro (bei absolutmedien.de)
  • ISBN: 978-3-8488-1046-8

Autor der Rezension: Heiko Weckbrodt

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt